Bei uns in Deutschland bist Du zu Hause, Umes
Es gibt Bücher zum Verschlingen. „Der fremde Deutsche“ ist so eins. Darin beschreibt ein Mann sein Leben zwischen den Kulturen. Sein Name klingt für uns komplizierter als er ist: Umeswaran Arunagirinathan – und seit seiner Zeit im Uniklinikum Hamburg heißt er auch „Dr. Umes“. Elke hat die Geschichte seiner gelungenen Integration gelesen. Der tamilische Kriegsflüchtling landete 1991 unbegleitet als 12jähriger nach achtmonatiger Flucht in Frankfurt.
Mir kommen die Tränen, als ich Umes das 1. Mal in der NDR-Talkshow sehe. Wie er da sitzt, seine Augen leuchten. Alles, was er sagt, hat Hand, Fuß und: Herz. Eine Seele. Monate später sehe ich ihn auf einer wichtigen Gedenkfeier zwischen Angela Merkel und Horst Seehofer sitzen. Ich staune! Höre seine Rede, bin erneut gerührt. Er strahlt so viel Toleranz aus. Ich schreibe ihm, via Facebook. Umes antwortet wie selbstverständlich. Denn Dialog ist etwas, was Umes braucht wie die Pflanze das Licht. So ist auch zu verstehen, warum er einen alten Mann, der sich von ihm aufgrund seiner Hautfarbe nicht pflegen lassen will, dennoch weiter behandelt. Im Buch schreibt Umes:
„Vielleicht habe ich mit meinem Verhalten einem achtzigjährigen Mann die Chance gegeben, nicht als Rassist zu sterben. Ich halte es für wichtig, mit dem Andersdenkenden in einen Dialog zu kommen, auch wenn es viel Energie und Geduld kostet. Wenn wir die nicht investieren, ändern wir niemanden.“
Hier lest Ihr unser Interview.
Umes, Sie haben sich im wahrsten Sinne nach oben gejobbt – vom Tellerwäscher bis zum Herzchirurgen …
Umeswaran Arunagirinathan: Herzchirurg bin ich erst im Sommer 2019, aber ich bin auf besten Wege dorthin. Aufgrund meiner Verantwortung als Kind für meine Familie auf Sri Lanka blieb mir nichts anderes übrig, als neben meiner Schule als Tellerwäscher zu arbeiten. Das Geld habe ich meiner Familie geschickt. Später habe ich bei McDonald`s gearbeitet, dann in der Pflege in der Herzchirurgie in der Uniklinik Lübeck. Dort erwachte mein Interesse Herzchirurg zu werden.
Es gab viele wichtige Stationen, welche war die wichtigste um Teil der neuen Heimat zu werden?
Ich bin von meiner ehemaligen Schule sehr geprägt. All das hätte ich ohne die Unterstützung meiner Mitmenschen, besser meiner Mitbegleiter, nicht geschafft. Die Schule hat da eine wesentliche Rolle gespielt und den Grundstein für meine Integration gelegt.
In Ihrem Buch beschreiben Sie einen Syrer, der bei Ihnen wohnte. Und bei aller Kritik stellen Sie fest: Man dürfe nicht vergessen, dass es oft normale Kinder und Jugendliche sind, nicht „nur“ Flüchtlinge…
Das Beispiel des jungen Syrers finde ich für mich eine Bereicherung; er hat die Meinung vertreten, die er uns aus seiner Heimat, aus dieser Kultur, mitgebracht hat. Er kannte unsere Gesellschaft nicht. Inzwischen habe ich einen guten Kontakt zu ihm und er ist im Vergleich zu damals deutlich offener und sieht Frauen heute mit anderen Augen! Kinder und Jugendliche sind in der Lage viel besser und schneller zu lernen und sich an unsere Gesellschaft anzupassen. Meist scheitert es, weil die Eltern, die sehr stark von ihrer eigenen Kultur geprägt wurden, ihre Kinder in der neue Gesellschaft nicht wachsen lassen.
Haben es Muslime schwerer sich zu integrieren?
Ja, Fakt ist tatsächlich: Kinder bzw. Jugendliche aus muslimischen Ländern haben es etwas schwerer sich in unsere Gesellschaft einzuleben. Das hat nichts damit zu tun, dass sie Muslime sind – sondern vielmehr, dass in deren Kultur die Religion im Mittelpunkt steht und ihnen Toleranz für andere Religionen oder Kulturen nicht beigebracht wurde. Schauen Sie sich doch die deutschen, muslimischen Jugendlichen an… sie sind deutlich offener, viele haben ihren Platz in der deutsche Gesellschaft gefunden.
Hat denn Ihre Religion es Ihnen erleichtert Ihren Weg zu finden?
Kann ich so nicht sagen, nein. Aber als gläubiger Hindu habe ich sehr früh erkannt, wie wichtig Religion bzw. der Glaube für einen Menschen sind – und wenn ich es für mich wichtig halte, muss ich doch auch davon ausgehen, dass andere Religionen für andere Menschen genau so wichtig sind. In meiner Schule habe ich gelernt, wie wichtig Toleranz ist und dies hat mir den Weg zur Integration erleichtert.
Sie wollten schon als Kind Arzt werden, glauben Sie, dass auch Ihr großes Herz dazu geführt hat dass Sie sich nun zum Herzchirurgen ausbilden lassen?
Ich habe ein Herz wie jeder andere; ich möchte es nicht größer haben, als ich es brauche. Aber ich bewundere das Herz als Organ sehr – und aufgrund dieser Faszination und meiner Tätigkeit in der Pflege in der Herzchirurgie erwachte mein Interesse Herzchirurg zu werden.
Sie beschreiben sehr offen, welch schlimme Schmähungen Sie als Homosexueller ertragen mussten. Ich schäme mich für diese Leute! Es hat Sie aber auch, wie Sie schreiben, „abgehärtet“. Was war das Heftigste, was Ihnen die Integration in Deutschland erschwert hat?
Es sind die alltäglichen Situationen, in denen Menschen mir immer wieder das Gefühl geben, ich sei ein Fremder. Ob es bei der Wohnungssuche oder beim Diskothekenbesuch. Auch die Benachteiligung bei meiner Facharztweiterbildung war manches Mal ein Stolperstein… Aber können diese Steine schwer sein als die Bomben, die ich im Bürgerkrieg ertragen musste? Nein!
Ihr Buch macht Mut, in Deutschland eine Heimat zu finden. Welche drei Tipps geben Sie anderen jungen Männern, die allein hierher kommen?
Bitte lerne 1. die deutsche Sprache und versuche 2. eine Ausbildung zu machen; 3. versuche in die Arbeitswelt zu kommen. Ich würde jeden Menschen verpflichten unsere Grundwerte und die Verfassung zu lernen. Denn beides ist sehr wichtig für ein gemeinsames Zusammenleben.
Umeswaran Arunagirinathan, Dr. med., wurde 1978 in Sri Lanka geboren. Seine Geschwister leben in Kanada, England und Amerika. Als Zwölfjähriger brachte ihn seine heute 67jährige Mutter zu einem Schlepper. Sie blieb im Kriegsgebiet, Umes musste sich allein durchschlagen. Seit 2008 ist er deutscher Staatsbürger, was er in seinem Buch so kommentiert: „Endlich durfte ich in meiner neuen Heimat ein Teil dieser Gesellschaft sein. Nicht mehr als Flüchtling mit begrenzten Aufenthaltserlaubnissen, in ständiger Angst vor einer Abschiebung.“ Erst zur Beerdigung seines Vaters traut sich Umes seine alte Heimat zu besuchen; beim Landeanflug zurück nach Hamburg, wo er lebt, wusste er: „Hier bist du zu Hause, Umes.“ Seine Ausbildung zum Herzchirurg macht er in Bad Neustadt a.d. Saale. In der dortigen Klinik haben etwa 60 Prozent aller Ärzte einen ausländischen Hintergrund – deutsche Ärzte arbeiten weniger gern in ländlichen Regionen.
In der NDR-Talkshow habe ich Umes zum ersten Mal gesehen. Dort beschreibt sich Umes auch selbst: „Ich konnte niemals meine Klappe halten.“ Ziel seines Buches ist es, mit der deutschen Gesellschaft, „seiner“ Gesellschaft, in Dialog zu kommen. Er ist voll dabei, wie ohfamoos! Mehr über und von ihm auch in der Ärzte-Zeitung.
Fotos: Konkret Literatur Verlag; Elke Tonscheidt; via Umes