Turbulenzen im Flugzeug, ich liebe Euch!
Turbulenzen im Flugzeug und Turbulenzen im Leben. Dazu passen, ganz ohfamoos, die turbulenten Assoziationen eines Technologen. Denn Gastautor Dieter Fuchs war schon auf ganz vielen Flugreisen. An eine erinnert er sich besonders gut – und an ein lange zurückliegendes Gespräch über Luftlöcher. Danke, Dieter, eine wunderbare Anregung für #voll das gute Leben…
Das muss irgendwann Ende der 90er Jahre gewesen sein, auf einem Inlandsflug nach Berlin. Ich arbeitete konzentriert an einem Vortragstext. Eigentlich. Denn Turbulenzen im Flugzeug lenkten mich ab …
Bislang hatte ich auf das wiederholte „Ach, diese furchtbaren Luftlöcher!“ meiner Sitznachbarin hin dennoch freundlich und verständnisvoll zurücklächeln können. Beim dann folgenden, nun schon leicht schrillen „Hört das denn nie auf!“ gab ich auf.
Einem ersten Impuls folgend setzte ich schon an, ihr von einer Flugreise im Vorjahr zu erzählen, als ich in einer alten Antonov der Mongolian Airlines saß und diese kurz vor Ulan Bator in schwere Turbulenzen geriet. Aus der Seitenwandverkleidung waren damals tatsächlich sogar mehrere Nieten abgeplatzt und kullerten wild über den Kabinenboden, so sehr schüttelten die Böen die Maschine durch. Nein, ich wollte dies nicht aus Bosheit sagen, sondern um das wirklich harmlose Wackeln beim heutigen Flug zu relativieren.
Turbulenzen im Leben
Ein Blick in ihr Gesicht hielt mich davon ab – sie hatte sichtlich echte Panik vor diesen Turbulenzen im Flugzeug. Also lächelte ich weiter und plauderte beruhigend über die Nicht-Existenz von Luftlöchern und darüber, dass unsere menschliche Wahrnehmung eigentlich geringfügige Horizontal- und Vertikalbewegungen im Flug schlicht überinterpretiert. Das sei alles unkritisch, und solche Turbulenzen, die der Pilot ja bereits beim Start angekündigt hatte, absolut harmlos.
Da ich bemerkte, dass mein Gerede sie ablenkte und sich ihre Miene etwas entspannte, plapperte ich einfach weiter. Über die physikalischen Einflussparameter auf Flügel, über laminare und turbulente Strömungen und darüber, dass wir sogenannten „Turbulatoren“ einen ruhigeren und sicheren Flug sogar überhaupt erst verdankten. Solche Strukturelemente an den Tragflächen sorgen dafür, dass bei drohendem Strömungsabriss eine gewollte Verwirbelung den Luftstrom länger am Flügel hält und so den Auftrieb stabilisiert. Und intuitiv kam mir über die Lippen:
„Sie sehen, das ist wie im Leben generell: Ohne Turbulenzen wäre es doch extrem langweilig und Höhenflüge selten möglich – meinen Sie nicht auch?“
Im folgenden, lebhaften Gespräch verflog die Zeit und wir bemerkten beide nicht, dass irgendwann das Wackeln aufhörte. Turbulenzen, also Verwirbelungen in einem fluiden Medium, waren sie nicht eine wunderschöne Metapher auf die überraschenden und sich ständig verändernden äußeren Einflüsse auf uns und sorgten für ein bewegtes Leben?
Turbulenzen bringen uns erst richtig in Schwung
Sind Turbulatoren, also jene Menschen und Erlebnisse, die für die Turbulenzen um uns sorgen, nicht gerade das, was uns immer wieder mit neuem Schwung versieht, uns an den sich stellenden Herausforderungen wachsen lässt? Sind es nicht gerade die turbulentesten Lebensphasen, in welchen wir uns selbst am intensivsten spüren und noch lange später erinnern?
Unser gemeinsames Fazit bei der Landung in Berlin über Turbulenzen im Flugzeug war klar:
Her mit Euch, Ihr geliebten Turbulatoren, rüttelt uns durch und auf – damit wir immer wieder neu den Turbo in uns zünden können, ein pralles Leben lang!
Gastautor Dieter R. Fuchs liebt die Vielfalt und das Leben. Nachdem ihn sein bewegtes Berufsleben als Forschung-Manager und Wissenschaftler fast durch die ganze Welt geführt hat, geniesst er es nun im Ruhestand in München, seine Erfahrungen und Begegnungen literarisch aufzuarbeiten und andere hieran teilhaben zu lassen. Was für ihn neben der Partnerschaft mit seiner Frau Ulla wertvoll ist: Fremde Kulturen, Kunst und ein immer wieder neu belebender Austausch mit Menschen aus der ganzen Welt!
Flugzeug-Foto: Sonja Ohly
Sehr schöner Beitrag! Jahrelang ging es mir wie dieser Sitznachbarin. Bei einem Flug von München nach Köln hat mich ein neben mir sitzender Pilot, der auf dem Heimweg war, ebenso erfolgreich abgelenkt (er hat mir beschrieben, wie viele METER die Flügelspitzen schwingen können, und dass die Crew vorne im Cockpit sicherlich gerade Brotzeit macht :-). Bei mir hat sich die Flugangst bei unruhigen Flügen zum Glück wieder gelegt. Ob das mit meinen Lebensturbulenzen zu tun hat kann ich ich nicht sagen, aber ich reise zum Glück wieder ganz entspannt!
Lieber Dieter,
wie ohfamoos, deine Geschichte!
Ich kenne mich mit Turbulenzen im Leben ganz gut aus und bin überzeugt: ohne sie wäre das Leben wohl schaler. Und wir würden weniger wachsen.
Mit Turbulenzen in Flugzeugen, großen und kleinen, kenne ich mich zwar technisch nicht aus, aber emotional. Habe sie in beiden zur Genüge erlebt. Mit Kopfkino und Schnappatmung und gefalteten Händen und dem lautesten Seufzer von Allen, wenn sie vorüber waren.
Ich beantrage dich als Flug-Paten, wenn es dir bitte möglich wäre?:-)
Liebe Cornelia – gerne! Dann müssen wir nur noch die Koordination unserer Flugrouten hinbekommen :)))
Lieber Dieter,
eine sehr ohfamoose Geschichte. Ich kenne Flugangst selbst nicht, aber meine Cousine starb jedesmal einen kleinen Tod, wenn sie in einen Flieger stieg. Dank der ‚Wing-Wave Methode‘ (ein Emotionscoaching) hält sich ihre Angst jetzt in Grenzen. Vielleicht ist das hier für einige interessant, denn Dieter kann nicht immer mitfliegen. Er muss Bücher schreiben 😉