Ehrenamt: Wenn das ganze Chaos zusammenkommt
Ehrenamt – natürlich nicht erst, seitdem Flüchtlinge bei uns leben, ist ehrenamtliches Engagement bedeutsam. Das weiß ohfamoos-Gastautorin Heike Lachnit aus erster Hand. Und sie schlägt Alarm, wenn das Ehrenamt unter den Tisch gekehrt wird. Geht gar nicht, sagt Heike, denn ohne die ehrenamtliche Arbeit würde unsere Gesellschaft sehr bitter aussehen. Also lasst uns drüber reden!
Aufgewachsen in einer Stadt zog mich die Liebe in die ländlich geprägte Region des Westerwaldes. Vorher nie mit dem Thema Ehrenamt in Berührung gekommen, erlebte ich einen wahren Kulturschock. Was mir bis dato absolut fremd war, war hier ein Teil der Lebensqualität. Ganze Orte sind voller Leben allein durch das Engagement diverser Vereine und ihrer Mitglieder. Inzwischen lebe ich 16 Jahre hier und habe nicht nur beruflich meine Leidenschaft für das Ehrenamt entdeckt, sondern lebe es auch selbst. Auf die Frage, was Ehrenamt für mich bedeutet, fällt mir dazu „Heimat“ sowie „Gemeinschaft“ ein.
Kein Geld für das Ehrenamt, aber Respekt und Achtung
Ehrenamtliches Engagement ist der freiwillige Einsatz für eine Sache, ohne etwas dafür zu bekommen. Zumindest gibt es kein Geld dafür. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Menschen gar nichts dafür erhalten. Belohnt wird dieses Engagement mit Respekt, Anerkennung und Achtung. Ich persönlich gehe meist mit einem Glücksgefühl nach Hause, das mich von innen wärmt und mir somit die Motivation gibt, weiter zu machen.
Laut einer Umfrage engagieren sich 14,89 Millionen Menschen in Deutschland ehrenamtlich. Dieses Engagement kann in einem Verein sein, in der Kommunalpolitik, in karitativen oder sozialen Einrichtungen oder in der Kirchengemeinde. Die einen sind Trainer im Sportverein, die anderen retten Leben im Rettungsdienst. Die nächsten kümmern sich in ihrer Freizeit um Flüchtlinge. Wieder andere gehen Laufen für einen guten Zweck. Das ehrenamtliche Engagement ist vielschichtig und wer sich engagieren möchte, wird fündig.
Die Zeit, die manch einer im Ehrenamt verbringt, lässt sich schwer aufrechnen. Auf die Idee würde ein Ehrenamtler nie kommen.
Niemand macht eine Rechnung auf, wie sich das Engagement für einen persönlich auszahlt.
Und durch meine Arbeit weiß ich, dass die Wenigsten groß für ihren Einsatz gelobt werden möchten. Sie machen dies aus einer Überzeugung und einem inneren Antrieb heraus und nicht, um irgendwelche Preise oder Ehrungen einzuheimsen. Sie möchten etwas an andere weitergeben, sehen sich in der sozialen Verantwortung für die nachkommenden Generationen oder für ihren Ort. Auch wenn sie nicht nach Ruhm und Ehre streben, freuen sie sich, wenn sie im Rahmen eines Projektes als Mitverantwortliche erwähnt werden oder andere die Leistung mit einem „Danke“ anerkennen.
Ehrenamt: Wenn ich mir die Haare raufen möchte…
Dabei möchte ich nicht verschweigen, dass Ehrenamt auch anstrengend sein kann, ich mir die Haare raufen möchte und manchmal das Gefühl habe, dass es mir über den Kopf wächst. Wenn das ganze Chaos zusammenkommt, taucht tief im Kopf die Frage auf, ob es das wert ist. Doch am Ende, wenn alles funktioniert hat und eine Veranstaltung gut über die Bühne ging, dann fluten die Glücksgefühle durch meinen Körper und es entstehen sehr schnell Ideen für neue Projekte. Der ganze Stress und die Mühe waren es wert, wenn alle glücklich sind.
In meiner beruflichen Welt muss ich jedoch erleben, wie das Ehrenamt manchmal unter den Tisch gekehrt wird. Wenn Menschen für ihre langjährige Tätigkeit geehrt werden, ist dies scheinbar nicht interessant genug. Dabei stehen hinter diesen Zahlen interessante Geschichten und Erlebnisse.
Nicht jedes ehrenamtliche Engagement zieht großes Interesse auf sich, dennoch ist auch dieses kleine Engagement in einer Nische ein Puzzleteil im großen Gefüge der Gesellschaft.
Einige sind leider der Meinung, dass nicht alle Themen Leser fesseln und so bleibt es unerwähnt. Aber was passiert, wenn wir nicht mehr über das Ehrenamt sprechen oder schreiben? Was passiert, wenn wir nicht zeigen, was das Ehrenamt alles bewegt? Dann vergisst die Gesellschaft nach und nach, dass es das Ehrenamt überhaupt gibt. Die kleinen Vereine lösen sich als erstes auf. Es fehlen nach und nach Menschen, die sich in den Gemeinden und Dörfern einbringen, viele lebenswerte Dinge bleiben auf der Strecke. Ein Stück „Heimat“ geht verloren.
Daher bin ich der Meinung, dass es nicht nur wert ist, ehrenamtlich aktiv zu sein, sondern vor allem darüber zu reden und zu zeigen, wie wichtig es ist – für jeden persönlich, aber auch für die Gesellschaft.
Das finden wir aber auch. Danke für Deinen Beitrag, Heike!
So bezeichnet sich die Diplom-Biologin Heike Lachnit im sozialen Netz: Als „Mutter, Bücherwurm, neugierig, Traveller, naturliebend, meerverrückt“. Und nun ist sie auch Gastautorin auf ohfamoos.com. Heike ist seit 2012 freiberuflich als Journalistin und Texterin unterwegs – besonders gern für das von ihr geschaffene ‚HL-Journal’, wo sie in bester lokaljournalistischer Manier besonders über das ehrenamtliche Engagement in ihrer Region schreibt.
Photos by Heike Lachnit, geralt on pixabay und Tim Marshall on Unsplash,
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