Du bist vielbegabt? Ein Buch klärt auf!
Knackig bunt und richtig fröhlich liegt es vor mir: Das Buch von Annette Bauer über Scannerpersönlichkeiten. Und ich gestehe: Ich weiß, dass mein Drucker eine Scan-Funktion hat und ich scanne selbst gern Texte, um Infos schnell aufzusaugen. Was aber sollen vielbegabte Scannerpersönlichkeiten sein? Das hat mir Annette im Kölner Literaturcafé Goldmund erklärt.
Vielbegabte – den Begriff findet Annette passender als den des Scanners – entdecken ein Thema und sind dann erst einmal erfüllt davon. Schnell „durch damit“. Sagt die gelernte Buchhändlerin, die seit fast 20 Jahren Menschen in der Seelsorge begleitet und als systemischer Coach arbeitet. In ihrem Ratgeber listet sie weitere Merkmale, denn
Vielbegabte
- … begeben sich immer wieder in einen „Kreislauf von Begeisterung, Hineinstürzen, Aufsaugen und Ausleben, bis das Thema erfasst und damit abgearbeitet ist“
- … würden am liebsten alles auf einmal machen
- … sind „Häufchenbilder“, sprich sammeln Ideen und Sachen, die sie nur schlecht aussortieren können
- … machen gern bei vielen Projekten mit
- … sind aber gleichzeitig von starken Selbstzweifeln geprägt („Kann eigentlich gar nichts“)
Sind Scanner also besondere Denker? So sieht es Barbara Sher, die den Begriff Scanner in den USA prägte. Und Annette Bauer ergänzt: Im Unterschied zu anderen Menschen, die auch gern Abwechslung haben und Neues suchen, sei dies bei Vielbegabten ein DAUERZUSTAND: „Scannerpersönlichkeiten sind immer im Produktionsmodus. Sie kreieren ohne Unterlass. Wie bei einer Maschine, die keine Ruhepausen kennt, gibt es bei ihnen ein Mehr.“
Anstatt von Scannern spricht Annette lieber von Vielbegabten. Sie zählt sich selbst zu diesem Typus Mensch und beschreibt, wie erlösend es für sie war das zu entdecken: „Der rote Faden in meinem Leben stellte eine tiefe Zufriedenheit her, endlich erkannte ich mich und mein Tun, mein scheinbares Springen von einem zu anderen, als sinnvoll.“ Im Buch liest sich das so: „Ich bin prädestiniert für überschaubare Initiativaufgaben, da es mir sehr leichtfällt, die Zügel abzugeben, wenn etwas gut auf dem Weg ist und sich eingependelt hat.“
Vielbegabte – Hochbegabte – Hochsensible
Annette grenzt Vielbegabte bewusst von Hochbegabten und Hochsensiblen ab. Zudem widmet sie sich im Buch ausführlich dem Thema achtsame Selbstfürsorge. Im Kapitel „Butter bei die Fische“ bietet sie abschließend diverse Lösungen an und beschreibt konkrete Übungen (inneres Lächeln, Dankbarkeitstagebuch, Gehmeditation etc.). Das kommt gut an, wie etwa dieser Kommentar zeigt, den ich bei Amazon finde:
„Das Buch nimmt einen mit auf eine Reise in unbekannte Sphären und schärft den Blick für den Umgang mit den Tausendsassas dieser Welt. (…) Fazit: Allen, die irgendwie immer schon das Gefühl hatten, etwas anders zu ticken wie die anderen, den Grund dafür aber noch nicht gefunden haben, sei dieses Werk wärmstens ans Herz gelegt. Und: Deren Mitmenschen mindestens genauso!“
Annettes Wunsch ist, das Wissen über Vielbegabung in die Welt hinaus zu tragen. Deshalb ist es für sie besonders wichtig gerade die zu erreichen, die „nur“ mit Vielbegabten leben oder arbeiten. Personaler und alle, die im Bereich der Pädagogik und Beratung arbeiten, hätten weniger Probleme mit Scannertypen, wüssten sie besser über den ganz speziellen Arbeitsmodus Bescheid. Ja, sie könnten das Potenzial von Vielbegabten sogar besser ausschöpfen, verstünden sie: „Vielbegabte sind nicht schräg, wenn sie oft in Themen springen, zu allem was zu sagen haben und sich SCHEINBAR nicht konzentrieren können; im Gegenteil, sie können in der Kürze der Zeit viel mehr Informationen aufnehmen.“
Auch das Verständnis in Ehen wächst
Genauso förderlich sei es für Lebenspartner zu verstehen, was eine Scannerpersönlichkeit umtreibt. Dafür hat Annette im Buch u.a. ein Ehepaar interviewt – die Frau vielbegabt, der Mann sagt von sich selbst, nicht ständig etwas Neues zu brauchen. Ihre Antworten zeigen, wie sehr das Verständnis füreinander gewachsen ist, seitdem klar war, wer wie „gestrickt“ ist.
O-Ton des Mannes: „Ich hatte ja früher nie viel Kontakt mit Vielbegabten (…) Ich kannte Menschen, die haben Dinge nicht auf die Reihe bekommen, immer was anderes gemacht, aber das hatte bei denen andere Gründe. Claire genießt wirklich meinen Respekt, weil sie so viele verschiedene Dinge auch wuppt. Sie hat ihre Selbständigkeit, schreibt ihre verschiedenen Blogs, sie macht ja auch zu Hause ihren teil, kümmert sich um die Kinder. Wir teilen zwar Aufgaben auf, aber mir ist schon klar, dass sie neben ihrer Arbeit da auch einen großen Anteil leistet. Und das alles zusammen ist schon klasse. Das bekommt sie hin.“
Ich empfehle das Buch allen, die besser einordnen möchten, warum Menschen anders sind/arbeiten/leben. Das Verständnis füreinander wird wachsen. Und wer kein Faible für dicke Bücher hat – die gute Nachricht am Schluss: Es liest sich auch schnell. Ganz bewusst hat Annette versucht die wichtigsten Fakten heraus zu kristallisieren. Denn sie weiß:
„Der Scanner liest ungern 300-Seiten-Wälzer. Unsere Kunst ist es ja, sich Themen schnell anzueignen, wir brauchen nicht alle Komponenten eines Themas sofort. Da ist kurz&knackig erst mal besser.“
Annette Bauer ist systemischer Coach und Wingwavecoach, sie nennt sich Strukturaufstellerin. Seit fast 20 Jahren ist sie in der Begleitung und Beratung von Menschen in der Seelsorge tätig. Sie beschäftigt sich seit einigen Jahren intensiv mit der Lehre der Achtsamkeit und arbeitet als Coach mit Vielbegabten.
Fotos: Elke Tonscheidt; Unsplash (Alexei Scutari)