In die Jahre kommen
Das Älterwerden ist eine Sache, die jedem von uns widerfährt – plötzlich fühlt man sich manchen Dingen entwachsen, sie passen nicht mehr. Mein Mann und ich erleben gerade, dass unser Haus in der Toskana zu jung für uns ist und nach anderen Besitzern verlangt. Bella Italia: Die Journalistin Angela von Gatterburg über mediterrane Lebensgefühle, die sich verändern und den Weg des Loslassens.
Als junge Frau hatte ich kein Verhältnis zum Alter, schon gar nicht zu meinem eigenen – klar, irgendwann würde ich älter sein, aber das lag in sehr ferner Zukunft. Meine Großmutter kam mir alt vor, weil sie sich langsam bewegte, ihre Brille immer verlegte, abends vor dem Fernsehen einschlief. Sie war damals, als ich diese Beobachtungen mit der grausamen Unbekümmertheit der Jugend machte, 58 Jahre alt. In Wahrheit war sie scharfsinnig, humorvoll, selbstbewusst und gütig – nur eben nicht ganz gesund.
Es war Sommer, das Leben heiter und sonnig
Heute denke ich, dass von dem Menschen, der ich mit 20 war, nicht mehr viel übrig ist. Schlimm finde ich das nicht, aber es gibt da doch einige Anpassungen, die ich vorgenommen habe, seit ich 60 geworden bin. Und welche, die ich dringend vor mir sehe, vor allem, seit mein Mann krank geworden ist. Er, auch nicht mehr jung, wurde eines Tages von rätselhaften Schmerzen heimgesucht, die im Körper herumwanderten.
Es war Sommer, wir waren in unserem Haus in der südlichen Toskana, mit Gästen. Es war sonnig, das Leben heiter und leicht, so wie all die Jahre vorher. Nur dass die Schmerzen nicht verschwanden und sich unser Leben deshalb trotz Sonnenschein eher bedrückend anfühlte. Wir beschlossen nach Hause, nach Deutschland zu fahren.
Und ich wusste plötzlich: wir sollten das Haus verkaufen, wir sind dem Haus entwachsen, nicht etwa das Haus uns.
Das Haus hat eine eigenwillige Lebendigkeit und auf seltsame Weise habe ich das Gefühl, wir sollten es in jüngere, liebevolle Hände abgeben, bei aller Melancholie und Wehmut, die das vielleicht mit sich bringt.
Denn wir lieben dieses Haus und den Garten, in dem wir Wildschweine vertrieben haben (selten), Bäume beschnitten, Pflaumen und Johannisbeeren gezupft (oft) und Oleanderbüsche gepflanzt (selten). Das Haus strahlt Wärme und Charakter aus und war in all den Jahren uns und unseren Gästen ein guter Freund.
Bella Italia: Auf der Terrasse heftig debattiert
Hier haben wir wochenlang gelebt, haben gekocht mit Familie und Freunden aus Deutschland und Italien, auf der Terrasse gegessen und heftig debattiert, wir sind gewandert in der Umgebung und Rad gefahren, haben in den heißen Schwefelquellen von Saturnia gebadet, sind ans Meer gefahren und haben in unseren Lieblingslokalen gegessen. Sehr häufig waren auch Kinder dabei und deren Gegenwart hat, glaube ich, dem Haus immer besonders gut gefallen.
Wir haben italienische Nachbarn, Adelio, Mario, Yole, wir kennen ihre Kinder und ihre Enkel, sie sind liebenswert und freundlich, und manchmal sind sie befremdet von den Deutschen, die immer draußen essen wollen und manchmal den ganzen Tag in der Hängematte liegen und lesen.
Ein Haus in der Toskana für Familien oder Künstler
Mein Mann und ich glauben, zwei Familien mit Kindern könnten sich in unserem Toskana-Haus wohlfühlen. Oder es wäre vielleicht auch was für Künstler, die hier malen oder bildhauern wollen. Oder einfach Menschen, die Ruhe und Beschaulichkeit schätzen – und neugierig sind auf eine deutsche Community (eine italienische gibt es natürlich auch), die sehr hilfsbereit ist und Neulinge herzlich willkommen heißt.
Es war meine ohfamoose Freundin Elke, die mir vorschlug, etwas zum Thema zu schreiben für diesen Blog – und ich bin dankbar für diese Gelegenheit. Denn die Dinge haben nun mal ihre Zeit, früher ging es um Aufbruch, Umbruch, Veränderungen. Treten chronische Krankheiten in unser Leben, ist es besser loszulassen und sich Rat bei Experten zu suchen – in unserem Fall bei deutschen Ärzten, mit denen wir uns differenziert austauschen können. Auch wenn es nicht einfach sein wird eines Tages zu sagen: „Ciao, bella Italia!!! Ciao, bella casa!“
Hier noch ein Artikel über das Glück in Bella Italia.
Angela von Gatterburg arbeitet seit 1987 beim Magazin Der Spiegel in den Bereichen Psychologie, Neurobiologie, Gesellschaft. Wenn sie mal gerade nicht textet, wandert sie mit ihrem Mann, macht Radtouren oder kocht mit Begeisterung.
Fotos: privat und Unsplash (Kumiko Shimizu)
Diesen Kommentar mit Bild hat uns Stefan am 16. November 2022 gemailt:
Da steht ja ein BLAUSCHAF im Garten! Sogar bis in die Toskana sind sie schon weitergezogen. Wie schön, dass Rainer Bonks Entwurf für ehedem die BuGa 2004 (Kehl/ Strasbourg) es sooo weit geschafft hat.
http://www.der-blauschaefer.de/
Bei mir im Garten hat eines der Urtiere von damals einen Weggefährten bekommen. Jetzt mähen sie ganz leise zu zweit… Dazu treibt völlig unerwartet, eine von unseren sechs Rosen, noch am ersten November. Tolles Farbspiel!
Liebe Frau von Gatterburg,
ein sehr schön geschriebener Artikel und wahrscheinlich haben Sie Recht, alles hat seine Zeit. Aber Sie hatten ganz bestimmt eine wundervolle Zeit in Ihrem Steinhaus. Es sieht sehr gemütlich aus und nette Nachbarn sind viel wert.
Ich hoffe Ihrem Mann geht es nun besser und die Aufgabe Ihres Häuschens war nicht allzu schwer – wenigstens die Erinnerungen bleiben einem doch erhalten. Alles Liebe und Gute für Sie
Mit besten Wünschen
Sandra
Liebe Sandra,
danke für Ihre Anteilnahme – das Haus ist inzwischen verkauft an eine belgische Familie mit Kindern, Enkeln und Hunden. Die Leute kannten die Gegend seit Jahren und fühlen sich dort sehr wohl. So hat sich alles zum Guten gefügt und mein Mann und ich waren in diesem Sommer drei Wochen in der Bretagne. War sehr schön.
Alles Gute für Sie, herzliche Grüße
Angela
Mein Opa hatte auch ein Haus in der Toskana. Ich habe es jetzt geerbt und werde das Haus verkaufen. Mit einem Teil des Geldes möchte ich ein Andenken für ihn machen.