Béa: Beste Anstifterin zur Heiterkeit
Sätze wie „Fuck the rules“, „Ich höre oft nicht zu, weil ich 15.000 Ideen im Kopf habe“ und „Traditionen sind Fußfesseln mit guten Werten“ haut sie heiter raus. Béa Beste, 48 und gebürtige Rumänin, ist eine der prominentesten Eltern-Bloggerinnen in Deutschland. Der quirlig-taffe Kaffee-Freak kann dir den Atem rauben. Ein konsequenter Freigeist mit Gestaltungsdrang. Für mehr Heiterkeit beim Lernen, modernes Work-Life-Design und mehr Demokratiebewusstsein.
Kein Geheimnis, dass die frühere Unternehmensberaterin 2012 vielversprechend Tollabox gründete und 2015 gehörig „auf die Schnauze fiel“, wie sie es selbst formuliert. Und dass sie ihre Erfahrungen in einem Kinderbuch verarbeitete. Das Netz ist voller Geschichten über ihre Geschichte. Mich interessiert: Wie ist die Frau mit dem nachdenklichen Lächeln? Die tatkräftige Visionärin und kunterbunte Vorreiterin?
Aus geplanten 30 wurden über 90 Minuten mit Béa am Telefon. Ein quirliger Austausch, prall gefüllt und herrlich freundlich. Wahnsinnig schnell im Denken und sprechen ist sie. Dabei wohl überlegt, pointiert, abwägend, gerne führend. Kritisch und wohlwollend mit sich und Anderen. Ich sprach mit ihr über das Lernen, Work-Live-Design und die ihr jüngstes Augenmerk: Demokratie.
Wonach Bea der Sinn steht.
„What do you care for?“ – eine Frage, die sie mag. Weil sie den Kern träfe. Bea bringt es unprätentiös auf den Punkt: Heiterkeit in Lernprozessen, sprich mehr Raum für Liebe und Spaß beim Lernen. „Das deutsche Schulsystem hat ein riesiges Manko; so einen Defizitblick“ bemängelt sie. Lernen könne nicht leicht geschehen, trage eine schwere Last:
„Die Hälfte unseres Lebens macht Lernen und Arbeiten aus. Diese Hälfte sollte doch wohl heiter und leicht sein dürften!“
Das habe nichts mit mangelnder Ernsthaftigkeit an der Sache zu tun. Unermüdlich setzt sie sich für ein Lernen ein, das unser vertrautes Verständnis von Schule gehörig aufrüttelt. Als Mitgründerin der Phorms Schulen sehr konkret und erfolgreich. Als ehemalige Start-up-Unternehmerin von Tollabox ambitioniert. Und als Bloggerin auf Tollabea mit großer Anerkennung ihrer über 100.000 LeserInnen.
Wie sie Digitalisierung erlebt.
Béa steht auf Freiheit und individuelles Work-Life-Design. Auf den Zug der Digitalisierung springt sie als Technik-Freak mit ihrem Eltern-Blog sehr früh auf. Ortsunabhängiges Arbeiten, zumindest in den grau-kalten Wintermonaten, steht hoch im Kurs im Hause Beste: „Mein Mann und ich kennen dieses Satelliten-Dasein aus alten Unternehmensberater-Zeiten – wohl wissend, dass extrem wandelbare Strukturen Chancen und Risiken mit sich bringen.“
Béas Gemüt ist geprägt von Unbekümmertheit. Das mag sie sehr an sich selbst. Digitalisierung? Chancen, sagt Bea. Vermischten sich Kulturen, erhalte Vielfalt einen echten Wert. „Wenn eine gemeinsame Basis besteht, können Menschen aus unterschiedlichen Kulturen so viel voneinander lernen. Sie verstehen einander besser; das führt zu Entspannung und Heiterkeit.“ Da ist es wieder: Heiterkeit. „Außerdem“, so Béa, „ ermöglichen digitale Strukturen eine höchst individuelle, persönliche Lebensform. Und einen individuellen Rahmen, in dem jeder sein Bestes zu entwickeln vermag.
Besonders spannend finde ich ihre Haltung in puncto Demokratie: Lernen sollten wir sie! Schon als Kinder Demokratie als Modell wertschätzen lernen. Sie kennen es ja nicht anders.
In Zeiten von zutiefst beunruhigenden Entwicklungen um Erdogan, Putin und Trump bekommt unsere vorherrschende Demokratie eine neue Dimension.
„Wie können wir lernen, vom ‚die` zum ‚wir‘ zu kommen? Bekommen Kids das mit, was in Russland, der Türkei und Amerika passiert?“ Ihr steht der Sinn danach sich dafür einzusetzen, dass es Lösungen und Antworten gibt.
Was sie so zünden lässt.
Eine, die sich eher als „Juhu-Mensch“ bezeichnet, die sagt „Sorgen sind Verschwendung der Phantasie“, die nach dem Scheitern blitzschnell wieder aufsteht und es im nächsten Projekt verarbeitet – puh, wo nimmt sie ihren Treibstoff her?
Béa ist das Kind eines Grenzgängers. Ihr Vater, der hätte ihr Großvater sein können; lebte mit multikulturellem Hintergrund zwischen den Welten. Schuf mit seinem Wirken als Kunsthistoriker etwas von bleibendem Wert. Und stärkte seine Tochter.
Als sie sich mit 15, nach dem Tod beider Elternteile, alleine auf dem Weg zu deutschen Verwandten machte, stellte sie fortan das Vertrauen in ihre Selbstwirksamkeit unter Beweis. Dieses Empfinden einer großen, inneren Freiheit lässt sie Bestehendes hinterfragen, scheinbar Unmögliches initiieren, zuversichtlich unbekanntes Terrain beschreiten.
Und wen es ständig zu Neuen hinzieht, entwickelt eine außergewöhnlich hohe Lernbereitschaft.
Wie sie an Dinge herangeht.
Wer sich an etwas Neues herantasten will, braucht eine Vorstellung oder einen Plan über das „Wie“. Béa Beste guckt sich bei den Besten um. Sie hat z. B. die besten Schulen der Welt besucht und sich ihrer glühenden Neugierde hingegeben. Ohne Scham Fragen gestellt. Sie ist gut darin, die richtigen Sparringspartner zu finden. „Sie müssen komplementär zu mir sein. Also Dinge können, die ich nicht kann. Und das sehr gut!“
Was zeichnet sie noch aus? Béa Beste ist eine, die voranschreitet und gerne anführt. Nicht im Sinne von bossy sein, doch sie hat klare Vorstellungen, eine Vision – und sie vermag es, andere mitzunehmen. Und die einzubeziehen. Also deren Kompetenzen anzuerkennen und für eine gemeinsame Sache zu mobilisieren.
Frei, mutig und offen lautet der Dreiklang ihrer Herangehensweise. Das klingt recht „banal“, ist aber das Ergebnis ihrer Geschichte. Konsequenterweise ist das bei ihr so: Wer bei ihr zum Abendessen eingeladen wird, sollte nicht auf einen gedeckten Tisch hoffen. In Béas offener Küche kann jeder mitmachen, vielleicht wird improvisiert. Wenn es zur Vorstellung der Köchin passt.
Wer sie herausfordert.
Béa ist klug. Bei aller Selbstbestimmtheit kann sie sich besser entfalten, wenn sie ein gutes Team um sich herum hat. Außerdem ist sie ein Herzensmensch! Jedenfalls scharrt sie gerne die um sich, die ihr keinen Honig um den Mund wischen, die ihr auch mal den Spiegel vor die Nase halten.
Ihr Mann sagt über sie: „Béa ist meine tägliche Happy-Pill. Mit ihrer Kreativität, ihrem morgendlichen ‚Huhu, Tag!‘ versüßt sie auch mir den Tag. Béa als Überdosis kann allerdings auch mal nervig sein. Aber, hey, dafür ist sie auch noch sexy!“ Und ihre Tochter: „Extrem Mut machend und energievoll ist Béa! Sie ist friedfertig, das mag manche überraschen. Sie beeindruckt mich, weil sie scheinbar immer eine Lösung findet. Das ist manchmal fast nervig. Ich meine, wer kann das in echt?!“
Von Ihren Blog-LeserInnen lässt sie sich herausfordern. Sie sind anspruchsvoll und geben sich nicht mit banalen Geschichten aus dem Alltag der Schreiberin zufrieden. Sie wollen einen echten Nutzen aus ihren Beiträgen ziehen. Sie mag das; so muss sie wach bleiben und stets weiter lernen. Und es passt in ihr Selbstbild – mit einer Vision voranzuschreiten, aber inmitten einer aktiven Menge. Statt alleine vorneweg.
Was sie besonders macht.
Ich habe eine beeindruckende Frau kennengelernt. Sie hat Beachtliches auf die Beine gestellt. Ist hingefallen und wieder aufgestanden. Hat eine klassische, respektable Karriere hingelegt (übrigens damals alleinerziehend). Ist mit ihrem aktuellen Tun am Zahn der Zeit und spinnt konkrete Ideen, die dieser Zeit voraus sind. Hut ab also!
Und: Ich habe sie zu 100% authentisch erlebt. Mein Bild von ihr bestätigte sich im Gespräch. Das ist heutzutage, die Bites und Bytes sind geduldig, nicht selbstverständlich!
Béa Beste ist eine Anstifterin für glückliches Lernen, Leben und Arbeiten. „Lebenskunst beginnt da, wo wir Dinge umsetzen“, meint sie. „Ich puzzle mein Leben zusammen, möchte Dinge schön machen und etwas Bleibendes schaffen, damit wir uns in unserer Persönlichkeit bestmöglich und frei entwickeln können“, erzählt sie mir noch – und lacht wieder ihr heiteres Lachen.
Fotos: privat