Der Geist von Christchurch
Es gibt sie also doch, „Kraftorte“, auch für Nicht-Esoteriker! Und wer kennt sie nicht, diese emotionalen Tiefschläge, die meistens ganz unverhofft kommen. Was diese mit einem Urlaub in Neuseeland und Christchurch zu tun haben, darüber berichtet Gastautor Dieter Fuchs.
Meine Frau und ich waren gerade wochenlang mit einem Wohnmobil durch Neuseeland gereist, berauscht von den fantastischen, ständig wechselnden Eindrücken und Erlebnissen in dieser in vieler Hinsicht so ganz anderen Welt. Urlaubsfeeling pur, glückliche Tage ohne bedrückende Gedanken, losgelöst vom Alltag daheim. Wie immer auf solchen Reisen waren wir offline, pflegten „digital de-tox“, was wirklich sehr gut tut. Dann, aus einer Ahnung heraus, ging ich doch einmal ins Netz und rief unsere E-Mails auf.
Und plötzlich war ein Freund weg
Der Schock saß tief. Ein guter Freund war wenige Tage vorher, während wir fröhlich den Urlaub genossen, verstorben und seine Frau teilte uns dies mit. Kurz vor unserer Abreise saßen wir noch zu viert bei Wein und einem fröhlichen Abendessen unter Freunden zusammen. Nun würden wir ihn nie wieder sehen.
Unsere Stimmung war ab diesem Tag nicht mehr dieselbe, auch wenn die grandiose Natur um uns herum und die entspannte „easy going“ Mentalität der Neuseeländer sich alle Mühe gaben, unsere Heiterkeit zurückkehren zu lassen.
Dann kamen wir nach Christchurch. Und der Geist dieser Stadt fegte innerhalb weniger Stunden alle Schwere dahin, ließ uns die Trauer verarbeiten und erfüllte uns mit einer positiven Energie, die dort sofort jeden erfasst und die voller Optimismus und Aufbruchsstimmung alles einen selbst Belastende kleiner werden lässt.
Nur wenige Sekunden hatte 2011 die Erde dort gebebt und die gesamte Innenstadt sowie weite Bereiche der Vorstädte in ein Trümmerfeld verwandelt. Tausende Verletzte und fast zweihundert Tote. Auch jetzt noch, sechs Jahre danach, tauchen zahllose zerstörte Häuserreste und Brachstellen in der einst dichten Stadtbebauung auf. Überall entstehen gerade Neubauten, sprießen aus der zernarbten, traurig stimmenden Kulisse auf wie Krokusse aus letzten Schneeresten im Frühjahr. Als wir vor der zerstörten historischen Kathedrale standen, an deren Fassade auch jetzt noch die zerrütteten Ruinen durch riesige Stahlgerüste nur notdürftig gesichert sind, verstärkte sich unsere Trauer zunächst, denn man spürte zutiefst das Leid und die Verzweiflung, welche die Bevölkerung hier durchlebt haben musste.
Dann verstanden wir und unsere Trauer wich
Doch nach den ersten Gesprächen mit Einheimischen, nach mehreren Runden auf der historischen Stadtrundfahrt in einer alten Tram und aufgrund der mitreißenden Erklärungen verschiedener Stadtführer, verstanden wir. Und unsere Trauer wich einer seltsamen Begeisterung. Eine solche Aufbruchsstimmung, eine solche Energie und Fröhlichkeit, mit der die Menschen hier ihre Stadt gerade „neu erstehen ließen“, das war ansteckend. Und es sind nicht nur die Christchurchies selbst, die jeden halbwegs Sensiblen diesen besonderen, ganz nach vorne gewandten Pioniergeist spüren lassen.
Es sind auch zahllose Neubürger aus dem ganzen Land, ja aus der ganzen Welt, die herkamen und nun diese Aura prägen und vermitteln. Die mit anpacken und beitragen, dass aus den Trümmern etwas Neues, vielleicht noch Besseres erwächst.
Wir haben diesen Ort lieben gelernt, trotz der Trauer, die in ihm immer mitschwingen wird. Und wir sind glücklich, dass wir dies erleben durften. Es gibt sie also wirklich, solche Kraftorte. Ohne alte Überlieferungen oder die Mythologie bemühen zu müssen.
Wer immer die Möglichkeit hat, Christchurch einmal zu besuchen: Er wird es auch empfinden und wir wünschen jedem, dass er von dort ein wenig dieser magischen Energie in seinen Alltag zuhause mit nimmt.
Und wir von ohfamoos danken Gastautor Dieter für diesen wunderbaren, ganz ohfamoosen Beitrag, der zu unserem Ansatz super passt: Es gibt immer etwas, was auch in einem negativen Aspekt positiv durch scheint, ja ist.
Hier Melanies Erfahrungen mit Neuseeland!
Fotos: privat und pixabay
Je älter man wird, desto mehr bekommen Aussagen, die durch die Grosseltern bzw. Eltern getroffen wurden…immer mehr Bedeutung. Z. B…’Freud‘ und Leid‘ liegt nah beieinander!
Vielen Dank, Dieter, für diesen wunderbaren, berührenden Artikel. Beim Lesen bekam ich Gänsehaut und konnte mich so gut einfühlen in den Schock und die Trauer, die Ihr erlebt habt, nach der Nachricht vom Tod Eures Freundes. Und dann konnte ich die Zuversicht ahnen, die Ihr in Christchurch gefunden habt. Danke, dass Du mir, dass Du uns auf diese Weise etwas mitgebracht hast von dem Aufbruch, von der Energie dieses Ortes. So kann auch ich ein kleines bisschen davon in meinen Alltag einbringen.
Danke.