Entmurmeln? Ja, holt sie raus!
Die 2. Ohfamoose Unkonferenz hat begeistert. Was da binnen weniger Stunden inhaltlich im Raum stand: Das war viel – und wie sagte es eine Teilnehmerin so schön: „Es war so echt.“ Wir werden Donnerstag ausführlich berichten. Heute lassen wir die jüngeren Teilnehmer zu Wort kommen – Elke hat sich Mascha und Niklas geschnappt und die beiden Studenten befragt. Haben „die Alten“ ihnen etwas Neues vermitteln können und glauben sie, die AfD sei zu entmurmeln?
Die 2. Ohfamoose Unkonferenz ist zu Ende, was ist bei Euch hängen geblieben?
Mascha: Ich fand es sehr schön, dass wir uns trotz Altersunterschieden auf Augenhöhe begegnet sind. Das habe ich so noch nicht erlebt. Jeder Einwand wurde respektiert und konnte diskutiert werden. Wir wurden nicht abgetan nach dem Motto: Ihr habt ja keine Ahnung, weil ihr jung seid.
Ihr habt Euch also unter „den Alten“ durchaus als „Profis“ gefühlt? 🙂
Mascha: Ja, irgendwie schon – und das war sehr bestärkend.
Niklas: Was bei mir hängen bleibt, ist: Keine Einstellung wurde grundsätzlich abgelehnt. Man konnte alles sagen, ohne dass man darauf achten musste, was man sagt. Das lag natürlich auch daran, dass die Grunddenkrichtung bei allen ungefähr die gleiche war…
Wobei ich da schon größere Unterschiede sehe! Als Du, Mascha, im Klimaschutz-Workshop von der „wohlmeinenden Diktatur“ als Möglichkeit gesprochen hast – da ist Detlef Untermann gehörig erschrocken … Was meinst Du genau damit? Wolltest Du provozieren?
Mascha: Ja, ein bisschen schon. Und auch um einfach mal zu inspirieren. Unsere Generation regt sich darüber auf, dass unsere Politik viel zu langsam entscheidet. Dass eigentlich, wenn man es provokant sagt, nichts passiert. Und dann redet man in der Uni über Folgendes: Wenn China klimaneutral werden will, dann passiert das super schnell – denn die haben eben eine Diktatur; und wenn der Typ an der Spitze sagt: Wir machen das, dann wird das gemacht.
Aber leben möchtest Du in China nicht?
Mascha: Genau, ich wollte auch nicht implizieren, dass ich das so will. Aber mal alternativ denken.
Niklas: Mal außerhalb der normalen Strukturen zu denken, darauf kommt es doch an! Denn „die Alten“ arbeiten ja nach dem bekannten Schema, nach dem Motto: Schema F hat damals funktioniert, das wenden wir also auf die modernen Probleme an… Aber das funktioniert halt nicht immer.
Hat Euch inhaltlich etwas grundlegend überrascht – z.B. im Workshop über Wahrheit und Lüge? Also konnten Euch die alten Hasen etwas vermitteln, wo Ihr so noch nicht drüber nachgedacht habt?
Mascha: Uns ist schon klar, wie erschreckend es ist, wieviel heutzutage in der Gesellschaft über Lüge erreicht werden kann. Wir sind ja in den sozialen Medien unterwegs, viele Fake News sind uns bewusst. Was mir neu war, ist die Information, dass wir auch bei Quellen wie DIE ZEIT genauer hinsehen sollten. Denn in der Schule oder auf der Uni wird immer gesagt: Es gibt bestimmte Quellen, denen kann man vertrauen. Dass man auch Quellen, wie eben diese Wochenzeitung, kritisch beurteilen sollte, war mir so nicht klar.
Eine Frage war auch: Wie erreicht man eigentlich die Leute, die jetzt auch mittels der Fridays for Future-Bewegung politisiert sind? Wie geht es nun weiter? Die politische Ebene hat begriffen, dass sie mehr tun muss. Und was folgt? Haltet ihr da einen Vorschlag wie den, noch viel jüngere Menschen, z.B. Grundschüler, einzubeziehen, für realistisch?
Niklas: Zur Problemlösung ja. Denn junge Menschen haben den Vorteil, dass sie sich mit den Problemen weiter entwickeln oder, siehe Stichwort „Wohlmeinende Diktatur“, mal anders denken. Sie haben noch kein Problemlöseschema im Kopf, weil es sich erst aufbaut. Das ist jetzt hilfreich und sinnvoll.
Auch um eventuell ein Narrativ aufzusetzen, das in eine positive Richtung zielt – und eben nicht Angst und Schrecken an die Wand malt?
Mascha: Ist schwierig. Angstmache ist erst mal nichts Gutes, aber die Wahrheit auszublenden, nur weil man sie nicht hören möchte, wäre auch nicht richtig. Da muss man ein gutes Zwischending finden.
Niklas: Man könnte es vielleicht auf etwas ganz Primitives runter brechen: Im Mittelalter hat die Kirche Angst gemacht, dass der Weltuntergang naht. Dementsprechend war die Stimmung untereinander. Letztlich ist nichts passiert, aber heute wissen wir: Es wird etwas passieren, das ist wissenschaftlich bewiesen. Doch jetzt eine Weltuntergangsstimmung hervorzurufen, wäre eine Blockade. Denn wer aus Angst handelt, handelt selten richtig.
Und vor allem handelt er oder sie nicht so, dass andere gern mit ins Boot kommen, was ja wichtig ist, um etwas zu verändern…
Niklas: Genau, wenig charismatisch und wenig effektiv.
Würdet Ihr noch mal auf so eine Unkonferenz gehen? Und wenn ja, was könnten wir verbessern?
Niklas: Würde ich, ja! Was verbesserungswürdig ist: Mehr darauf zu achten, dass man nicht vom Thema abdriftet. Im Freiheits-Workshop zum Beispiel wurde sehr lange über die AfD diskutiert. Klar, gehört dazu, ist aber nicht der Hauptaspekt. Denn wenn man über Freiheit nachdenkt, denkt man ja nicht in erster Linie darüber nach, was falsch läuft. Ausgiebiger würde ich darüber sprechen, was gut läuft. Ein Moderator pro Workshop wäre vielleicht gut um darauf zu achten, wenn das eigentliche Thema aus dem Blick gerät.
In der Diskussion gab es Begriffe, die mir neu waren. Neben der wohlmeinenden Diktatur gab es den Appell von der „Entmurmelung“ der AfD, den Rotger Wesener geprägt hat… Nach dem Motto: Zerpflückt Ihren Themenstrauß! Greift hinein wie in eine Murmel-Box, entmurmelt ihr Nest. Murmel für Murmel anschauen und bearbeiten. Nur die widerwärtigen drin lassen, die so abstoßend sind, dass sie keiner will. Damit klar wird, welcher Dreck zurück bleibt. Die These war, so könne man sie entzaubern und nähme viel Angst raus. Zielführend?
Mascha: Ja. Denn die Themen, die sie ansprechen, da muss ja was dran sein, sonst würden sie nicht gewählt.
Wichtig ist: Das, was bewegt, raus zu filtern. (Mascha, 21)
Niklas: Ich würde das auch auf die Personen beziehen! Ich denke: Viele AfD-Politiker sind in dieser Partei, weil ihnen vieles stinkt, was den Wählern auch stinkt. Sie haben vielleicht gar keinen faschistischen Hintergrund.
Mascha: Einer sagte es doch gestern so schön: Ihm würde es Spaß machen, in die AfD einzutreten. Einfach mal um zu schauen, was da abgeht.
Um Krawall zu machen?
Niklas: Ich behaupte: Da gibt es gute Politiker ohne faschistischen Kern. Die nur etwas anders machen wollen.
Warum holt man die nicht raus? (Niklas, 22)
Vielen Dank für das interview!
Text und Fotos: Elke Tonscheidt
Übrigens: Gastautor Uwe Alschner plädiert seit einiger Zeit dafür, die Plattform FACEBOOK nicht mehr zu nutzen. Uwe ist selbst Blogger, hat Facebook selbst viele Jahre genutzt, appelliert jedoch nun: „Prüft, ob Ihr dieses Medium weiter nutzen müsst/wollt – oder ob es ein Aucdruck von Freiheit ist, Facebook eben nicht mehr zu nutzen.“ Mehr dazu hier.