SOS Familie – sterben wir etwa aus?
Immer wieder lesen wir in den Schlagzeilen: Deutschland habe mittlerweile die niedrigste Geburtenrate weltweit. Überraschend? Leider nein. Wir wollten von sieben Menschen, willkürlich in unserem Bekanntenkreis ausgesucht, wissen: Wie steht Ihr zur Familienplanung? Der älteste wird mit 39 in Kürze Vater, die jüngste ist gerade 13 Jahre jung. Auf was setzen sie, wenn es um Familienplanung geht?
Der 23-jährige Lukas, der gerade in England sein Studium abschließt, packt es in einen knappen, sofort verständlichen Satz: „Ich mag Kinder gerne, aber ich könnte auch ohne leben.“ Und Rashid, vier Jahre älter, ist ebenso deutlich: „Derzeit sind meine Ziele und Ambitionen in erster Linie auf meine persönliche Entwicklung und Karriere gerichtet.“ Plant denn die Frau gleichen Alters konkreter? Nicht wirklich. Auch Natalie, (27) hat lediglich „das Gefühl, dass dieses Thema von alleine konkreter wird, wenn der richtige Zeitpunkt gekommen ist.“
Mir ging es selbst nicht anders – wurde ich doch mit 43 Mutter, auf den letzten Drücker sozusagen. Deshalb kann ich auch den „werdenden Vater“, meinen neuen Bürokollegen Hanno, gut verstehen, wenn er sagt: „Das war zunächst ein schleichender Prozess. (…) Der letztlich ausschlaggebende Grund war sicher auch mein Alter. Worauf sollte ich noch warten?“ Wie ich hatte Hanno „wohl nie den drängenden Wunsch, hätte es aber auch nie ausgeschlossen.“ Der Gedanke an eine eigene Familie hatte immer noch Zeit. „Konkret“, sagt der jetzt 39jährige Düsseldorfer, „wurde das erst in der Partnerschaft mit meiner Frau.“
Schleichende Familienplanung
Verständlich, wenn eine Gesellschaft auf gute Ausbildung setzt, schon der Kindergarten „verschult“ wird und allerorten das Thema berufliche Karriere hoch gehalten wird. So sagt auch der 16jährige Schüler Justus aus Lippstadt:
„Eine feste finanzielle Grundlage wäre mir schon wichtig, um mir und meinen Kindern auch gewisse Standards garantieren zu können.“
Und Joe, die direkt nach dem Abi als Au Pair nach Melbourne gegangen ist, betont: „Zeit zur Familienplanung ist erst, wenn ich selber das Gefühl habe, was erlebt, geschafft und erreicht zu haben und mir meine eigenen Träume erfüllt habe (oder wenigstens einen).“ Sie weiß, dass das egoistisch klingt – und das ist auch sicher gut so. In dem Alter. Aber wann ist das richtige Alter, um die eigene Familiengründung nicht zu verpassen?
Die Autorinnen von „Die Alles ist möglich-Lüge: Wieso Familie und Beruf nicht zu vereinbaren sind“ beschreiben meine Generation wie folgt – und da ist viel Wahres dran:
„Die heute 30- bis 50-Jährigen, die in der bürgerlichen Mitte angekommen sind, kurbeln selbstverständlich ihre stadtfeinen Geländewagen in die Lücken auf dem Biosupermarktparkplatz und investieren Unmengen in die Pflege ihrer Gärten und die Einrichtung ihrer Architektenhäuser oder Altbaulofts.“
Auf der anderen Seite wachsen – mit der sogenannten „Generation Y“ – zumindest in Großstädten die jetzt 20-30-jährigen Berufseinsteiger heran, die ganz neue Vorstellungen von Arbeit, Verantwortung, Führung und Verbindlichkeit propagieren. Viele von ihnen wollen beides: ein gutes Arbeitsklima UND ein familienfreundliches Umfeld. Für die von ihm beobachteten Medizinabsolventen gelte das in hohem Maße, konstatiert z.B. Professor Dr. Bernd Halbe, der an der Uni Köln im Fach Medizinrecht unterrichtet.
Familie ist wichtig
Die Wichtigkeit von Familie steht für alle der von uns Befragten außer Frage. Natalie, die in Wien arbeitet, beschreibt sie als einen „Hafen, in den man immer zurückkehren bzw. einkehren kann. Alles, was außerhalb dieses Hafens passiert ist, spielt keine Rolle. Für mich haben die Verbindungen innerhalb einer Familie etwas Bedingungsloses.“
Rashid, der in Dubai aufgewachsen und vor kurzem Onkel geworden ist, antwortet auf die Frage nach der Bedeutung von Familie: „In meiner Kultur ist es üblich, dass sich Familienmitglieder sehr stark verbunden fühlen; und bei uns sind Familien im Durchschnitt viel größer (6-8 Personen) als in Deutschland. Ich habe das Glück, in einer sehr liebevollen Familie aufgewachsen zu sein, die mir wichtige Werte und Moralvorstellungen während meiner Erziehung vermittelt hat.“
Ähnlich geht es der gebürtigen Kölnerin Joe, die sich gerade während ihrer jetzigen Au-Pair Zeit am anderen Ende der Welt oft nichts Sehnlicheres wünscht als ihre Familie. Familienplanung? No way! Sie denkt:
„Es kommt einfach wie es kommt. Auch wenn ich jetzt sagen würde, ich hätte gerne zwei Kinder, ein Junge und ein Mädchen. Wer garantiert mir, dass ich den richtigen Mann finde, ob dieser überhaupt Kinder will und wer sagt mir, dass ich nicht doch ein Kind adoptiere oder mich später noch um entscheide, weil ich doch keine Kinder will, sondern mir ein Hund auch vollkommen reicht oder mein zukünftiger Ehemann vielleicht schon eine Tochter hat, die irgendwann Mama zu mir sagt?“
Kann man eine Familie wie nebenbei aufbauen? Ja, mit viel Glück. Ärzte beglückwünschen mich „späte Mutter“ immer sehr, denn das passiert nicht vielen. Je mehr wir also unseren eigenen Kindern vorleben, dass Familie – und eben nicht zuvorderst der Karrierejob – der zentrale Punkt unseres Handelns sein kann, desto weniger werden die Generationen nach uns sich dagegen entscheiden. Das ist nicht einfach, denn wir sind geprägt davon, dass es sich „gut lebt“, wenn man materiell gut da steht. Wenn aber zu wenig Kinder nach kommen, ist letztlich alles für die Katz.
Interviews und Text: Elke Tonscheidt
Kommentare
SOS Familie – sterben wir etwa aus? — Keine Kommentare
HTML tags allowed in your comment: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>