Mehr Service bitte!
Ich bin’s leid. Neulich ertappt sich Melanie Blankenstein dabei, wie sie sich über die Arbeit aufregt. Nicht ihre Arbeit als Architektin, womit sie Geld verdient und die ihr Spaß macht. Sondern sie regt sich über die unsichtbare Arbeit auf, die eigentlich keine ist und doch so viel Zeit und Nerven kostet. Kurz: Melanie vermisst echte Servicedienstleistungen, die sich selbst abgeschafft haben – auf Kosten ihrer Zeit. Und appelliert: Mehr Service bitte!
Online-Reisebuchungen sind ja ein alter Hut: Preise vergleichen, Ticket ausdrucken, Gepäck einchecken; alles online, klaro. Gerade die Reiseindustrie versteht es bestens, sich für bestimmte Segmente selbst aufzulösen. Die Taschen am Flughafen aufs Gepäckband wuchten: Mach ich auch noch gerne. Aber als mir dann der Code zum Hotelzimmer per Textnachricht zugeschickt wird, wechsele ich das Hotel. Möchte mich im Urlaub – auch wenn es nur ein Städtetrip ist – nicht wie eine Nummer fühlen.
Nicht umsonst wächst der Zulauf zu Airbnb, wo man eben Mensch und kein Strichcode ist.
Kann man eigentlich online heiraten? Die Stromrechnung, das Jahresparkticket, die Müllabholung – alles mach ich im Online Bürgerbüro, wo ich anstatt grantigen, grauhaarigen Damen am Schalter eine halbfunktionierende IT im Web vorfinde. Frage ich mich: Was ist besser? Meistens muss ich am Ende doch mit Ersteren telefonieren…
Alles muss man selber machen
Das Leben der Kinder noch gleich inklusive: Der Newsletter von der Schule kommt online auf A4 als pdf – übrigens keine Freude diesen – ohne Brille – auf dem Smartphone zu lesen. Lehrpläne der Kinder, Kantinenbestellung und, ja, sogar die Schulzeugnisse der Kinder müssen wir Eltern selbst ausdrucken und unseren Kindern aushändigen. Mein Mann, beruflich in der digitalen Produktentwicklung unterwegs, rollt schon mit den Augen, wenn ich ihm Zugang und Passwort per WhatsApp zukommen lasse. „Bitte, kontrollier mal die Hausaufgaben. Danke!“
Oder heißt es doch auf Neudeutsch: „Pls cld U chk. Thx“.
Vokale kannst Du Dir selber denken!
Selbstverständlich gibt es auch in Australien in den Supermärkten ‚Selbst Check out’-Kassen. Beschwerden, falls die Technik versagt: Bitte online. Am besten auf einem IT-Forum, wo man sich durch bereits gestellte Fragen scrollen muss, damit vielleicht seine gesuchte Antwort findet, bevor man den Server unnötig mit einer Doppelbelastung in Anspruch nimmt. Ich kann nur sagen: Mehr Service bitte!
Laut Economist ist übrigens die häufigste Ursache für Arbeitsüberlastung die Zunahmen der kleinen Jobs hier und da. Was früher als Befreiung galt, fühlt sich heutzutage an als wenn wir Sklaven von Maschinen werden.
Es gibt Tage, da bin ich nur am Downloaden von Updates für entsprechende Apps oder lege Passwörter an, mache hier ein Update, suche da. Noch kann ich der Belastung standhalten. Aber ich singe davon ein leises Lied, plane ich doch am Tag mindestens ein bis zwei Stunden ein, um uns als Familie am Computer zu organisieren: Das Auto beim Service anmelden, Online Banking, Arzttermine, sogar den Friseurtermin kann ich mir im Netz aussuchen.
Auch die Behandlung von Läusen wird: outgesourct
Ich beschließe mich zu entlasten. Offensichtlich gibt es einen gesellschaftlichen Konsens, Dienste outzusourcen. Wurde das Wort outsourcing ursprünglich in der knallharten Businesswelt verwendet, gilt es heute durchaus als salonfähig die Bügelwäsche, den Wochenputz, das Baden der Hunde oder gar die Behandlung der Läuse auf Kinderköpfen auszulagern (kein Witz: http://www.nonitsnow.com.au/). Sollen sich doch bitte andere drum kümmern!
Die Fantasie kennt keine Grenzen. Entdecke ich doch neulich in einer Ausgabe des Sydney Morning Heralds eine sogenannte Naming Agency, genannt “Erfolgswelle”.
Für schlappe US $31,000 übernehmen 14 Namensexperten, 4 Historiker und 12 Übersetzer die einzigartige Namensgebung der Nachkömmlinge. Der Preis versteht sich pro Kind.
Wann brauchen wir einen persönlichen Butler?
Mein Mann, eben der aus der digitalen Produktentwicklung, gönnt sich übrigens einen Gärtner und schont so seine Hände für das Tippen und Wischen von Apps. Ich versuche mitzuhalten und habe die nächste Urlaubsplanung an ihn outgesourct.
Ich ertappe mich bei der Selbstreflektion: Bin ich gar stinkefaul? Mehr Service bitte – ein Wunschtraum? Muss ich mich einfach besser fokussieren? Brauch ich einen neuen, v.a. schnelleren Computer? Beim Concierge meiner Kreditkarte hänge ich auch nur in der Warteschleife – und frage mich ernsthaft: Ist die Zeit reif für die Renaissance des persönlichen Butlers?
Foto: pixabay
Ja, da kann man manchmal verzweifeln, wie Service verstanden wird, stimmt, Melanie!
Heute in „meinem“ Fitness-Studio: Im Preis inclusive ist ein Trainingsplan, der regelmäßig angepasst wird. Also da geht es um: Welche Geräte, wie viel Gewicht etc. Das überprüft ein Mensch, ein netter, mit guten Fachkenntnissen dazu. Leider muss ein solcher Plan natürlich auch geschrieben werden; wie ist mir als Kunde eigentlich Wurscht – wenn digital, gut, ich bin da natürlich gern für. Nur: Es muss diesen Plan für mich lesbar vor Ort im Studio geben, sonst ist die Mühe ja umsonst.
Als ich das 1. Mal, immerhin 1 Woche später, den Plan suche: Nix. „Mensch“ hat ihn noch nicht fertig gemacht. Grummel. Mach ich halt den alten Plan… Wieder 4 Tage später: Immer noch nix. Ich hatte mich, mal wieder, abgehetzt, um meinen Sport in meinen Tagesplan einzubauen.
Aber die Krönung kommt noch, denn besagter Mensch sieht meinen Frust und präsentiert mir stolz ein iPad: „Alles jetzt online hier“, ruft er laut. Schön, sage ich, dann her damit. „Wir können leider nicht ausdrucken“, seine Antwort…
Ich habe dann Yoga gemacht!
Seit neuestem fahre ich super mit der Einstellung „Wenn es etwas ist, was Dich noch in 6 Monaten aufregen wird, dann reg Dich auf und zwar gruendlich!“ – Ansonsten.. tief einatmen und wieder ausatmen und weiter geht’s!
Elke, Du hast es richtig gemacht!
Manchmal schießen sie sich auch selbst ins Knie. Ein Freund hat einen Krimi geschrieben. Wollte ihn meiner Frau aufs iPad laden. Spottbillig bei Amazon. Aber nur in der Kindle-Version ohne Umstand lieferbar. Nun lege ich mir (und schon gar nicht meiner Frau, die das dann als Danaergeschenk empfinden würde) nicht noch ein x-tes neues Elektrogerät zu, nur um einen Krimi mal eben drei Stunden zu lesen. Willst du ihn auf den anderen Elektrogeräten lesen, musst du erst eine App runterladen, dafür musst du dich anmelden usw. Werde meinem Freund sagen, er soll mir ein pdf schicken, und ich überweise ihm 5 Euro. Nächstes Mal gehe ich gleich wieder in den Buchladen. Und wenn meine Freunde Bücher schreiben, sollen sie gefälligst auch Bücher und nicht nur Dateien schreiben.
Dieser Ofamoos-Beitrag von Melanie spricht mir aus der Seele. Am schlimmsten ist es am Flugplatz Frankfurt, wo sich das Service Personal gemütlich ausruht, wahrend ich mich z.B. am Lufhansa-PC beim Gepäck-drop-off abmühe.
Der Drop-off Schalter ist offensichtlich nur der Anfang einer langen Reise in die Service Wueste!