Geht wählen! Peter Liese über Europa
Geht wählen! Der Europapolitiker Dr. Peter Liese weiß: Die kommenden Europa-Wahlen haben es in sich. Doch die Mobilisierung kommt schleppend voran. Kann uns das Erstarken der Anti-Europäer kalt lassen? Wie wichtig sind die Wahlen am 26. Mai 2019?
Den Namen kennen viele nicht. Doch Peter Liese sitzt seit 1994 im Europäischen Parlament. Seitdem ist er Europaabgeordneter für Südwestfalen in Brüssel. Als wir uns zum Interview treffen und die Lounge der Deutschen Bahn am Kölner Hauptbahnhof zu voll ist, schlage ich vor, ins berühmte Café Reichard zu gehen. Volltreffer. Denn Peter Liese ist in einer Konditorei groß geworden, liebt wie ich guten Kuchen. Dort sprechen wir über SEIN Thema: Europa.
Interview: Peter Liese über Europa
Am 26. Mai 2019 ist Europawahl – die Mobilisierung wählen zu gehen, kommt bei mir, ich denke auch bei vielen anderen Bürgern, so gut wie gar nicht an. Warum hören wir so wenig?
Peter Liese: Tja, wir als Europaabgeordnete sind Kummer gewohnt und deswegen bin ich zum jetzigen Zeitpunkt gar nicht so unzufrieden. Es wird mehr und grundsätzlich auch positiver über Europa berichtet als vor den letzten Wahlen. Nach Umfragen geben auch viel mehr Menschen an, dass sie die Europawahl für wichtig halten und hingehen. Aber im Vergleich zu Bundestagswahlen gibt es noch viel Nachholbedarf und jeder Bürger, der sich mehr Informationen wünscht, sollte z.B. durch Leserbriefe an die Medien herantreten und diese motivieren mehr zu informieren.
Inwieweit stehen „die“ Medien dazwischen?
Auch hier finde ich, dass es im Moment besser ist als vor einigen Jahren. Aber trotzdem haben wir ein Problem. Die meisten Zeitungen und Fernsehsender haben in Berlin sehr viel mehr Personal als in Brüssel. Private Fernsehsender haben in Brüssel überhaupt keine festen Mitarbeiter. Dann kann natürlich nicht ausreichend und vor allen Dingen nicht qualitativ hochwertig über Ereignisse der Europäischen Union informiert werden.
Deshalb ja Ihr Appell selbst aktiv zu werden…
… genau. Auch hier nochmal mein Appell: Wer das ändern möchte, Leserbriefe schreiben. Wir Europaabgeordnete verbringen jedes Wochenende viel Zeit, um für unsere Position zu werben und die Anliegen der Bürgerinnen und Bürger mitzunehmen und da die Wahlkreise sehr groß sind, können wir nie alle Menschen erreichen. Deshalb sind die klassischen Medien so wichtig…
… die „neuen“ bespielen Sie aber auch…
Richtig, die „neuen“ Instrumente wie die sozialen Medien sind wichtig für uns. Ich bin deswegen nicht nur seit vielen Jahren auf Facebook, sondern seit einiger Zeit auch bei Twitter, Instagram und YouTube aktiv.
Vor welchem wirklich größten – es gibt ja viele große – Problem steht Europa?
Das größte Problem ist das Erstarken der Anti-Europäer. In vielen Ländern sind sie immer stärker geworden und in Italien haben die Anti-Europäer von Links und Rechts sogar die Mehrheit im Parlament. Sie sind sich über nichts einig und das ist schlimm für Italien. Dies ist auch eine Gefahr für Europa.
Wenn das Europäische Parlament durch Anti-Europäer von Links und Rechts lahmgelegt wird, kann es sein, dass Europa zerfällt. Um dies zu verhindern brauchen wir gerade in Deutschland ein klares Votum für die Pro-Europäischen Parteien.
Die jüngeren Generationen haben ja nie Krieg erlebt, können sich oft nicht vorstellen, wie real die Gefahr eines Tages sein könnte. Wie muss man diese Menschen bestenfalls ansprechen, dass sie motiviert sind am 26.5. zu wählen?
Erstens glaube ich, dass das Thema Krieg und Frieden auch für junge Menschen relevant ist. Wir erleben ja gerade in Syrien und in der Ostukraine, dass der Frieden nicht selbstverständlich ist. Deswegen spreche ich auch in Schulklassen immer wieder darüber. Darüber hinaus brauchen wir aber weitere Argumente. Die EU bietet viele praktische Vorteile, wie z.B. die Abschaffung der Roaming-Gebühren bei Reisen ins Ausland. Vor allem aber können wir uns in der komplizierter gewordenen Welt gegen die aggressive Politik Chinas und gegen das Trump-Amerika nur durchsetzen, wenn wir zusammenhalten und der Klimaschutz, das Thema Nummer eins bei jungen Menschen, lässt sich national definitiv nicht lösen.
Ernstzunehmende Forscher sagen: Wir stehen hier definitiv am Scheidepunkt, wir müssen endlich handeln. Ist Europa im Klimaschutz schnell genug und: Wenn Sie Präsident wären, was würden Sie hier als Erstes tun?
Klimaschutz braucht Europa. Die europäische Klimaschutzpolitik funktioniert. Im Gegensatz zu
Deutschland erreichen wir unsere Ziele und keine große Wirtschaftsnation auf der Welt hat ambitioniertere Ziele als die Europäische Union. Wir haben schon die Gesetzgebung beschlossen, um unser Pariser Klimaziel von 40% über zu erfüllen. Trotzdem gibt es noch viel zu tun. Was mich besonders umtreibt ist, dass der Flugverkehr immer noch praktisch keinen Beitrag zum Klimaschutz leistet.
Inwiefern?
Der Flugverkehr ist von vielen Steuern und Abgaben befreit und beim Emissionshandel nur verpflichtet 15% der Zertifikate zu versteigern. Umweltfreundliche Verkehrsträger wie die Bahn sind stärker belastet. Das muss sich dringend ändern. Der Flugverkehr muss einen größeren Beitrag leisten und umweltfreundliche Verkehrsträger müssen mit zusätzlichem Geld, auch aus dem Europäischen Emissionshandel, gefördert werden
Dr. Peter Liese ist ein Vollblutpolitiker. Er hat uns bei ohfamoos sehr überzeugt – wie man mit großer Ernsthaftigkeit und Kompetenz aber auch Humor seine Arbeit verrichten kann. Auch wenn er kein Medienstar ist, in entscheidenden Fachkreisen ist er bekannt und geschätzt. Nach seinem Medizinstudium arbeitete er als Stationsarzt in der Kinderklinik in Paderborn. In die CDU trat er schon 1987 ein, zehn Jahre später schaffte er es in den Landesvorstand der NRW-CDU, wo er bis heute wirkt. Neben Kuchen und Plätzchen liebt er Gyros und Pasta, wohnt mit seiner Familie in Meschede – seine Leidenschaft gilt aber Köln und dort auch dem FC Köln, dessen Logo sich sogar auf seiner Website findet… Lieses Lieblingsspruch stammt von Erich Kästner: „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.“
Das Interview führte Elke Tonscheidt; Fotos: Büro Dr. Liese, Europäisches Parlament