Wir sind Kommunikations-Affen
Wo liest Du gerade diesen Artikel? Ich tippe auf die Bahn, da redet ja eh keiner mehr. Oder bist du noch zuhause, vielleicht auf dem stillen Örtchen? Wie lange bist du täglich online? Immer, oft, zu oft? Geht dir das ständige Getippe auch auf die Nerven? Oder bin nur ich auf dem Trip, das Handy manchmal bewusst zu vergessen um abzuschalten?
Neulich auf der Autobahn: Meine Freundin und ich überholen einen Transporter, der mit 140 auf der mittleren Spur fährt. Der Fahrer hat in der einen Hand sein Steuer, in der anderen sein Handy, wo er offenbar eine Mitteilung oder Mail liest.
Neulich im Sportstudio: Wer redet denn da unentwegt? Die Frau auf dem Stepper. In der einen Hand hält sie den linken Griff, in der anderen ihr Handy. Nicht nur, dass sie andere mit ihrem Geplapper nervt, Fitness sieht irgendwie anders aus, oder?
Wie abhängig sind wir von unseren Geräten? Nein, wir wollen nicht ohne sein, wir sind Blogger, die online gut finden. Aber dieses vermeintlich schlaue Phone geht mir immer mehr auf den Senkel. Und ich möchte nicht wissen, wer da allein im Auto oder LKW alles rum mailt, während er fährt. Diese Omnipräsenz, kann da bitte nicht mal etwas Feingefühl einsetzen? Eine 8köpfige Familie sitzt beim Abendessen im Restaurant; ratet mal, wie viele ihre Nase ins Smartphone stecken? Fünf! Einer war auf Klo, die anderen 2 mussten vermutlich grad ihr Akku laden. Wie öde können Tischnachbarn eigentlich sein?
Ich erinnere mich an eine Freundin, die mich schon – vor Jahren – bittet: „Elke, kannst Du meinem Mann mal sagen, dass er wenigstens beim Autofahren nicht mailt, wenn die Kinder hinten sitzen?“ Bin ich ja selbst oft genug in Versuchung, schnell an der roten Ampel eine Mail zu lesen, wenn der Kurze hinter mir grad nicht guckt.
Ist nicht der Zeitpunkt gekommen, wo die Stimmung kippt? Meine Augen leuchten, als mir eine Frau erzählt, dass ihr 7jähriger ihr Handy versteckt, damit Mama bitteschön nicht immer da dran hängt…
Digital Detox, das Wort hat sich bereits eingeprägt. Als ich Anfang des Jahres einer Zeitschrift einen Artikel über mein 1. Internet-Fasten anbiete, winkt die Redaktion dankend ab: Haben wir schon längst drüber berichtet.
Jetzt lese ich, dass Tourismusbetriebe den „Offline-Urlaub“ geradezu propagieren, dafür eigens Kriterien aufstellen:
Neben der „absolut Handyfreien Zone im gesamten Betrieb“ gibt es in den sog. „Offline-Betrieben“ der Steiermark auch auf den Zimmern kein Internet; selbst Fernseher, Radio, Wecker und normales Telefon sind „für die Aktionswoche deaktiviert“. Dafür gibt es Zusatzangebote: „Die Natur hören“ oder„Den Körper spüren“, womit Yoga, Spaziergänge, sogar Häkelkurse gemeint sind.
Nein, wir wollen nicht zurück in die „gute alte analoge“ Welt. Aber ist nicht skurril, was mir kürzlich ein Bekannter erzählte? Er sitzt in einer Bar und whats-appt einem Freund, wo er ist. Antwort: Da bin ich auch. Die beiden blicken auf und sitzen keine 15 Meter auseinander.
Man sieht sich einfach nicht mehr. Weder sich (eines Tages) noch die anderen…
Hier mehr über Offline-Urlaub.
Text: Elke Tonscheidt
Foto: Pixabay
Wie treffend und alarmierend, ein schöner Artikel zu einem sich ausweitenden Phänomen. Der Aufruf zu gelegentlichem „Digital Detox“ ist mehr als angebracht! Wie „krank“ einem manches um uns herum vorkommen kann, wurde mir selbst in den vergangenen zwei Wochen jeden Abend in einer traumhaft überm Korallenriff auf einem Holzsteg gelegenen „Sunset-Bar“ der Insel Angaga im Ari-Atoll bewusst: Während am Horizont die Tropensonne ihre ganze Farbigkeit beim Einsinken in ferne Wolkenschleier und ins Meer entfaltete, starrten fast alle Menschen um uns herum, die dort (in Blickrichtung zum Horizont ausgerichteten Sesseln) sassen, nicht auf dieses traumhafte Naturschauspiel – sondern auf ihre Smartphones und iPads, denn die Bar hatte W-LAN !!!!!!!! Okay, dass dieses Phänomen im Alltag rings um uns alle inzwischen zur Normalität gehört, daran ist man reichlich gewöhnt… aber dass selbst im Urlaub bei einem malerischen Sonnenuntergang die hypnotische Wirkung unserer Gadgets das grandiose Naturschauspiel in den Hintergrund treten lässt… ist das noch „gesund“? Doch Moment, ich muss mich etwas korrigieren, was die Beobachtungen in Angaga angeht: Es waren eher nur die europäischen Urlauber, die gebannt auf ihre Displays starrten und ganz in ihrer Facebook- und Kommunikations- und Informationswelt gefangen waren – denn die Asiaten starrten stattdessen in ihre digitalen Kameras … ich bin ziemlich sicher, dass manche von ihnen nie (!) auch nur für einen Moment das grandiose Originalbild am Horizont ansahen, sondern ausschließlich die miniaturisierte Version in ihrem Apparat kennen. Was meine Frau und mich selbst betrifft: Inselurlaub bedeutet für uns immer absolute „digitale Enthaltsamkeit: Die Smartphones werden deaktiviert, das Notebook bleibt gleich ganz zuhause, das TV im Zimmer wird nach der Ankunft sofort ausgestöpselt und das Internet absolut ignoriert. Nach anfänglichen Entzugserscheinungen stellt sich dann bald die reinste Tiefenentspannung ein – sehr zur Nachahmung empfohlen!