Raus aus der Beziehung, rein in die nächste?
Ein Buch über Menschen, die sich trennen, die Beziehung beenden und rastlos durchs Leben ziehen – will ohfamoos das empfehlen? Klar ist: Momente der Klarheit ist keine Komödie, doch trägt der Roman Züge davon: tragische, manchmal bittersüße. Und Autorin Jackie Thomae hat ein krasses Erzähl-Tempo und einen super Sprachwitz!
Was mache ich eigentlich in und mit meinem Leben? Die Frage zieht sich wie ein roter Faden durchs Buch. Immer geht es um Beziehungen, genauer: um die von 20 Menschen, die in Berlin in zig Situationen auftreten; alle sind auf Umwegen miteinander verflochten – und getrieben von der Sehnsucht weiterzukommen.
Nur wie und wohin? Es ist eine ständige Rastlosigkeit, oft ohne erkennbares Ziel. Und das, obwohl es ihnen verhältnismäßig gut geht. Zu gut? Schon feiern Literaturkritiker ein Werk, das tief und oft aberwitzig aus dem Leben schöpfe – vor allem wenn man „die arrivierte Schickeria in Berlin-Mittes Medienberufs-Dunstkreis“ vor Augen habe.
Beziehung beenden – und dann?
Wann stellt man sich die Frage nach dem Lebenssinn? Sie wird lauter, sagt Jackie Thomae selbst über ihr Buch, „wenn man schon ein paar Jahre gelebt hat, sprich ein paar falsche Ausfahrten genommen hat, die man nun gern korrigieren würde. Aber wie? Mit diesen Problemen – vermeintlich falscher Partner, Beruf, Lebensentwurf – muss umgegangen werden. Mit Verdrängung, Vernunft, Passivität oder auch Irrsinn.“ Die Autorin schafft das, indem sie die Grundthemen Gefühl, Leidenschaft, Individualität und Seele bespielt – oft sehr ironisch, zweideutig und voller (schwarzem) Humor.
Zum Beispiel erkennt der erfolgreiche und mit sich zufriedene Musikproduzent Bender auf einer Party: Sowohl er als auch seine Freundin Doro sind in 10 Jahren Partnerschaft gealtert; überraschend? Ihn trifft diese Erkenntnis jedenfalls so, dass er sich daraufhin trennt – und dies später feige durch seinen Anwalt mitteilen lässt.
Den Kopf frei haben für die Liebe
Und wie dieser Kerl anschließend „die Liebe seines Lebens, die er seit ein paar Monaten kennt“ heiraten wird und über seine neue Frau Serafina, selbstverständlich etliche Jährchen jünger, sinniert: Ihr „scheint zu genügen, dass es ihn gibt, dass er irgendwo existiert und ihr Mann ist.“ Ob er anwesend ist oder nicht, schließlich hat das Mädel ihren ersten großen Job und also wenig Zeit. Sind das Momente der Klarheit? Und wie ordnet die Autorin es ein?
„Da Bender das Gefühl kennt und es immer mühsam fand, seinen Frauen erklären zu müssen, dass er sie selbstverständlich liebe, aber im Moment den Kopf einfach nicht frei habe für sie, erfreut er sich an seiner eigenen Großzügigkeit und Reife.“
Neben Typen wie Bender treten auf: ein Regisseur, eine Künstlerin, zwei Filmproduzenten, eine Historikerin, weitere Musiker, untreue Eheleute usw. Im Personenregister (Tipp: frühzeitig nutzen!!) liest sich das so: „Susanne ist schon immer auf der Flucht vor ihrer Spießigkeit, aber trotzdem Apothekerin geworden. Bei einer Fahrt in ihre alte Heimat sieht sie ihren Vater – und ihre bisherigen Beziehungen – in einem neuen Licht.“ Oder kürzer über eine andere Frau: „Maren beendet erst ihre On-Off-Beziehung zu Clemens, dann ihre Therapie und schließlich ihr Dasein als Trinkerin.“
So böse und doch auch wieder nachsichtig
Klingt nicht richtig witzig, stimmt. Doch so, wie Thomae ihre Beobachtungen verfasst, fasziniert der Roman – so böse und doch auch wieder nachsichtig im Ton schreibt die Autorin über das, was in Beziehungen geschieht: Wenn sich Menschen langweilen oder nicht gelernt haben zu lieben.
Ich finde, der Sprachstil der Autorin ist sehr pointiert, ja ohfamoos! Und für die Rastlosen unter uns, die an ihrer Beziehung nicht arbeiten wollen: Vielleicht fragt Ihr Euch nach der Lektüre, ob das wirklich so hilfreich ist.
Jackie Thomaes Roman ist 2015 bei Hanser Berlin erschienen, schaut mal rein wenn Ihr Leseproben sucht, dort findet Ihr auch ein Interview mit der Autorin.
Foto: Copyright Urban Zintel