Tansania: Als Hebamme inmitten einer großen Familie
Cornelia Block arbeitete mehrere Monate als Hebamme in Tansania. Im Februar 2017 packte sie gemeinsam mit ihrer 6 Jahre jüngeren Schwester die Koffer. Das Ziel der beiden jungen Frauen: Iringa, eine Stadt in der Mitte Tansanias in Ostafrika. Dort arbeiteten sie als volunteers, auf eigene Kosten also. Lange haben sie dafür gespart. Elke konnte mit Cornelia via Whats App ein Interview führen – sie kennt die Mutter der beiden und wurde so auf die außergewöhnliche Reise aufmerksam. (Nachtrag 2024: Conny hat mittlerweile eine Hilfsorganisation, den gemeinnützigen Verein „Midwives 4 Tanzania e.V.“, gegründet.)
Was hat sich Dir sofort eingeprägt vor Ort?
Cornelia Block: Die Menschen leben hier zusammen wie eine große Familie. Man spricht auf der Straße oder im Restaurant mit Fremden, lacht zusammen oder nimmt ein fremdes Kind im Dala Dala (Kleinbus) auf den Schoß. Es ist die extrem offene und freundliche Art der Tansanier, die ich hier jeden neuen Tag genießen darf. Und besonders bewundere ich die Frauen hier in Iringa.
Was unterscheidet die Frauen dort von uns?
Nehmen wir nur die Situation Geburt: Nie zuvor habe ich solch eine Stärke und Ausdauer gesehen wie hier.
Es gibt keinerlei Schmerzmittel oder Unterstützung unter Geburt. Die Frauen liegen die ganze Zeit, bis zur Geburt des Kindes, allein im kalten, ungemütlichen Kreißsaal.
Es ist nicht üblich, dass sie vom Ehemann oder der Mutter/Schwiegermutter begleitet werden. Alle vier Stunden kommt eine Hebamme in den Kreißsaal und kontrolliert den Geburtsfortschritt.
Und dazwischen sind die Gebärenden allein?
Ja, und zwar völlig allein auf sich gestellt. Und die Hebammen gehen, verglichen mit unseren Standards, recht grob mit den Frauen um. Teilweise werden Geburtsverletzungen genäht, ohne betäubt zu werden. Doch das Erstaunliche ist, dass die Frauen trotz dessen kaum weinen, schreien oder jammern. Sie sind nicht fordernd und ertragen alles mit Fassung.
Und nach der Geburt?
Stehen sie recht schnell auf, versorgen ihre Kinder und waschen ihre Geburtstücher.
Wohin „geht“ denn die ganze Anstrengung?
Das frage ich mich auch… aber sie wirken nach der Geburt überglücklich und dankbar. Du musst wissen: Für Tansanier ist die Gesundheit eines der wichtigsten Güter. Sie sind glücklich und zufrieden, solange die Familie wohlauf ist und es keine Geldprobleme gibt. Leider kommt es sich recht schnell dazu, da sich viele durch große Feste, wie Hochzeiten oder Beerdigungen, verschulden. Beerdigungen werden hier sehr groß gefeiert und nur Frauen dürfen neben dem Grab weinen.
Trauern die Menschen in Tansania anders als bei uns?
Ja. Ich musste leider bereits des Öfteren erleben, dass Neugeborene vor, während oder nach der Geburt verstarben. Schon für mich als Hebamme eine mehr als schwierige Situation…
Wie gehen die Frauen damit um?
Eine Frau, die ihr Kind nach der Geburt verlor, lächelte mich an und sagte zu mir: „Du musst nicht weinen. Es war Gottes Wille und es gibt für alles einen Grund. Gott wird mir beistehen und mir helfen.“ Die Menschen sehen, ja fühlen das genau so.
Und Du?
Mir fällt es schwer, das zu verstehen. Wie kann jemand so stark nach einer solchen Situation sein? Aber die Tansanier gehen mit Problemen insgesamt ganz anders um als wir. Die Menschen sind deutlich optimistischer und entspannter. Wenn etwas nicht klappt, klappt es vielleicht morgen. Oder übermorgen.
Wünschst Du Dir diese Art zu leben auch bei uns in Deutschland?
Ja, alles ist hier so viel entspannter und mit so viel Lebensfreude erfüllt. Dabei leben die Tansanier mit viel weniger als wir. Es gibt kaum Technik, keine Waschmaschinen, keinen Herd oder Ofen, keine Staubsauger etc.
Vielleicht ist es ja genau das, was das Leben hier so lebenswert macht. Die Familie steht immer im Vordergrund. Wofür braucht man Luxus?
Sag Du es mir, unseren Lesern, bitte….
Sicherlich nicht um glücklich zu sein, das ist klar. Wenn man einmal hier gelebt hat, weiß man, wovon ich spreche.
Wie fühlst Du Dich nach kurzer Zeit in Deinem neuen, temporären Zuhause?
Ich bin hier ‚Ausländerin‘, klar, aber ich fühle mich, seitdem wir hier angekommen sind, auf eine Art zuhause. Die Hebammen im Frelimo Hospital sind mir inzwischen sehr ans Herz gewachsen. Nie zuvor habe ich ein so harmonisches Team im Kreißsaal erlebt. Auch wenn wir so verschieden aufgewachsen sind und andere Lebensweisen kennen, haben wir so viele Gemeinsamkeiten.Weil?
Weil wir Frauen sind, egal wie wir aussehen, wo wir geboren wurden, wie wir aufgewachsen sind. Wir wollen alle etwas im Leben erreichen. Wir sind alle Frauen, die Musik und schöne Kleidung lieben und die an Familienplanung denken oder schon damit begonnen haben. Auf eine Art sind wir doch alle gleich!
Danke, liebe Cornelia, für diese so emotionalen Bekenntnisse!
Das Fotoalbum „Connys Reise“ könnt Ihr Euch hier anschauen. Einfach ohfamoos, wie Cornelia und ihre Schwester dort wirken!
Wie ohfamoos: Mittlerweile ist Cornelia mit einem Afrikaner verheiratet und die beiden haben ein Kind.
Fotos: Cornelia Block