Ernst braucht Humor
Humor hilft. Nicht nur gegen das Herbstgrau, beim Verlieben und der nächsten Erkältung. Auch beim Erreichen beruflicher und persönlicher Ziele, so Thomas Reinecke. Der, Auftrittscoach, Trainer, Schauspieler, nicht zuletzt Mannsbild, Kollege und Freund, nimmt’s mit dem Humor echt ernst. Cornelia Lütge hat ihn befragt.
Cornelia: Kann man Humor lernen oder ist es vielmehr eine Wesensart?!
Thomas: Klar, es gibt Menschen, denen scheint er in die Wiege gelegt. Dennoch mache ich die Erfahrung, dass Menschen es lernen können, humorvoll zu sein. Das hat oft mit dem Überwinden von Routinen und Glaubenssätzen zu tun, mit Werten und Rollen, wie wir sein wollen oder wie man denkt sein zu müssen.
Hast du ein Beispiel?
Ich hatte einen Arzt im Coaching, der sich sehr humorvoll zeigt. Ganz herrlich. Und er ging davon aus, dass er so im Job nicht sein könne, schließlich sei er Arzt.
Weil man als Arzt nicht humorvoll sein darf?
„Genau. Manchmal ist es die Vorstellung von Humor, die davon abhält humorvoll zu sein: „Ich kann doch in dieser angestrengten Situation nicht laut lachen…!“ Humor ist eine Haltung, die Vielschichtiges bewirken kann: vom Schmunzeln bis zum lautstarken emotionalen Lachanfall.“
Wer gibt schon gerne zu unlustig zu sein. Warum kommen Menschen zu dir?
Ganz ehrlich – Teams tut ein Vortrag und Tagestraining einfach gut. Das nennt sich dann z.B. Humor im Ernstfall oder Humor als Haltung. Die haben Jobs, da haben sie ansonsten einfach wenig zu lachen.
Zurück zu denen, die konkret Hilfe erwarten…
Ja, sie wollen beispielsweise eine glänzende Präsentation beim Kunden hinlegen. Oder als Keynotespeaker noch mehr brillieren, feinjustieren. Sie wollen alle ihren Auftritt stärken.
Auftritt ist ja, wenn ein Mensch durch einen Raum geht und ein zweiter dabei zuschaut. Da lauert dann schnell das Teufelchen und flüstert „Du bist nicht gut genug!“
Andere brauchen bessere Lösungen für Konfliktsituationen. Bestenfalls distanzieren sie sich vom Erleben in der scharfen Situation; die Reaktion ist dann weniger spontan und emotional, sondern eher besonnen, sachlicher. Authentisch auftreten ist zwar toll, aber nicht immer zielführend. Souveränität ist das Stichwort! In beiden Fällen.
Was hat das denn eigentlich mit Humor zu tun?
Mit Humor verbinden Viele ja eher Schlagfertigkeit, also eine schnelle Reaktion auf Augenhöhe, die zum Lachen bringt.
Lachen verbindet, stärkt Beziehung. Das wissen wir alle intuitiv.
Schlagfertigkeit braucht Mut, spontanen Impulsen zu folgen. Darauf kann man sich eben nicht wirklich vorbereiten, sehr wohl aber mit ein paar Kniffen lernen, spontan und humorig zu reagieren.
Erzähl doch mal ein Beispiel, wie du bei deiner Arbeit „das Lachen, die Leichtigkeit, das Humorige“ trainierst? Ich kann mir das schwer vorstellen…
Wir schauen uns berufliche Alltagssituationen sehr genau an. Und das, was anders werden soll. Ich zeige, wie Humor entsteht und wirkt, ich meine auf drei Wegen:
- Humor braucht immer eine Vorlage. Beispiel: Wir können nur über Männer- oder Frauenwitze lachen, wenn wir wissen, wie Männer oder Frauen manchmal sind. Um es einfach zu sagen: Männer sind technikaffin und trinken gern Bier, Frauen lieben Shopping und trinken gern Prosecco. Meistens. Das kann man humorvoll nutzen.
Das machen ja Kabarettisten auch.
Richtig. Deshalb auch mein 2. Punkt: Humor entsteht durch Statusverschiebungen. Beispiel: Laurel und Hardy. Die sind durch Klamotte und Typologie clownesk. Clowns sind sehr oft Figuren die einen tiefen Status haben. Daher wird es immer dann gut, wenn die zwei den Polizisten oder der Vermieter treffen. Polizist und Vermieter sind Hochstatusfiguren. Wenn nun der vermeintlich ‚Kleine’ gegen den vermeintlich _Großen’ aufbegehrt, obwohl alle wissen, dass dem ‚Kleinen’ dieses Verhalten eigentlich nicht zusteht, sorgt das für Lachen, entsteht Humor.
Und Dein 3. Kriterium?
Humor entsteht auch durch Spiegelungen und deren Vergrößerung, also Übertreibung.
Der Effekt ist unerwartet und zeigt sich als Überraschung.
Es geht ums Lachen – und ich muss erst verstehen und Theorie pauken?
Tatsächlich hilft es enorm, das Wesen des Humors zu erfassen. Dann nämlich kann sich jeder seinen eigenen Stil damit erobern. Den probieren wir im Anschluss aus – in Lifeparcours etwa. Spätestens dann geht es gar nicht anders und die Teilnehmer lachen.
Du meinst ja: Humor braucht Ernst. Klar, Humor kann scharfsinnig und sexy sein. Klamauk dagegen eher „disqualifizieren“. Meinst du das damit?
Nein, umgekehrt. Ich meine, Ernst braucht Humor. Das bedeutet, das Leben fordert viel, kommt ernst daher, braucht Seriösität. Das allein lässt Leben grau erscheinen. Humor ist die Farbe. Und Humor geht immer und wird immer gebraucht.
Auch wenn jemand stirbt?
Ja. Bei einer Trauerfeier zum Beispiel ist selbstverständlich ein respektvolles Auftreten gefragt. Und doch sind wohl die meisten froh, wenn beim Leichenschmaus auch wieder gelacht werden darf. Oder nehmen wir Patch Addams, den Arzt. Er ist in die Kinderkrebsabteilungen als Clown gegangen. Krebs ist eine todernste Angelegenheit. Der Umgang damit darf auch humorig sein; das kann sogar Leid lindern.
Bei Humor geht es nicht um das EINE oder das ANDERE. Es geht um SOWOHL ALS AUCH.
Worüber kannst du dich kaputt lachen? Und wann hattest du das letzte Mal Tränen in den Augen vor Lachen?
Ich mag Witze, Clowns und bestimmte Comedians, wie Hape Kerkeling, Loriot, Kurt Krömer und ich mag es, wenn ich von einer Situation überrascht werde. Erst vor kurzem kamen ein Mann und eine Frau ins Training und stellen sich mit Vor- und Nachnamen vor.
Mir war klar, dass es sich um ein Ehepaar handelte und ich fragte sie trotzdem: „Seit ihr verheiratet oder Geschwister?“ Antwort des Mannes: „Beides.“
Thomas, ich find’s ganz ohfamoos! Denn unser Gespräch zeigt mir wieder: Eine der großen Künste des Lebens lautet: Humor ist, wenn man trotzdem lachen kann. Schön, dass wir dich finden werden, wenn’s mal zu grau ist!
Thomas Reinecke, Auftrittscoach und souveräner Trainer, Schauspieler.
Text: Cornelia Lütge
Fotos: privat, unsplash
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