Meinungsfreiheit versus Hass – oder: Wir tragen Verantwortung!
Wie geht es wohl Renate Künast? Oder Mike Mohring? Nicht, weil die CDU-Thüringen mit ihm als Spitzenkandidaten so viele Prozentpunkte verloren hat. Uns geht es um die von ihm öffentlich gemachte Morddrohung. Wie Medien ja vor der Landtagswahl berichteten, wurde Mohring und anderen Politikern ein Attentat angedroht. Was ist nur los in unserem Land? Gastautorin Michèle Halder, die selbst nie im Facebook-Netzwerk war, äußert in ihrem heutigen Beitrag ihre ganz persönliche Meinung über Meinungsfreiheit, Verantwortung und Datenschutz.
Nach dem Urteil der Richter, die im Fall der Politikerin Renate Künast beschieden haben, Facebook müsse die personenbezogenen Daten derjenigen, die sie auf das Übelste beschimpft und angegriffen haben, nicht herausgeben, komme ich nicht zur Ruhe. Ich habe so viele Fragen, vor allem diese:
Wie sind Meinungsfreiheit und Menschenwürde miteinander zu vereinbaren, wenn sich diejenigen, die Hass verbreiten, im Netz verstecken können?
Meinungsfreiheit laut Duden
Meinungsfreiheit ist laut Duden das Recht auf die Äußerung einer Meinung, ohne dafür mit Sanktionen bedroht zu werden. Ein wunderbares Grundrecht, in unserer Verfassung festgeschrieben. Genauso wie: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Das steht sogar noch vor dem Recht auf freie Meinungsäußerung. Wo aber wird die Würde eines Menschen geschützt, wenn man ihn – versteckt und anonym in sogenannten sozialen Netzwerken – beschimpfen und verunglimpfen darf, ohne dafür zur Verantwortung gezogen zu werden? Warum steht auch hier der Kommerz über dem Gesetz? Warum wird nicht einmal mehr von der Judikative nach den Buchstaben des Gesetzes gehandelt?
Eine Meinung ist nach meinem Verständnis eine durch Nachdenken und Recherchieren entstandene Ansicht zu einem bestimmten Thema. Manchmal beruht sie auch einfach auf gesundem Menschenverstand. Aber ob man einen anderen Menschen sympathisch findet oder nicht, ob man die Meinung eines anderen Menschen als richtig oder falsch ansieht, ob eine politische Meinung geteilt wird oder auch nicht – nichts davon rechtfertigt Beschimpfungen oder Bedrohungen. Denn solche Äußerungen sind keine Meinung sondern genau das: Beschimpfungen und Bedrohungen, zustande gekommen durch sehr subjektive Bewertungen. Dabei spielt es überhaupt keine Rolle, wem gegenüber das geäußert wird.
Dass ein Gericht solch’ hasserfüllte Äußerungen gegenüber Renate Künast unter dem Titel der Meinungsfreiheit ablegt und somit dem Schutz personenbezogener Daten unterstellt, empfinde ich als sehr traurig. Das zeigt mir: In unserem Land kann anscheinend niemand mehr das eine vom anderen unterscheiden. Und es herrscht tiefe Verunsicherung, inwieweit persönliche Daten schutzbedürftig sind und wo der Schutz realer Personen beginnen muss – bedroht von aggressiven Feiglingen, die sich in „sozialen“ Netzwerken wie Facebook verstecken.
Was ich verstörend finde: Wirtschaftlicher Nutzen steht vor der Würde des Menschen. Wo ist die Legislative, die ohne Rücksicht auf Wählerstimmungen dafür sorgt, dass die Meinungsfreiheit des einen nicht die des anderen verletzt? Sieht sich wirklich niemand in der Verantwortung, die Betreiber solcher Netzwerke zu reglementieren?
Ich meine: Regeln, die eingehalten werden müssen, sind dringend notwendig. Volksverhetzende Schriften, Pornografie, Mobbing und Cyberstalking sollten unmöglich gemacht werden.
Klare Regeln im Netz
Dazu gehört für mich: Betreiber sozialer Netzwerke müssen klare Regeln aufstellen und diese durchsetzen, auch gegen den Kommerz. Aber auch das ist doch wahr wie möglich: Eine starke Nutzergemeinde könnte die Betreiber dazu bringen, hier konsequent zu handeln.
Dafür müssten die Nutzer jedoch (re)agieren! Spätestens dann, wenn ihnen miese Aktivitäten zur Kenntnis gelangen, müssten sie das Netzwerk verlassen.
Oder lässt man sich Beschimpfung und Bedrohung einfach gefallen? Schaut weg? Ein anderer Gastautor hat dies hier kürzlich ohfamoos vorgemacht: Ich danke Uwe Alschner für seine Konsequenz und Tatkraft seinen Facebook-Account zu löschen.
Ich appelliere an die Teilnehmer sozialer Netze: Nehmt Eure, unsere Verantwortung wahr und geht, wenn die feigen, Hasstiraden versprühenden Internet-Trolle nicht vom Betreiber verbannt werden. Sonst wird aus der Chance, miteinander verbunden zu sein und miteinander etwas Gutes bewirken zu können, nur eine weitere Möglichkeit für Feiglinge, anderen Menschen Schaden zuzufügen.
Hier mehr über Michèle Halder und andere ohfamoose Gastautoren.
Fotos: rawpixel und Gert Altmann on pixabay
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