Ehekrise: Wie reden mit einer Wand
Unsere Trennungs-Serie geht weiter! Mit Dagmar*, die nach ihrer Trennung vor 9 Jahren, über ihren Ex-Mann sagt: „Er ist heute ein echt guter Freund.“ Die 51jährige Beraterin lebt in der Nähe von München, ist inzwischen geschieden und wieder neu liiert. In ihrer Ehekrise hat sie die klassische Verdrängungstaktik auf beiden Seiten erlebt, schließlich die Wende ohne große Vorbereitung eingeleitet und kann heute wieder viel mehr lachen.
Frauen, heißt es, sind meistens die, die in einer Ehekrise eine Trennung durchziehen. War das bei Dir auch so?
Ja, ich war die treibende Kraft. Erst war es nur ein Gefühl im Bauch und eine zunehmende Distanz. Ich fühlte mich nicht mehr verstanden. Versuche zu reden missglückten – es war wie reden mit einer Wand, immer gab es Wichtigeres. So langsam wurde die Kluft größer und wir schlitterten in eine zunehmende Ehekrise, aus der wir nicht herausfanden. Verdrängen kann ich auch ganz gut, aber irgendwann habe ich, voller Ängste, die Entscheidung getroffen und mich getrennt. Wenn keine Veränderungen möglich sind, geht es nicht anders, will man nicht nur irgendwie nebeneinander her leben.
Wie gut vorbereitet warst Du?
Ich habe schlicht den Ausweg gewählt, statt mich weiter gemeinsam im Kreis zu drehen. Eine richtige Vorbereitung geht anders…
Vieles wird in einer Ehekrise verdrängt, auf beiden Seiten
Und er fiel aus allen Wolken?
Nein, er hat ja gewusst, dass ich diese Gedanken habe. Nur hat es was geändert? Typisch Mann – natürlich nicht. Augen zu und weitermachen – vielleicht beruhigt sie sich ja wieder! Also lieber noch mehr arbeiten und Diskussionen aus dem Weg gehen. Die klassische Verdrängungstaktik. In seltenen Momenten gab es Ansätze und Bemühungen, etwas zu verändern – aber so richtig wahrhaben wollte er nicht, dass ich es ernst meinen könnte. Verrückt, oder? Aber auch ich habe viel verdrängt, muss ich zugeben.
Keiner will gern verlassen werden. Warum fällt das Verlassen aber auch denen, die aktiv gehen, so schwer?
Trotz allem gibt es so viele schöne Momente und Erinnerungen, Gemeinsamkeiten und Vertrautheit, die verbinden – dies aufzugeben schmerzt sehr und lässt auch den Verlassenden erst einmal schutzlos zurück. Zur Familie gehört man auch nicht mehr so richtig und manche Beziehungen im gemeinsam gewachsenen sozialen Umfeld ändern sich durch die Trennung oder werden ganz aufgegeben. Mit Kindern kommt noch ein schlechtes Gewissen dazu, denke ich – sich schuldig zu fühlen, weil man eine Entscheidung getroffen hat.
Wie fühlt man sich, gibt es Phasen, wie sehen die aus?
Es gab Hochs und Tiefs, ein Wechselbad der Gefühle, jedenfalls bei mir. Am Anfang (nach der Trennung) fühlte ich mich einfach befreit, ich hatte Mitleid mit ihm, sonst war er mir ziemlich wurscht. Dann kam es ungefähr so: Ach, er flirtet? Ja gern, stört mich doch nicht! Was, eine Jüngere? Naja, sei ihm gegönnt. Wie, soooo jung?????!! Das geht doch nicht! Wie unfair! Die hat ihn nicht verdient. Eifersucht!!!!!!!!!!!!!!! Er muss doch um mich kämpfen, verflixt…. Ich war wütend auf ihn.
Und dann?
Es folgte eine Phase mit recht inniger Verbundenheit, trotz Trennung und eigenem Leben. Ein schönes Gefühl, manchmal sogar ein „was wäre wenn“-Gefühl. Eine intensive Phase auch der Reflexion, warum ging die Beziehung schief? Warum konnten wir unsere Probleme nicht gemeinsam lösen? War Trennung wirklich der letzte Ausweg? Wir haben immer wieder geredet und nach vielen Streitgesprächen manches Problem endlich verstanden.
Würdest Du heute sagen, dass Dein Ex-Mann ein echt guter Freund ist?
Ja, weil wir uns sehr gut kennen mit all unseren Stärken und Schwächen und uns gegenseitig nichts vormachen können/müssen. Ich glaube, wenn es darauf ankommt, ist jeder bereit, den anderen zu unterstützen. Natürlich wird sich zeigen, ob diese Freundschaft auf Dauer hält oder sich die Wege langsam auseinanderbewegen werden. Aber ich glaube, es wird sein wie bei wirklichen Freunden – es kommt nicht darauf an, ob man viel Kontakt hat, die Tiefe macht es aus.
Was kann man tun, um eine Beziehung in Freundschaft zu wandeln?
Beide Partner müssen sich die gegenseitigen Verletzungen, ob absichtlich oder versehentlich zugefügt, verzeihen – das ist ein großer emotionsgeladener Schritt, der aber unerlässlich ist um nach vorne zu schauen und die Beziehung wirklich abschließen zu können. Es wirkt sehr befreiend, egal ob man selbst um Verzeihung bittet und gebeten wird.
Und beide müssen so weit sein, sich auf Augenhöhe begegnen zu können – ohne Schuldgefühle oder Hoffnungen.
Reißen alte Narben manchmal wieder auf?
Ja, es gibt gewisse Knöpfe, die bei bestimmten Themen aktiviert werden – und dann spitze Stacheln in die Seele stoßen. Aber ich bin zuversichtlich, dass auch diese Wunden heilen
Wie anders ist das neue Leben jetzt?
Ich habe viel über mich selbst gelernt, das kommt mir in meiner jetzigen Beziehung zugute. Auch fühle ich mich unabhängiger und weiß, dass ich schwierige Entscheidungen meistern kann. Ich lache mehr und kämpfe weniger.
Dagmar heißt in Wirklichkeit anders. ohfamoos hat den Namen geändert, weil wir in dieser Serie durchgängig keine echten Namen nennen wollen.
Das Interview führte: Elke Tonscheidt
Foto: privat
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