Ein Fleck auf dieser Erde sein
Journalisten – und dazu gehören ja auch Fotografen – sind oft nicht nur neugierig, auch noch nervig: Wollen immer was aufdecken. Der Kölner Felix von der Osten ist in einem Reservat in den Alltag amerikanischer Ureinwohner eingetaucht. 40 Meilen südlich der kanadischen Grenze – wir würden sagen „in the middle of nowhere – hat der junge Kölner zweieinhalb Monate mit ihnen gelebt. Und daraus eine berührende Foto-Geschichte gemacht.
Nichts auf die Schnelle. Langsam, das ist seine Devise. Felix hat gerade seinen Bachelor in Fotografie gemacht und, berichtet er, steht auf langsam, wenn er arbeitet. Seine Augen hinter der großen dunklen Brille fixieren mich sofort, aber in aller Ruhe. Und, klar, gibt der 26jährige mir gern ein Interview, obwohl er ganz kurz vor der Vernissage steht. Andere, die ebenfalls ausstellen, winken ab; Felix nimmt sich Zeit. Jetzt und eben auch, wenn er mit der Kamera unterwegs ist.
Wenn das Fotografenherz höher schlägt
Zusammengeführt hat uns Dirk. Genauer Prof. Dirk Gebhardt, der an der FH Dortmund Fotografie lehrt und mit dem ich seit 5 Jahren als Bloggerin für meinesuedstadt.de zusammenarbeite. Dirk, der sich selbst gern visueller Geschichtenerzähler nennt, verdreht bestimmt die Augen, wenn ich auf seinem Professor rum reite…, aber so ist es nun mal, er hat Felix mit ausgebildet und der hat mit seinen 26 Jahren erst angefangen, mit seinen Fotos diverse Preise abzuräumen. Ich wette, das Fotografenherz im coolen Dirk schlägt hoch, wenn er mit Felix und den sechs anderen Nachwuchstalenten arbeitet – oder eben wie jetzt in Köln eine Vernissage macht.
Die sechs anderen sind Felix’ Kumpel. „Wir hängen immer zusammen und pushen uns gegenseitig“, sagt Felix. Im Projekt FERN-SICHT stellen sie nun zusammen ihre Geschichten über Menschen aus, die verschiedener nicht sein könnten. Fotografische Essays und Porträts, denen eine historische Spurensuche vorangegangen ist. Man spürt sofort, wie sich die Jungs mit der eigenen Herkunft, aber eben auch mit dem Leben anderer auseinandersetzen. Analog und digital. Wobei Felix mehr der analoge Fotograf ist.
„Ich war der guy who flew upon the big pond.“
Seine Foto-Geschichte heißt: „The Buffalo that could not Dream“. Sie zeigt Menschen und Situationen im viertgrößten Indianerreservat in Montana. Dazu brauchte er gleich zwei Reisen nach Übersee – und viel Zeit. Die Felix gern investiert hat, um das Leben dort, ja, aufzusaugen. Das ist jetzt meine Beschreibung von dem, was mir die Bilder zeigen; Felix drückt das so aus:
„Ich habe direkt in den Familien zweieinhalb Monate gelebt, auf der Luftmatratze oder auf dem Sofa gepennt, manchmal mit 4 Leuten auf dem Boden eines 7qm großen Zimmers.“
Das schafft Nähe. Und die wurde geschätzt. Schon nach dem 2. Besuch war klar: „Der nimmt sich Zeit.“ Felix wurde zum guy who flew upon the big pond. Und seine neuen Freunde sagten:
„Toll, was der da macht, dadurch werden wir ein Fleck auf dieser Erde. Das wurde eigentlich immer vergessen.“
Und wie lebt es sich dort? Als Felix das 1. Mal dort war, „wirkte es fast ein bisschen kitschig“. Ein Ort, wo letztlich nichts ist, eingerahmt von einer wunderschönen Landschaft, mit Menschen, die versuchen ihre Kultur aufrechtzuerhalten. „Da ist jetzt alles im Schwanken“, weiß Felix. Jetzt bedeutet: Die heutige Generation entscheidet darüber, „ob es nach hinten losgeht, erst die Sprache zum Beispiel ausstirbt, dann immer mehr“.
Nichts außer einem Basketballkorb…
Ist es hoffnungslos, frage ich? Jedenfalls ein Ort, „wo ganz schreckliche Sachen passieren“. Felix erzählt, wie in seiner 1. Woche vier Leute seines Alters gestorben sind und ein dreimonatiges Baby hinterlassen haben.
„Einfach bei einer Autofahrt von der Straße abgekommen.“ Und er beschreibt das Gefühl, wenn da außer einem Basketballkorb nichts ist, absolut gar nichts. Man eine Stunde bis zum nächsten Supermarkt fährt. Und die Regierung zwar Land verteilt, aber dieses im Nirgendwo ist. Ohne Wasser, kein Strom. „Was willste damit machen?“
Gleichzeitig drückt seine Foto Geschcihte viel Stolz aus. Erhabenheit, trotz Schicksal. Der Blick der Frau mit ihren langen Zöpfen – mir ist er lange nicht aus dem Kopf gegangen. Oder das Kind auf dem Fahrersitz: Ist es überhaupt noch ein Kind?
Felix ist fasziniert davon, wie sie für ihre Kultur kämpfen. Dass sie nicht untergeht. Auch das zeigen die Bilder: Den Zwiespalt. Zwischen Hoffnung und Resignation. Eine Foto Geschichte, die nahegeht.
Den eigenen Abdruck in das Absurde der Existenz schreiben
Versunken stehen viele bei der Vernissage vor den Präsentationen. Auch die Arbeiten seiner Kumpels bedrücken bei aller Klarheit. „Like wet cement“ heißt beispielsweise die Arbeit von Jann Höfer, der in Chile die ‚Colonia Dignidad’ fotografiert hat. Man kommt ins Nachdenken. Sehr sogar. Genau das, was Dirk, eben der Prof., von guten Fotos erwartet:
„Das ist das Schöne an Fotografie – man muss einen eigenen Abdruck in das Absurde der Existenz schreiben. Und Fotografen tun das mit viel Enthusiasmus, Empathie und dem Willen, auch mal zu scheitern.“
Felix, der Foto-Journalist, hat davon ganz viel. Ich habe ihn als neugierigen Menschen kennengelernt, der verbindlich ist, sich aber nicht aufdrängt:
Ohfamoose Eigenschaften, wie ich finde, um hoffentlich noch viel von ihm zu sehen zu bekommen.
Noch mehr ohfamoose Fotos von Felix von der Osten:
Hier könnt Ihr die Felix’ dokumentarische Entdeckungsreise durch ein Gebiet, das sich auf über 2.626.415 Quadratkilometer erstreckt, anschauen.
Und so stellt das australische Darwin-Magazine die Geschichte dar.
Fotos: Felix von der Osten