Shoppen mit Sinn oder: „Lanna, wie schaffst Du das?“
Manchmal passt es eben. Da sieht man einen bislang fremden Menschen und es klickt. Nee, ich meine nicht verlieben, andere Kiste. Ich meine, man versteht sich ‚einfach’. Das fühle ich, als ich mit Daniel Bicking spreche – zufällig ausgesucht aus dem Team des Sozialunternehmens Gyalpa. Weil er bei mir in Düsseldorf ‚umme Ecke’ wohnt. Nach dem Interview verabschieden wir uns, als würden wir uns schon lange kennen. Zwei Stunden, die mir sehr nachgehen. Fotographisch dokumentiert von Tanja, die ich auch erst kürzlich kennenlernte und deren Arbeit mich ebenfalls im Bann hält.
Daniel betritt das ‚Cafe de Bretagne’, strahlt schon von weitem. „Bist Du immer so gut drauf“, frage ich ihn später und er nickt:
„Bin Rheinländer.“ Verstehe, ich komme ja selbst „von umme Ecke“. Aber das allein ist es nicht. In Daniel, merke ich, brennt noch etwas anderes. Und das ist ansteckend.
Ein guter Teil von Daniels Herzblut fließt in die Gyalpa Shop UG. Ein soziales Handelsunternehmen, das Produkte direkt vom Produzenten vertreibt. Das wunderschöne Handwerk meist syrischer Frauen lässt sich zu Kriegszeiten nicht selbst verkaufen. Zu gefährlich. Deshalb machen das Daniel – und Lanna, seine beste Freundin und Lehrerin, wie er mir später im Interview verrät. Sie arbeiten ohne Zwischenhändler und verkaufen direkt an deutsche Kunden; ohne Renditeabsicht und ehrenamtlich neben ihren eigentlichen Berater- und Bankerjobs.
Eine blonde Bankerin, die Gutes tut
Lanna Idriss, die blonde Bankerin, ist beim Termin in Düsseldorf nicht dabei. Wo die Gyalpa-Gallionsfigur gerade herum schwirrt, ist auch egal. Ihr Geist ist mit am Tisch. Ob Handelsblatt oder Brigitte – Lanna ist drin. Denn das lieben die Medien: Eine Frankfurter Finanzfrau, die nicht nur gut aussieht, sondern auch noch Gutes tut. Neben ihrem sicher nicht langweiligen Job als Leiterin des Bereichs Operations der BHF Bank in Frankfurt am Main. Lanna hat einen syrischen Vater und zwei Adoptivkinder aus Haiti.
Als Daniel Lanna im April 2013 zum 1. Mal trifft, ist ihm schnell klar:
„Cool, wir machen was zusammen!“ Damals war er noch Berater bei Consileon. „Beim Thema ‚Talentspende’ habe ich die Hand gehoben.“
Daniel dachte: Jetzt engagiere ich mich mal für ein halbes Jahr sozial. Dass er bald mit Lanna im Sprinter sitzen und Spielzeug und Schlafsäcke ins türkische Rehanli bringen würde, war ihm nicht bewusst.
Die Geschichten, die er mir über zig Abenteuer auf ihren diversen Reisen erzählt, schreibe ich hier nicht auf. Sie würden einen eigenen Blog füllen. Was hängen bleibt, ist: Dieser junge Mann hat eine Kraft, die auf extrem angenehme Weise rüber kommt. Ob er über die Werkstatt in Berlin spricht, wo man die sozialen Produkte auch direkt kaufen kann oder darüber, wie nahe es ihm geht, mit syrischen Kindern Fußball zu spielen.
Interview mit Daniel Bicking über Gyalpa
Bald wird er mit Lanna auch nach Beirut fliegen, wonach ich ihn im als Erstes frage…
Ihr plant Eure nächste Reise nach Beirut, warum?
Ich habe die Gyalpa Shop UG vor zweieinhalb Jahren mit aufgebaut. Nun möchte ich die Leute auch vor Ort kennenlernen. Wenn ich weiß, wer die Produkte herstellt und ich detaillierte Bilder habe, kann ich unsere Geschichte noch besser ‚transportieren’.
Was ist komplett anders an diesem Job?
Als ich begonnen habe mit Lanna zu arbeiten, dachte ich: Nach einem halben Jahr ist Schluss. Ich liebe ja Projekte. Aber dann war in diesem so viel Herzblut, dass ich da total drin aufgehe. Weil ich was Gutes tun, etwas richtig bewegen kann. Jedem, der z.B. einen Euro spendet, kann ich zusichern: Er kommt genau dort an, wo er ankommen soll. Mich freut das ‚einfach’: neben meiner sonstigen Arbeit Leuten aktiv zu helfen.
Und das macht Ihr komplett ehrenamtlich?
Voll, ja.
Gibt es ein Erlebnis bei allen Ereignissen, das Dich so ‚richtig’ berührt hat
Als ich das 2. Mal in Rehanli war, gab es dort jedes Wochenende ein Fußballturnier. Da sind syrische Flüchtlingskinder hingekommen. Man konnte sehen, wer vor der Flucht noch Zeit hatte, ein paar Sachen zu packen, wer nicht. Manche spielten in Sportklamotten, andere halt barfuß. Wir haben einfach gekickt. Und diese Freude in den Gesichtern der Kinder zu sehen – das ist gewaltig. Und wenn man dann noch weiß, das wird finanziert durch die Spenden, die wir in Frankfurt gesammelt haben… das berührt!
Bist Du mit den Kindern richtig in Berührung gekommen?
Ja, manche konnten ein bisschen englisch, wir haben gespielt und geredet und besonders spannend war: Lanna hatte ihre beiden Kinder, die ja schwarze Haut haben, dabei.
Du meinst ihre Adoptivkinder aus Haiti?
Genau. Das kennt man da in dieser Region so nicht. Deshalb staunten die Türken nicht schlecht, wenn sie auf eine große blonde Dame mit zwei schwarzen Kindern trafen. Das waren sehr interessante Begegnungen.
Wo Integration vermutlich sofort klappt?
Ja, genau, gerade durch Sport ist das alles kein Problem.
Euer Slogan heißt: Shoppen mit Sinn. Jetzt mischt Ihr auch in der Flüchtlingsdebatte mit. Zum Beispiel durch Eure Berliner Werkstatt, wo Ihr versucht, Menschen konkret in Arbeit zu bringen…
Arbeit ist die beste Integration, davon sind wir überzeugt; und damit haben wir in Moabit angefangen, ja. Flüchtlinge verstehen durch das Zusammenarbeiten, wie wir Deutsche so ticken, können uns besser verstehen. Die Idee ist, das in andere Städte ggf. auszuweiten.
Wo kann ich Gyalpa außerhalb Berlins kaufen, gibt es Web-Shops?
Ja, wir machen das über DaWanda, acocado, bauen aber auch einen eigenen Webshop auf. Gepackt wird das von der Lanna persönlich. Liefertag ist nicht same day, so professionell sind wir noch nicht, aber Ihr bestellt, wir schicken schnellstmöglich.
Was bedeutet Lanna für Dich in 3 Worten?
Sie ist eine Lehrerin für mich. Ich lerne so viel von ihr, weil sie super professionell ist. Gyalpa ist ja ‚nur’ ihr Nebenjob. Sie ist eine Powerfrau – oft frage ich sie: ‚Lanna, wie schaffst Du das nur?’ Sie hat zwei Kinder, pendelt zwischen ihren zwei Wohnungen – in ihrer Frankfurt Wohnung leben drei Syrer und in ihrer Berliner Wohnung wohnen zwei Syrer.
Und drittens?
Woh, gute Frage, … sie ist, ja, … einfach meine beste Freundin. So eine ehrliche Frau, mit der man gerne Zeit verbringt.
Ohfamoos, der Daniel, oder?
Wenn Ihr die Gyalpa Produkte in Berlin kaufen wollt: „Schönes aus Syrien“, Gleimstrasse 37 (Prenzlauer Berg), 10437 Berlin.
Übrigens: Das Interview mit Daniel fand im Düsseldorfer Bistro dieses Mannes statt!
Fotos: Gylapa und Tanja Deuss