2020 in die Rakete? Schlimm, wenn keine Frau fliegt!
Weißt du noch? Im März lernte ich bei Airbus in Bremen die sechs Finalistinnen kennen, die sich um den Posten als Deutschlands erste Astronautin beworben hatten. Ich erzählte hier mächtig beeindruckt von den jungen Frauen, ihren Visionen, ihrer Zielstrebigkeit und ihrem Teambewusstsein in einer scharfen Konkurrenzsituation. Zwei haben das Rennen gemacht und bereiten sich auf ihren potentiellen, ersten Flug ins Orbit vor.
Wer sind die zwei Frauen, die sich gegen rund 400 Bewerberinnen in einem riesig anspruchsvollen Auswahlprozess durchgesetzt haben?
Sie haben Eltern, die inspirieren und motivieren
Nicola Baumann (32) aus Oberbayern fliegt als 16jährige zum ersten Mal alleine einen Drachen. Wohl inspiriert durch ihre Mutter, eine mehrfache Weltmeisterin im Fliegen von Hängegleitern – jenen motorlosen Drachen, bei denen sich der Pilot in einen Gurt unter die Tragfläche hängt. Noch bevor sie ihr Abitur in der Tasche hatte, bewarb sie sich als Pilotin in der zivilen Luftfahrt. Aber da sie 5 cm zu klein ist, versucht sie es mit Erfolg bei der Bundeswehr, wo sie 2004 bei der Luftwaffe anfängt. Nach ihrer Offiziersausbildung legt sie nebenher im Fernstudium ein Maschinenbaustudium mit Schwerpunkt Luft-und Raumfahrttechnik hin.
Sie ist eine von wenigen Kampfpilotinnen der Bundeswehr und eine der drei Frauen, die den Kampfjet Eurofighter fliegen dürfen.
Als Majorin ist Nicola in Nörvenvich bei Köln zuständig für die Luftraumüberwachung in Deutschland und anderen NATO-Nationen. Drei Jahre lang hat sie in den USA andere Militärpiloten ausgebildet.
Insa Thiele-Eich (34, links im Bild) wurde die Faszination Weltall wohl in die Wiege gelegt. Hier dürfte der Vater, der ESA-Astronauten Gerhard Thiele, für die Inspiration gesorgt haben. Als Meteorologin und wissenschaftliche Koordinatorin am Meteorologischen Institut der Universität Bonn betreibt sie Grundlagenforschung für eine verbesserte Wetter-und Klimavorhersage. Die Heidelbergerin promovierte über die Auswirkungen des Klimawandels auf Bangladesch.
Sie lebt mit ihrem Mann und ihren zwei Töchtern in Königswinter bei Bonn. Wenn es ihr Vollzeitjob und die Ausbildung zur Austronautin noch zulassen, mag sie klettern und laufen, fotografiert gerne und spielt Klavier.
Diese Frauen sprengen Grenzen im Kopf
Die beiden sind oft nach ihrer Motivation befragt worden. Natürlich – die Sehnsucht nach dem All und die Erde mal als Ganzes von oben zu sehen sind zwei der stärksten Antreiber. Doch sehen sie sich sehr engagiert als Vorbilder für Mädchen und junge Frauen. Damit veraltete Rollenbilder deren Lebenswege nicht länger beschränken, ihnen MINT-Berufe endlich selbstverständlich werden. Auch eint sie eine große Neugierde und Wissendurst über das, was hinter den Grenzen liegt. Und was unsere Leben verändern und verbessern kann.
Schaut euch doch die beiden hier selbst an:
Sie brauchen unsere Euronen
Die beiden Anwärterinnen zur ersten deutschen Astronautin müssen drei Jahre lang büffeln, sich einem extrem harten Training stellen. Tauchen und Überlebenstraining steht für beide im Stundenplan. Das Training wird natürlich für beide maßgeschneidert; schließlich bringen sie unterschiedliche Voraussetzungen mit.
Im Herbst haben die beiden Frauen eine Woche im Gagarin-Kosmonauten Trainingszentrum im Sternenstädtchen, nahe Moskau verbracht. Dort haben sie auch erste Simulationen sowie einen Parabelflug erlebt. Hier ein paar Eindrücke: Training-Film https://www.youtube.com/watch?v=JT6-9qiIoFc
Wie das Training ab nächstem Jahr weiter geht, hängt auch von Sponsorengeldern ab, woraus die private Initiative finanziert wird.
Etwa fünf Millionen Euro sollen bis Ende dieses Jahres zusammengekommen sein. Immerhin, das wären zehn Prozent des Flugpreises.
Zwar unterstützt Airbus Defence and Space seit September d. J. offiziell die beiden bei ihrer Ausbildung und der Planung für eine mögliche Weltraummission. Dazu zählt, dass sich die beiden besser mit einer Raumstationsumgebung vertraut machen und die Abläufe an Bord der ISS sowie wichtige Prozeduren zur Bedienung der Geräte auf der ISS kennen lernen. Die mit 50 Millionen Euro veranschlagte Ausbildung braucht weitere Unterstützer, um die visionären Idee zu realisieren. Konkret: Spenden.
Ob Nicola Baumann oder Insa Thiele-Eich dann ins All fliegen werden entscheidet eine Jury um Claudia Kessler herum. Bis dahin betrachten die beiden Teamplayerinnen sich als Partnerinnen, statt als Konkurrentinnen. Denn, wie sagte Insa sehr treffend: „Schlimmer, als selbst nicht zu fliegen, wäre es, wenn keine von uns fliegt.“
Text: Cornelia Lütge
Fotos: © Markus Gloger / Space Affairs
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