Hetze ist nicht ohfamoos! Wo bleibt das gute Benehmen?
Geht es Euch auch so? Ich lese die Kommentare im Internet unter einem Artikel und frage mich, warum wird hier so unsachlich diskutiert? Warum diese Pöbelei, diese Hetze? Was macht Menschen so aggressiv? Wir leben #volldasguteleben in einem Land der Meinungsfreiheit, das sollten wir schätzen – aber einigen Menschen fehlt offensichtlich die gute Kinderstube.
Neulich unterhalte ich mich mit meinem Freund über Erziehung und wie glücklich wir sind, dass unsere Kinder so gut geraten sind. Höfliche, anständige Menschen. Wir vergleichen Kinderbücher, die uns als Kinder moralisch beeinflusst haben. Ein Buch, das wir beide kennen, ist der Struwwelpeter.
Zur Erinnerung, der Struwwelpeter gehört zu den erfolgreichsten deutschen Kinderbüchern und ist das Werk des Frankfurter Arztes und Psychiaters Heinrich Hoffmann. Das seit 1845 gedruckte Bilderbuch enthält Geschichten von Kindern, die nicht brav sind, nicht auf ihre Eltern hören und denen deshalb allerlei grausames Unheil widerfährt: So wird der „bitterböse Friederich“, der Tiere quält, entsprechend bestraft; Paulinchen verbrennt, weil sie mit Streichhölzern spielt; die Kinder, die den Mohren verspotten, werden in ein riesiges Tintenfass gestopft und noch viel schwärzer eingefärbt. (Quelle: Wikipedia)
Ich persönlich mochte diese kurzen, einprägsamen Geschichten als Kind. Vor allem aber deren Moral. Sie war einprägsam. Oft las mein Großvater sie mir vor. Ja, zugegeben, die Geschichten waren grausam, aber auch so überspitzt erzählt, dass man als Kind wusste: es ist ein Märchen!
Hetze im Netz ist strafbar
Was wir dieser Tage im Internet lesen, sind keine Märchen – aber sie sind mindestens genauso grausam. Da wird bei der diesjährigen Fußballweltmeisterschaft ein Spiel von Claudia Neumann, einer deutschen Sportjournalistin, kommentiert und sie bekommt ernsthafte Drohungen von Zuschauern. Es wird gehetzt und gepöbelt, was das Zeug hält, via Twitter und Facebook. ZDF Moderatorin Dunja Hayali, die sich für Flüchtlinge einsetzt, kann ebenfalls ein Lied von Hetze singen. Die mutige Moderatorin stellt sich jedoch wortgewandt jedem Kommentar auf Twitter und Facebook und sagt selbst: „Ich lese alles.“ Auch sie hat schon mehrmals Anzeige erstattet, denn Hetze im Netz ist strafbar!
Wieviel Hetze gibt es in Netz?
Obwohl Hetze strafbar ist, ergibt eine neue Forsa Studie Folgendes: 78 Prozent der Internetnutzer gaben an, bereits mit Hasskommentaren konfrontiert worden zu sein. Das waren elf Prozent mehr als im Vorjahr (2017: 67 Prozent). Und 39 Prozent der Befragten haben den Eindruck, dass die Hasskommentare im Internet die sachlichen Beiträge überwiegen. Die einzig wirklich gute Nachricht in der Studie besagt, dass die Zahl derjenigen, die aktiv gegen Hasskommentare vorgehen, gestiegen ist.
Auch die Polizei kämpft mit dem Hass im Internet. Zu deren Bekämpfung hat jetzt das Bundeskriminalamt schon mehrere Aktionstage zur Bekämpfung von Hasspostings organisiert. Es beteiligten sich 20 Polizeidienststellen in Berlin, Bayern, Brandenburg, Hessen, Bremen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Schleswig-Holstein, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Die deutsche Polizei hat viel zu tun, um dieser neuen Art von Kriminalität Herr zu werden.
Wo führt die Hetze hin?
Scheinbar führt die Hetze geradewegs auf die Straße in Chemnitz. So schreibt z.B. Jakob Augstein: „Sachsen ist wie das Internet. Nur in echt. Der ganze niedrige Hass, der sich im Netz Bahn bricht – in Sachsen kann man ihn auf der Straße sehen.“
Ich bin sprachlos, wütend und entsetzt über die Geschehnisse in Chemnitz. Ich hätte nie gedacht, dass so etwas in Deutschland noch einmal passieren könnte. Wo bleibt die Toleranz, die schon 1845 im Struwwelpeter thematisiert wird?
Dann lese ich in der FAZ, die Deutsche Welle setze sich für die Kommunikationskultur im Netz ein. Aha, denke ich, das musst Du lesen. Und erfahre zu meinem Entsetzen: „Die Deutsche Welle lässt zu Meinungsstücken auf ihrer Seite künftig keine Kommentare der Nutzer mehr zu.“ Wo führt das hin? Nun, viele Leitmedien moderieren mittlerweile die Kommentare auf ihren Seiten. Facebook und Twitter löschen Accounts, um Hetze und Fake News einzudämmen. Wir bei ohfamoos versuchen uns an den positiven Geschehnissen zu orientieren. Das Gute hervorzuheben, in kleinen Stücken für mehr Toleranz und Achtsamkeit zu werben. Aber wir brauchen noch mehr digitale Zivilcourage. Deshalb versuchen wir in unserem eigenen Umfeld dafür zu sorgen, dass wir mit Anstand miteinander umgehen. Wer sich ebenfalls gegen Hass und Hetze engagieren will, kann bei den Initiativen gegen Hass im Netz deutschsprachige Organisationen und Events finden. Und sich auch gern an uns wenden!
Wir stehen weiterhin für Anständigkeit und #volldasguteleben – und werden weiter dafür werben.
Wir sind glücklich, denn unsere Leser sind wohlerzogen, höflich und stets bereit sachgerecht zu diskutieren. Sie pflegen eine kultivierte Debattenkultur. Unsere Leser: eine ganz ohfamoose Spezie.
Fotos: pixabay und Ela Mergels