Rettet die Bäder, rettet die Kinder
Könnt Ihr euch noch an frühere Schwimmkurse erinnern? Wenn unsere heutige Gastautorin an ihren ersten Schwimmkurs zurückdenkt, hat sie „direkt den Pommes- und Chlorgeruch in der Nase und das leckere Trinkpäckchen, was es danach im Auto gab“. Leider ist das Thema weniger witzig. Denn: Immer mehr Schwimmbäder schließen und immer weniger Kinder lernen schwimmen. Warum, erklärt Andrea Teichmann – sie heißt wirklich so 🙂 – im folgenden Beitrag.
So war es früher: Ich hatte tolle Schwimmlehrer, bei denen ich schnell schwimmen lernte. Ich war damals erst dreieinhalb Jahre alt, machte das Seepferdchen und konnte dann direkt in ein anderes Schwimmbad wechseln, um zweimal in der Woche zum Schwimmtraining zu gehen. Da gab es noch viele Schwimmkurse.
So ist es heute: Leider ist es überhaupt nicht mehr selbstverständlich, dass Eltern ihr Kind zu Schwimmkursen anmelden und direkt einen Platz bekommen oder das nächste Schwimmbad mit dem Fahrrad zu erreichen ist.
Und so erstaunt mich auch nicht, als ich vor ein paar Wochen in den sozialen Medien las: Da stehen Eltern morgens um sieben Uhr Schlange, um ihr Kind zu einem Schwimmkurs anzumelden. Zuerst war ich verblüfft und im nächsten Satz dachte ich:
„Tja und das sind die Folgen der Bäderschließung“
Seit über zwanzig Jahren arbeite ich als Kursleiterin für Babyschwimmen, Anfängerschwimmen und Aquafitness und ehrenamtlich als Rettungsschwimmerin bei der Deutschen-Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG). In meinem Wasseralltag erlebe ich immer wieder brenzlige Situationen, zeitgleich werden aber Schwimmbäder geschlossen und Schwimmunterricht gestrichen. Darum wundert es mich nicht, dass Eltern dann schon in aller Herrgottsfrühe anstehen, um für ihr Kind einen Schwimmkursplatz zu ergattern.
Die DLRG hat 2018 die Petition „Rettet die Bäder!“ gestartet, denn laut ihrer Statistiken sind in den vergangenen 17 Jahren durchschnittlich jährlich 80 Schwimmbäder geschlossen worden. In Nordrhein-Westfalen hat die Deutsche Gesellschaft für das Badewesen (DGfdB) ausgerechnet: Ein Viertel der Schwimmbäder, die es 2000 noch gab, sind verschwunden. Zwar gibt es noch 1050 Schwimmbäder und damit mehr als in jedem anderen Bundesland, aber auch diese Zahl wird den nächsten Jahren immer mehr sinken.
Schwimmkurse für große und kleine Wasserratten
Auch ich kann ein Lied davon singen bzw. bin Profi im „Schwimmbad-Ausräumen“. Ja genau, Aus- nicht Einräumen. Vor sechs Jahren habe ich Aqua Fun Aktiv gegründet. Mit meinem Team veranstalte ich Schwimmkurse für kleine und große Wasserratten, wie Babyschwimmen, Anfängerschwimmen und Aquafitness. Zwei Schwimmbäder, in denen wir unsere Kurse gegeben haben, sind wegen zu starkem Renovierungsbedarf und Insolvenz geschlossen worden. Bei der ersten Schwimmbadschließung war ich geschockt, denn ich hatte nicht damit gerechnet. Ein zwar altes Bewegungsbecken, aber immer stark genutztes Schwimmbecken schließt, weil die Kosten höher sind als die Einnahmen.
Bei der zweiten Schließung ging es sogar um die Existenz meines Unternehmens und zehn Arbeitsplätze, weil wir dann keine Wasserkurse mehr hätten veranstalten können. Zwischendurch überlegte ich sogar ein eigenes Schwimmbad zu bauen, aber die finanziellen Mittel und die vielen behördlichen Auflagen schrecken mich persönlich ab. Durch viel Glück haben wir ein privates Bewegungsbecken gefunden, in dem wir unsere Kurse geben dürfen.
Viele Kinder können nicht mehr schwimmen
Früher war es normal, dass Kinder spätestens in der Schule schwimmen konnten. Mittlerweile können viele Kinder das nicht mehr. Warum nur? Ich sehe folgende Hauptgründe. Neben den wenigen Schwimmbädern und den damit verbundenen langen Anfahrtswegen, haben die Lehrer zu große Klassen, um einen soliden Schwimmunterricht abzuhalten. Wenn ich mit meinen vier Kindern im Alter zwischen eins und acht privat schwimmen gehe, bin ich nach dem Schwimmbadbesuch erschöpft und freue mich auf die Zeit, wenn alle im Bett liegen und schlafen.
Als Lehrer mit einer Gruppe von 30 Jungen und Mädchen schwimmen zu gehen, wovon sich viele gerade nur über Wasser halten können, ist in vielen Schulen Realität.
Und so überrascht es nicht, dass auch das traurige Realität ist: In den letzten Jahren ist die Zahl der Badeunfälle stark gestiegen.
Ertrinken ist laut DLRG Statistik bei ein- bis fünfjährigen Kindern die häufigste Todesursache.
Umso wichtiger ist es, dass Eltern mit ihren Kindern regelmäßig schwimmen gehen. Dass das schon im Babyalter super geht, hat sich mittlerweile rumgesprochen. Gemeinsames Planschen und Spielen schafft Vertrauen mit dem Wasser. Wichtig ist, dass diese Phase spielerisch abläuft.
Mein Tipp ist jedoch: Mit der Wassergewöhnung bereits zu Hause anfangen. Denn wer sein Kind an das Element Wasser heranführen möchte, muss nicht wöchentlich ins Schwimmbad fahren. Neben Duschen und Baden, kann man sein Baby auch mal im Waschbecken planschen lassen oder im Sommer einfach eine große Schüssel Wasser nach draußen stellen.
Und noch ein Tipp: Erklärt Euren Kindern bereits frühestmöglich die Baderegeln! Leider werden genau diese im Alltag schnell vergessen – und dann wird es gefährlich. Die meisten Menschen glauben, dass Ertrinken wie im Film aussieht. Aber die häufigsten Badeunfälle passieren völlig lautlos. Ertrinkende Menschen können keine Hilfe rufen, weil der Körper zunächst sicherstellt, dass die Atmung funktioniert. Wasser ist ein gefährliches Element, daher finde ich es wichtig, dass sowohl Eltern und Kinder die wichtigsten Baderegeln kennen.
Und dass Eltern ihre Kinder beim Schwimmen beaufsichtigen, statt permanent ihren Blick auf das Handy zu richten.
Und wo ich gerade schon etwas in Fahrt bin: Oft werde ich gefragt, wann Kinder sicher schwimmen können. Viele Eltern glauben tatsächlich, dass das Seepferdchen-Abzeichen ausreicht. Liebe Eltern, nein, das ist leider nicht so. Sichere Schwimmkinder haben mindesten das Schwimmabzeichen Bronze.
Gastautorin Andrea Teichmann ist Gründerin von Aqua Fun Aktiv. Zusammen mit ihrem Team bietet sie Wasser-& Landkurse für Kinder, Schwangere und Familien in Mönchengladbach, Korschenbroich und Jüchen an. Vom Babyschwimmen über die Krabbelgruppe bis zur Aquagymnastik für (auch schwangere) Mamas sowie Schwimmkurse und Fitnesstraining auf dem Wasser ist alles dabei.
Seit über zwanzig Jahren leitet Andrea als Fachübungsleiterin für Orthopädie, Aquagymnastik für Schwangere, Aquarückbildung und Gesundheitstraining für Kinder die verschiedensten Kurse, in denen sie ihre Wasserbegeisterung an kleine und große Wasserratten weitergibt. Neben der Kursleiterseite kennt sie auch die Rettungsschwimmerseite, da sie schon lange in der DLRG als Rettungsschwimmerin ehrenamtlich arbeitet. Als vierfache Mutter versteht Andrea die Ängste und auch die Unsicherheit, die man mit einem Baby im Wasser hat. In ihrem Elternratgeber „Wasser-Wonne – Schwimmen mit kleinen und großen Babys“ verrät sie Tipps und Tricks, wie aus kleinen große Wasserratten werden.
Bildquellen: Arjen Mulder von Aqua Baby Deutschland und Tanja Deuß von Knusperfarben
Ca. ein halbes Jahr ist her. Für mich war es selbstverständlich die o.g. Petition zu unterschreiben. Ein tief in mir verwurzeltes empfinden ist eindeutig PRO Wasser. Ich habe mühsam gelernt, auch in der Schule (Sek. I), wurde auch ein wenig gehänselt. Heute bin ich natürlich froh, dass ich es so gut kann und auch Wasser ‚verstehe‘ (vgl. Baderegeln).
Ich halte es für ein Kulturgut und eine Art Überlebensgrundlage Schwimmen zu können. Wir sind eben keine Fische, aber wir brauchen auch nicht grundlos zu ertrinken. JedeX sollte es können!!! Doch möchte ich gerne Andrea’s Aussage zum gefährlichen Wasser relativieren: Respekt haben, einschätzen lernen finde ich sehr versöhnlich.
Ein Aspekt für den ich besonders ‚werben‘ möchte (er ist sonst nur in Andrea’s Vita versteckt): wir Büromenschen können wunderbar fast-Schwerelosigkeit besonders in Verbindung mit Sauna erleben! Mmmhhh!!! Ich kenne kein anderes Element das dies ermöglicht.