Warum die Freiheit des Denkens so wichtig ist
Wie wichtig ist die Freiheit des Denkens? Schnell antworten wir: Sehr wichtig. Wir lieben Freiheit, gern auch in Verbindung mit Abenteuer. Und stehen vor einer verqueren Situation: Manche sagen unablässig ihre Meinung, gern laut und drastisch. Und andere schrecken genau davor zurück – weil sie sich vor möglichen Konsequenzen fürchten. Elke hat sich darüber mit Franziska Kind und Uwe Alschner ausgetauscht.
Als ich gefragt werde, ob ohfamoos zum Thema Freiheit einen Gastbeitrag schreiben will, sage ich zu. Klingt doch gut, gleich ein ganzes Magazin über dieses Thema. Die Anfrage kam vom „Pure and Positive eMagazine“, wo mein Artikel im Spätsommer erschienen ist. Ich fasse die wichtigsten Erkenntnisse zusammen.
Das Leitbild freier Menschen als demokratisches Ideal
Zunächst zur Definition: Was genau meint der Begriff eigentlich? Franziska Kind, die beruflich als Beraterin für Change-Management unterwegs ist und Organisations- & Teamcoachings gibt, definiert die Freiheit des Denkens als „Fähigkeit des Menschen, eigenständig und eigenverantwortlich eine Entscheidung zu treffen“.
Schließlich sei das Leitbild des freien und verantwortungsbewussten Menschen das Ideal demokratischer Gesellschaften. Franziska diskutiert darüber leidenschaftlich gern, was vermutlich in ihrer Familientradition liegt: Ihr Opa hat das deutsche Grundgesetz mit verfasst, ihr Urgroßvater die Weimarer Verfassung mit geschrieben.
Wo beginnt die Freiheit des einen, wo endet die des anderen?
Auch mein zweiter Gesprächspartner, Uwe Alschner, hat sich dazu viele kluge Gedanken gemacht. Für den Berater und promovierten Historiker aus Osnabrück, der auch Gastautor von Ohfamoos ist, ist die elementare Frage: Bekommt der Wert der Freiheit in Bezug zu anderen Werten vielleicht erst Bedeutung? Uwe ist sich sicher: „Freiheit per se wird überbewertet, weil es viele Rückbindungen gibt.“ Deshalb lautet sein Urteil: Freiheit erlaubt nicht alles!
Warum, frage ich Franziska und Uwe, ist die Freiheit des Denkens gerade in unserer heutigen Zeit so wichtig? Weil man damit, so Franziska, nicht nur Politik im großen Rahmen gestalten könne und müsse; die Freiheit des Denkens sei gerade auch im Kleinen wesentlich, um wirksam werden zu können: „Dinge zu gestalten und immer wieder zu verändern und weiterzuentwickeln, ist für mich eine der wichtigsten Fähigkeiten des Menschen – und diese Freiheit kann auch künftig nicht von Maschinen übernommen werden“, sagt die studierte Politologin.
Wir haben es in der Hand die Freiheit zu bewahren
Aber haben wir, hat es unsere Gesellschaft noch in der Hand die Freiheit des Denkens zu bewahren? Ja, doch dafür müssen wir etwas tun, sollten uns nicht darauf verlassen, dass es schon irgendwie gut geht. Laut Franziska wäre es zum Beispiel nötig, unsere Medien- und Quellenkompetenz intensiver zu schulen: Nutzer wesentlich dabei zu unterstützen zu erkennen, welche Quellen sich für die Meinungsbildung eignen und welche darauf abzielten, die Freiheit des Denkens zu unterwandern.
Als Beispiel führt sie die derzeitige Entwicklung in den sozialen, aber teilweise auch klassischen Medien an: Führe der dort sichtbare Missbrauch dazu, dass sich diese negativen Kräfte potenzierten, wäre die Freiheit eines Tages empfindlich bedroht. Der Appell der quirligen Wahl-Kölnerin lautet daher: „Lasst uns gemeinsam die Freiheit des Denkens stärken!“
Uwe Alschner bringt zudem das Thema Denkverbote ins Spiel. Für ihn „schwer hinnehmbar, auch weil sie den Gedanken, über den ein Verbot zustande kommt, noch viel reizvoller machen.“
Beispiel: der Youtuber Rezo; dessen Reichweite erhöhte sich kurz vor der Europawahl 2019 auch deshalb binnen Stunden, weil gewichtige Politiker sofort reflexartig versuchten, Tabuzonen zu errichten. Nach dem Motto: Wo kommen wir denn hin, wenn sich jetzt auch noch Youtuber einmischen?! Sollten sie das, um mit Christian Lindner (FDP) zu sprechen, nicht besser Experten überlassen?
„Tabus“, begründet Uwe Alschner, selbst Vater von drei fast erwachsenen Kindern, „sind per se schwierig; wir müssen begründen können, warum ein Gedanke in seinen Konsequenzen nicht vorteilhaft ist.“ Und er weist auf einen wichtigen Teilaspekt hin. Denn wenn wir es als wichtig erachten, sich frei entfalten zu können, gibt es notwendige Beschränkungen. Schließlich hört die Freiheit da auf, wo die Freiheit des anderen beeinträchtigt oder gar eingeschränkt wird durch das, was man denkt, sagt oder macht.
Welche Werte sind uns wichtig?
Dies ist also eine spannende Frage: Wenn wir die Freiheit jedes Menschen als Wert sehen, welche Werte sind darüber hinaus wichtig? Jeder Mensch ist ja frei, solange er die Konsequenzen für sein Tun zu tragen in der Lage ist. Oder um abschließend mit Uwe zu sprechen: „Denn tut er das nicht, wäre ein Mensch frei von Verantwortung und das wäre nur dann ein Wert, wären wir allein auf der Welt.“
Fotos: privat und pixabay