Mit Freunden gründen? So bist Du erfolgreich!
Wenn man etwas erreichen will, muss man sich mit Freunden umgeben! Gern auch mit Freunden gründen. So die Auffassung des Start-Up-Unternehmers Martin Reents. Er schätzt große Gründerteams, ist immer erreichbar und weiß, welches Image ihn (auch) begleitet: das des prüden preußischen Protestanten. Deshalb ist er auch in der Kirche aktiv, aber mit Kino! Heute beschreibt Elke ihren ehemaligen Münchner Kollegen, der nur noch mit Freunden arbeitet.
Ende der 90er Jahre war für Martin Reents klar: Er will ein Internet-Unternehmen mit Freunden gründen. Nach seinem Sabbatical 1999 war es für den gebürtigen Ostfriesen jetzt endlich soweit: „Ich hatte jede Menge Ideen, was man mit dem Internet machen könnte. Aber irgendwie war eine Idee so gut oder schlecht wie die andere“, erinnert sich der heute 52jährige. Anfang 2000 wurde es konkret.
Zwölf Freunde, ein Team
Herausforderung Nr. 1: Er und Dr. Gernot A. Overbeck, die conject am 3. Januar 2000 gründeten, wollten weitere zehn Freunde als Mitgründer finden. So waren es am Ende genau zwölf – neun Männer und drei Frauen, eine davon ich.
Herausforderung Nr. 2: Freunde dann auch zu führen. Und ein Dutzend Gründer sind viel. Wie oft Martin darauf angesprochen wurde, hat er nicht gezählt. Der ungewöhnliche organisatorische Start ist aber bei allen hängen geblieben. „Und einmal so gestartet“, sagt er, „hatten wir die Freiheit, auch weiter mit unserer Organisation zu experimentieren“. Wer Martin kennt, weiß: Selbst wenn nicht alle experimentieren wollten, so hat er sie doch dazu gekriegt. Nur wie? Einer der wichtigsten Organisationsansätze war:
Führe mit Freunden!
Martin ist sicher: „Die zwölf haben einen nachhaltigen Einfluss auf die Führungsstruktur gehabt.“ Hatten sie doch in den folgenden Jahren eine vollkommen andere Einstellung zum Unternehmen als fast alle anderen Mitarbeiter, die später hinzu kamen.
Dabei habe die sehr starke Organisation extrem geholfen, sagt Martin. So hielt das Führungsteam auch in schwierigsten Zeiten zusammen. Nach zehn Jahren waren immer noch zehn Gründer an Bord! Mit langem Atem. „Und das nur“, ist Martin überzeugt, „weil wir und dann auch das erweiterte Management uns mehr als Freunde denn als Kollegen begriffen haben.“ So entstand Martins Überzeugung, die bis heute geblieben ist:
Wenn man etwas erreichen will, dann muss man sich mit Freunden umgeben!
Ob Martin wirklich ein „prüder, preußischer Protestant“ ist, wer weiß das schon. Sicher aber ist: Der preußisch-protestantischen Arbeitsethik, die er zumindest sehr gut beherrscht, widerspricht es grundlegend, Kollegen mit Freunden zu verwechseln und Arbeit als Spiel zu betrachten.
Mit Freunden gründen – also „klüngeln“?
Zunächst zum „Klüngelverdacht“. Nein, die conject Kollegen waren nicht alle schon vorher befreundet. Ich zum Beispiel kannte von den Zwölfen nur zwei! Und deshalb hat es Martin erst einmal einige Kilogramm gekostet – aber nicht nach unten, sondern nach oben. „Ich habe diese Gründer zunächst finden müssen“, erinnert er sich. Was nicht einfach war – die meisten der Angesprochenen steckten in Arbeitsverträgen, waren also nicht frei verfügbar. In den ersten vier Monaten ist Martin täglich mehrmals warm essen gegangen, denn mit jedem potenziellen Mitgründer steckte er den Kopf bei einem Lunch oder Abendessen zusammen; wenn nötig gab’s auch nachmittags was zu futtern.
„Beim Essen haben wir dann versucht herauszufinden ob wir zueinander passen und ähnliche Vorstellungen von einer Unternehmensgründung haben.“
Mit einem guten Freund hat Martin begonnen. Dann wurden die jeweiligen Freundeskreise durchforstet und weitere Mitgründer gefunden. „Wir mussten weitere Bögen schlagen und auch deren Freundeskreise in unser Gründer-Recruiting mit einbeziehen, um auf zwölf geeignete Gründer zu kommen. Aber wir haben sie zusammenbekommen – und es hat sich gelohnt.“
Wenn die Arbeit ins Privatleben einzieht
Und dann? Wenn Kollegen zu Freunden werden, hält die Arbeit Einzug ins Privatleben. Auch ich erinnere mich gut – diese Vermischung kannte ich nicht aus der Konrad-Adenauer-Stiftung, von der ich nach München zu conject wechselte. Martin sagt klar:
Viele Menschen fürchten sich sogar vor einer Vermischung von Arbeit und Privatleben. Ich gehöre zur Generation der „Baby-Boomer“ und ich erinnere mich sehr gut mit einer zentralen Herausforderung großgeworden zu sein: Dem Balanceakt zwischen Beruf und Familie.
Leider gab es damals keine befriedigende Antwort auf dieses Problem. 2000 aber war zumindest für viele Start-Ups klar, auch für conject: Einen exakten Trennstrich zwischen Beruf und Privatleben zu ziehen, das war gar nicht nötig. Denn das Problemempfinden hatte sich längst verschoben. Die Generation X hatte sich arrangiert, dachte und lebte in kurzen Phasen mit unterschiedlichen Inhalten: Arbeiten, Elternzeit, reisen wieder arbeiten.
Die eigene Zeit sinnvoll einsetzen
Noch einmal zehn Jahre und eine Generation später veränderte sich die Einstellung erneut. Die Generation Y oder die Millennials/Digital Natives wollten Erwerbstätigkeit und Privatleben nicht mehr trennen, weil:
- Sie sind mit Technologie groß geworden: Während Babyboomer für ein wichtiges Thema telefonieren oder ein persönliches Meeting ansetzen, bevorzugen jüngere Kollegen „virtuelles Problemlösen“.
- Sie sind „Multi-Tasker“: Sie bearbeiten E-Mails während sie gleichzeitig mobil telefonieren und im Internet surfen.
- Sie sind IMMER erreichbar, wenn sie dafür auch „unter der Woche“ flexibel sind.
Eine gesamte Firma als Freundeskreis?
Dabei ist Freundschaft für die Generation Y einer der stärksten Motivatoren auch im Job, sagt Martin:
Wir verbringen die meiste Zeit unseres Lebens mit Arbeit und Kollegen – die Arbeit sollte also Spaß machen und die Kollegen sollten Freunde sein!
Martin hat damit Erfahrung, es selbst mehrfach gemacht: Firmen als Freundeskreise gemanagt. Das geht, sagt der dreifache Vater, und das hat „fundamentalen Einfluss auf die Art und Weise, wie diese Firma organisiert wird.“ Zu einem Angestellten sage man vielleicht noch: „Mach das mal, du wirst dafür bezahlt!“ Ein Freund verlange nach einer ganz anderen Ansprache. „Ich konnte das zu niemandem bei conject sagen“, erinnert sich Martin. „Ich brauchte ein vollkommen anderes Instrumentarium.“
Martin führt eine Firma so wie erfolgreiche Vereine oder Stiftungen mit ehrenamtlichen Helfern umgehen. So wie man eine Organisation aus ehrenamtlichen Mitarbeitern zusammen hält, die nicht bezahlt wird. Die Fehler verzeihen, ja, die aber als Freunde behandelt werden wollen.
Wie managt man Freunde?
Freunde, definiert Martin, „brauchen keine Aufbau- oder Ablauforganisation. Sie wollen Projekte, mit klar definierten Start- wie Endpunkten.“
Was aber mit Routinearbeiten? An eine Sekretärin abwälzen?
Bei dem Wort ‚Sekretärin’ verzieht Martin meist das Gesicht – da ist er sehr entschieden: „Die braucht man längst nicht mehr. Und auch wenn es ineffizient klingt, ich bleibe dabei: Jeder sollte seine Routine selbst bearbeiten. Denn die macht den wenigsten Spaß. Und da man nicht einfach weiter delegieren kann, müssen neue Lösungen gefunden werden, die in Automatisierung oder Outsourcing liegen.“
Bevor Martin Reents sein 1. Unternehmen gründete, hat er noch schnell geheiratet. Im Silicon Valley mit Technologie infiziert ging es 2000 in München los. Der gebürtige Ostfriese ist Vater dreier Jungs und lebt mit seiner Frau Andrea im bayerischen Miesbach. Martin studierte Mathematik und liebt seit jeher das spontane Reisen, gern durch afrikanische Wüsten oder den südamerikanischen Dschungel. Er probiert ‚einfach’ alles aus, was ihm sinnvoll erscheint.
Führen hat auch viel mit Kulturwandel zu tun!