Fast Fashion – Wohin mit den Klamotten?
Hand aufs Herz, wie oft kaufst Du neue Klamotten? Wie voll ist dein Kleiderschrank? Und was machst du, wenn Du keinen Platz mehr im Schrank hast? Aussortieren. Ja, genauso mache ich das auch, obwohl die meisten der Sachen noch vollkommen in Ordnung sind. Aber wohin mit den aussortierten Klamotten?
Ich bin modebewusst und mag mich gerne schön anziehen. Aber seitdem die Tochter meines Freundes erklärt hat, dass sie keine Fast Fashion mehr kauft, denke ich öfter über das Thema nach. Brauchen wir wirklich all die Klamotten? Früher gab es vier Mode-Kollektionen im Jahr, also eine zu jeder Jahreszeit. Heute kommen von Marktführern wie Zara und H&M bis zu 24 Kollektionen im Jahr in die Läden. Im Jahr 2014 wurden weltweit erstmals mehr als 100 Milliarden Kleidungsstücke hergestellt. Stetig nehmen Produktion und Konsum zu – und die Kleidung ist dabei vor allem eins: billig. (Quelle: McKinsey & Company (2016), Style that’s sustainable: A new fastfashion formula)
Fast Fashion: Wir konsumieren zu schnell, und zu viel
Kleidung und Textilien sind ein wesentlicher Bestandteil unseres Alltags und ein wichtiger Sektor in der globalen Wirtschaft. Weltweit ist die Bekleidungsindustrie mit 1,3 Billionen US-Dollar vertreten und beschäftigt mehr als 300 Millionen Menschen. Wir alle tragen Kleidung, und für viele von uns ist sie ein wichtiger Ausdruck unserer Individualität. Aber ähnlich wie bei Lebensmitteln und Verpackungen steigt auch in der Textilbranche die Produktion stetig an. Allein der Verkauf von Kleidung ist in den letzten 15 Jahren weltweit um das Doppelte angestiegen, während die durchschnittliche Nutzungsdauer eines Kleidungsstückes stark zurückgegangen ist. Im Schnitt behalten wir ein Kleidungsstück nicht mal ein Jahr. (Quelle: Studie der Ellen McArthur Foundation)
Wohin mit den alten Klamotten?
Es ist also nicht verwunderlich, dass die Altkleiderflut in Deutschland seit den 90er Jahren um 20 Prozent angeschwollen ist – Tendenz steigend. Wir geben jedes Jahr ca. eine Million Tonnen Altkleider in die Altkleidercontainer. Das sind genügend Klamotten, um 62.000 LKW zu füllen. Aneinandergereiht ergäbe das eine LKW-Schlange von Flensburg bis Innsbruck. Das muss man sich einmal vorstellen.
Realität ist auch, dass nur etwa zehn Prozent unserer Altkleider von karitativen Organisationen gebraucht wird. Der Rest wird an gewerbliche Textilverwerter abgegeben. (Quelle: Deutsche Welle)
Verwertbare Kleidung, sogenannte Second-hand Mode, wird dann zum größten Teil in andere Länder verschifft, zum Beispiel nach Osteuropa, Asien und Afrika. Aber was passiert, wenn die unsere Kleidung gar nicht mehr haben wollen?
Das Märchen von Afrika
Wir denken gern, dass wir mit unserer Altkleidung etwas Gutes tun. So stellen wir uns vor, wie unsere Kleidung an arme afrikanische Kinder verteilt wird. Weit gefehlt. Hier ist ein kompletter Markt entstanden. Jedes Jahr werden mehr als 400.000 Tonnen Gebrauchtkleidung in Afrika importiert. Das führt dazu, dass es fast keine eigene Textilproduktion in den meisten afrikanischen Ländern mehr gibt. Deshalb hat z.B. Ruanda 2016 die Zölle für die Einfuhr gebrauchter Kleider verzwölffacht, um die heimische Wirtschaft zu stärken. (Quelle: Deutsche Welle)
Fast Fashion und die Umwelt
Ein weiterer Faktor, den wir bei unserem Fast Fashion Konsum beachten müssen, ist die Umwelt. Die weltweite Textilproduktion verursacht in nur einem Jahr über eine Milliarde Tonnen CO2. Das ist mehr als alle jährlichen internationalen Flüge und Schifffahrten zusammen. Dazu kommt die Verschmutzung der Meere durch Mikroplastik aus Textilfasern und die Verwendung giftiger Chemikalien, die zur Herstellung von Kleidung gebraucht werden.
60 Prozent unserer Mode besteht inzwischen aus Polyester, einer erdölbasierten Kunstfaser, deren Produktion dreimal mehr klimaschädliches Treibhausgas emittiert als Baumwolle, erklärt Greenpeace. Außerdem wird Polyester oft mit Naturmaterialien gemischt, wodurch die Stoffe kaum recyclingfähig sind.
Klamotten Detox
Die 150 Seiten Studie der Ellen McArthur Foundation (leider in Englisch) habe ich ja schon erwähnt. In ihr steht deutlich, dass sich die Textilindustrie weltweit neu erfinden muss. Das erfordert Zeit und ein Umdenken bei uns – den Verbrauchern. Eine Organisation, die sich schon jetzt dafür einsetzt, ist Greenpeace. Mit ihrer Detox Kampagne wollen sie erreichen, dass Hersteller sich über ihre Produktion Gedanken machen. Greenpeace berichtet, dass bereits 79 globale Modemarken von H&M über Adidas bis hin zu Aldi sich verpflichtet haben, bis 2020 Schadstoffe durch ungefährliche Substanzen zu ersetzen. Doch wenn nach dem Viel-und-billig-Prinzip immer mehr Kleidung konsumiert wird, reicht das nicht. Deswegen will Greenpeace zusammen mit möglichst vielen Verbrauchern nicht nur die Produktion, sondern auch den Konsum verändern. „Wir haben genug!“ lautet das Motto.
Slow Fashion – Mode verlangsamen
Ich habe genug im Kleiderschrank, und doch möchte ich mir ab und zu etwas Neues kaufen. Dank meiner Recherche bin ich auf Slow Fashion gestoßen. Slow Fashion will einen Bewusstseinswandel im Umgang mit Mode bei uns herbeiführen. Slow Fashion möchte die Kleidungsproduktion verlangsamen, mehr Transparenz schaffen, die Arbeitsbedingungen der Näher/innen verbessern und ein nachhaltigeres Konsumverhalten ermöglichen. Der Fokus liegt auf Qualität. Schon heute gibt es viele Anbieter von Slow Fashion im Internet, aber auch einzelne Boutiquen, die sich auf Slow Fashion spezialisieren. Ein Beispiel ist die Boutique „WE bandits“ in Wien, deren Besitzerin selbst nach Korea und Skandinavien reist, um sich von den Arbeitsbedingungen der Näher/innen zu überzeugen, Materialien überprüft und jedes Teil nur einmal einkauft. Der Laden befindet sich nicht auf der „High Street“, sondern im ersten Stock über einem Brillengeschäft. Nach Farben geordnet finde ich edel geschnittene Teile in Leder, Seide, Wolle und anderen Naturfasern. Ein schönes Geschäft, und doch kaufe ich nichts – ich habe genug!
Statt ständig neue und billige Klamotten zu kaufen, sollten wir lernen Qualität wertzuschätzen und Verantwortung gegenüber Mensch und Umwelt zu übernehmen.
Wer sich über Altkleidersammlungen informieren möchte, der findet beim Dachverband FairWertung.de, ein Zusammenschluss gemeinnütziger Altkleidersammler in Deutschland, viele Informationen.
Und natürlich interessiert uns sehr, was Ihr zum Thema denkt. Vielleicht habt Ihr von Initiativen gehört, die sich positiv engagieren?
Im Januar melden wir uns dann zum Thema Up- und Recycling mit dem Hamburger Unternehmen Bridge&Tunnel.
Fotos: pixabay, Fairwertung.de, ©DW