Leben im Ausland – macht das zufriedener?
Melanie und Elke kennen Anke aus alten Münchner Zeiten. Alle drei waren zeitweise Arbeitskolleginnen. Dann zog erst Melanie nach Sydney, kurze Zeit später Anke nach Melbourne. Purer Zufall. Anke hat nun einen Tapetenwechsel vor sich: Am 28. Juli geht es in den Flieger zurück nach Deutschland! Nach fast 9 Jahren down under, nun mit Mann und zwei Kleinkindern. Wie hat sie dieses Leben im Ausland geprägt? Was überwiegt: Glück in die Heimat zu kommen oder die Wehmut Altbekanntes zu verlassen? Wie plant sie Freundschaften zu erhalten? Über das Leben im Ausland berichten uns Anke gerne.
Anke,
Du warst 9 Jahre in Melbourne, wie hast Du Dich verändert?
Gute Frage, verändert man sich am meisten durch das Älter- oder das Eltern-Werden? Oder ist es der Ort? In jedem Fall bin ich noch zuversichtlicher geworden: Ich habe erlebt, dass ich mir mein Leben neu aufbauen kann. Hat ja geklappt in Melbourne, sogar in einer fremden Kultur.
Du bist mittlerweile auch Mutter, Deine Kinder kennen Deutschland wenig, wie wird das wohl werden?
Generell bin ich positiv gestimmt, wir kennen die Sprache, wir haben Familie vor Ort. Mein 4-Jähriger freut sich total auf seine Verwandten und wird im Kindergarten sicher schnell Anschluss finden. Seine 2 Jahre jüngere Schwester ist in einem unkomplizierten Umzugsalter – in dem Alter gibt es keine Freundschaften etc. Wahrscheinlich wird Sie sich nie an Ihre Zeit in Australien erinnern …
Und Dein Mann?
Mein Partner blickt gespannt auf den Tapetenwechsel. Er sieht darin auch eine tolle Chance sich beruflich zu verändern, nach über 20 Jahren im gleichen Job, bei der gleichen Firma… Es ist auf jeden Fall hilfreich, dass er ziemlich gut deutsch spricht.
Ihr lasst also komplett los?
Na ja, zu guter Letzt gibt es natürlich immer die Option nach Melbourne zurückzukehren, sollte alles nicht so hinhauen. Aber warten wir es ab – ich habe mal gelesen, dass es 5 Jahre dauert, bis man sich irgendwo richtig einlebt.
Was überwiegt: die Freude am Neuanfang zuhause oder die Wehmut, Altes jetzt aufgeben zu müssen?
Es ist ein Wechselbad der Gefühle. Wenn dieses Interview online geht, stehen wir kurz vor der Rückreise, wir wohnen schon bei Freunden, weil „zuhause“ die essentiellen Einrichtungsgegenstände fehlen… Wenn man alles vorbereitet und organisiert, denkt man nicht viel darüber nach, wie es wohl wird… Man macht es einfach. Als ich 2006 nach Melbourne gezogen bin, war das genauso. Jetzt ist noch am einfachsten den Job und das Haus aufzugeben. Am traurigsten bin ich darüber unsere Freunde nicht mehr so einfach zu sehen. Über die Kinder haben wir sehr enge neue Freundschaften geschlossen!
Gibt es auch so etwas wie Erleichterung?
Und wie! Ich bin sehr erleichtert nach Deutschland zurückzukehren, ohne den Tod meiner Eltern oder Vergleichbares durchmachen zu müssen. Das war stets meine Hauptangst. Ich möchte einfach viel mehr Zeit mit Ihnen verbringen, in den Jahren wo das noch möglich ist. Wer weiß schon, wie lange das ist …
Welche Gefühle sind noch im Wechselbad?
Auch ein wenig Stolz: Stolz darauf komplett mein Leben hier aufgebaut zu haben, inklusive interessanter Jobs. Und natürlich darauf, unsere Kinder hier groß zu ziehen.
Tut der Blick von außen auf Deutschland gut?
Ich habe Deutschland ja der Liebe wegen verlassen. Nicht, weil es mir nicht gefallen hat. Aber es ist gut zu sehen, dass es in anderen Ländern genauso bürokratisch zu geht, die Politiker gewisse Sachen versprechen und sich später nicht mehr daran erinnern können oder es anders meinten. Es gibt auch hier viele Themen, worüber man sich ähnlich schämt wie zuhause, z.B. die Flüchtlingspolitik in Australien. Kurz gesagt: wenn ihr Boot nicht umgedreht wird, werden Sie auf der Pazifikinsel Nauru unter unmenschlichen Bedingungen eingesperrt. Auch Kinder! Darüber erfährt man in Deutschland vermutlich wenig…
Wird man zufriedener, wenn man sieht, dass es überall ähnliche Probleme gibt?
Vielleicht, mich würde sehr interessieren, wie das andere Rückkehrer sehen! Das „perfekte Land“ gibt es aus meiner Sicht jedenfalls nicht, es gibt vielleicht unterschiedliche Vor- und Nachteile. Vielleicht akzeptiert man das einfacher, wenn man mal woanders gelebt hat und man regt sich weniger über Sachen auf …
Was hat Dir down under am meisten gefehlt?
Weihnachten im Sommer, Ostern im Herbst, besser isolierte Häuser, Altstädte, Innenstädte mit schönen Marktplätzen – es gibt vieles, an das ich mich nicht neu gewöhnen kann – aber letztendlich ist es Familie, die fehlt. Mein Partner ist ursprünglich aus Neuseeland, wir haben hier keine Familie in der „Nähe“.
Wie planst Du Deine neuen Freundschaften nun zu erhalten? Geht das heute via social media besser?
Ich habe hier ja gesehen, dass es möglich ist Freundschaften zu erhalten. Freundschaften können auch ohne viel Kontakt bestehen. Es ist das Wissen, dass es die Person gibt und für einen da ist und man noch genau auf derselben Längenwelle liegt. Für mich sind Email und Skype am wichtigsten. Die Kinder skypen auch schon gut und gerne, dass wird schon… Natürlich hoffen wir dann auf Besuch von Melbourner Freunden in Deutschland. Es ist schön in der Gastgeberrolle zu sein!
Das Interview führte Elke Tonscheidt.
Fotos: privat von Anke
Sehr erkennbar für mich ?! Nach 16 Jahren ebenfalls zurückgekehrt, in der Zeit geheiratet und Mutter geworden.
Als einer, der auch „mal draußen war und zurückgekehrt ist“ bestätige ich hier gerne alles, was Anke oben bereits treffend zusammengefasst hat. To cut it short: Ja, auch ich denke, einige Jahre in einem fremden Land und einer anderen Kultur bereichern auf jeden Fall – wenn die innere Einstellung stimmt. Meine insgesamt neun Jahre auf der Arabischen Halbinsel haben meinen Horizont in vielfacher Weise erweitert, meinen kritischen Blick auf unsere oft typisch deutsche Sicht geschärft und meinen Respekt für andere Mentalitäten gefördert – auch wenn der Erkenntnisprozess nicht immer leicht war. Dass nun, zurück in München, der Grad der persönlichen Zufriedenheit mit den so stabilen, rechtssicheren und bestens organisierten Rahmenbedingungen hier wieder deutlich höher liegt als vor den langen Auslandsaufenthalten, ist ebenfalls ein angenehmer Aspekt. Ob sich das vielleicht inzwischen auch mit der zunehmenden Altersmilde vermengt, sei dahingestellt. Auf jeden Fall lautet meine Empfehlung: Wer die Chance hat, einmal für mehrere Jahre die Perspektive deutlich zu wechseln und ins Ausland zu ziehen, der sollte eine solche Möglichkeit sehr wohlwollend prüfen und den Schritt eher wagen ,und vor der (definitiv gegebenen) großen Veränderung nicht zurückschrecken. Es lohnt sich!
Nach 9 Jahren im Ausland (Fribourg/CH und Dubai) kann ich ebenfalls alles oben gesagte bestätigen. Und mein Blick auf Deutschland ist sehr viel wohlwollender und dankbarer geworden. Eine Bekannte in Dubai, selbst Palästinenserin, sagte mal zu mir: „Kiss your passport everyday“.
Hallo, vielen Dank für den interessanten Einblick? Wie schaut es mit den beruflichen Möglichkeiten im Ausland aus? Ist es zum Beispiel möglich auch in der Ferne als Headhunter für Unternehmen zu arbeiten? Liebe Grüsse