Ruprecht Polenz im Interview
Ruprecht Polenz – ein Politiker, der gern sowohl als Elder Statesman als auch „Junge-Leute-Flüsterer“ bezeichnet wird. Letzteres besonders aufgrund seiner social media-Affinität. Er zeigt klare Kante und ist für Elke, die ihn aus alten Bonner Zeiten kennt, ein Fels in der politischen Brandung. Selten geworden in der CDU… Was denkt dieser Einflüsterer über die derzeitige Lage in der einst großen Volkspartei? Und warum unterstützt er eindeutig das Gespann Armin Laschet/Jens Spahn?
Herr Polenz, wie fühlen Sie sich derzeit in der CDU? Sie hatten schon schlimme Bauchschmerzen ob des öffentlichen Eindrucks, den die schrumpfende Volkspartei macht, oder?
Ruprecht Polenz: Ich bin seit 48 Jahren in der CDU. Da gab es viel auf und ab. Die CDU ist derzeit in einer schwierigen Lage. Aber ich bin sicher: wir können sie bewältigen. Wir müssen die Thüringen-Krise lösen. Wir müssen eine neue Führungsspitze wählen, die sich anschließend auf die Loyalität der gesamten Partei stützen kann. Wir müssen das Lebensgefühl vor allem in den Großstädten wieder besser treffen, wie das schlechte Wahlergebnis in Hamburg nochmal in aller Deutlichkeit gezeigt hat. Wir brauchen mehr junge Mitglieder, mehr Mitglieder mit Migrationshintergrund und über alle Altersgruppen mehr Frauen in der CDU, damit wir Volkspartei bleiben.
Auch ich bin überzeugt: Ein Aufbruch für Deutschland muss her. Mehr als ein Ruck, der zu Herzogs Zeiten nötig war. Morde wie in Hanau oder Kassel kommen nicht aus dem Nichts. Was muss ein neuer CDU-Vorsitzender hier als Erstes dringend tun?
Er muss Zuversicht verbreiten und für Zusammenhalt sorgen. Der völkisch-nationalistische Ruf nach Ausgrenzung darf kein Echo finden. Die Qualität einer Gesellschaft bemisst sich auch danach, wie sie mit ihren Minderheiten umgeht.
Sie haben sich bereits deutlich positioniert – etwas, was ich an Ihnen schätze, die klare Kante. Sie sagen genau, für was Sie stehen. Wie muss sich Ministerpräsident Armin Laschet, sollte er Vorsitzender werden, der Öffentlichkeit gegenüber verhalten? Wir haben ja gerade sehen, dass Saarbrücken nicht Berlin ist…
Armin Laschet braucht hier keine öffentlichen Ratschläge von mir. Er beweist in Nordrhein-Westfalen, dass er Zuversicht verbreiten und Zusammenhalt stiften kann. Sein Führungsstil ist modern. Führungskompetenz bedeutet nicht, dass da einer ist, der sagt, wo es lang geht. Hierarchie in diesem Sinn ist von gestern. Moderne Führung bindet andere starke Persönlichkeiten ein, motiviert sie und sorgt so für eine gemeinsame, gute Leistung.
Mit NRW ist das ein bisschen wie in dem Song über New York von Frank Sinatra: If you can make it there …
Warum sind Sie zudem für Laschet/Spahn?
Armin Laschet steht mehr für die liberale CDU und ihre sozialen Überzeugungen, Jens Spahn eher für die konservativen Werte unserer Partei. Alle diese Strömungen müssen zusammengeführt werden, wobei das „C“ die Richtung vorgibt. Dafür ist Armin Laschet an der Spitze im Team mit Jens Spahn meines Erachtens am besten geeignet. Jens hat persönliche Ambitionen zurückgestellt, um sich in den Dienst der Partei zu stellen. Das rechne ich ihm hoch an. Ich bin sicher, die beiden werden auch persönlich gut harmonieren.
Warum ist Friedrich Merz nicht zu unterschätzen – und spielt Norbert Röttgen nur eine Außenseiterrolle?
Die CDU braucht auch Friedrich Merz und Norbert Röttgen. Merz wegen seiner Kompetenz in der Wirtschafts- und Finanzpolitik. Norbert Röttgen ist der herausragende Außenpolitiker der CDU und steht als ehemaliger Umweltminister wie kaum ein anderer für eine ökologisch-soziale Marktwirtschaft.
Sie sagen bewusst ökologisch-sozial – und nicht anders herum? Wenn ja, warum?
Der Rahmen, in dem sich alles Wirtschaften und unser ganzes Leben abspielt, ist die endliche Erde mit ihren interdependenten Ökosystemen. Wir dürfen nicht länger so tun, als hätten wir für Ressourcenverbrauch oder die Entsorgung der Emissionen mehrere Planeten zur Verfügung. Marktwirtschaften zeichnen sich dadurch aus, dass sie sehr sparsam mit Ressourcen umgehen, wenn dafür ein Preis bezahlt werden muss. Das war bisher z.B. bei CO2-Emmissionen nicht der Fall mit den bekannten Folgen für die Erderhitzung. Soziale Marktwirtschaft bedeutete eine Abkehr vom Manchester-Kapitalismus und wurde durch Ludwig Erhard zum Markenzeichen der CDU, dem seitdem gerade in Wirtschaftsfragen eine besondere Kompetenz attestiert wird. Jetzt muss uns das für unser neues Markenzeichen „Ökologische Soziale Marktwirtschaft“ gelingen.
Die von Ihnen ja auch sehr geschätzte Karin Prien (für mich übrigens DIE CDU-FRAU für das Berliner Team…) sagt mit Blick auf Thüringen: »Die Union wird sich von ihrem Dogma lösen müssen«. Wie ist Ihre Meinung dazu?
In Thüringen hat die Linkspartei 29 und die AfD 21 der 90 Sitze. Das bedeutet, ohne jeweils eine der beiden Parteien gibt es im Landtag keine Mehrheit für irgendetwas. Es bleibt richtig, dass die CDU eine politische Zusammenarbeit sowohl mit der AfD als auch mit der Linkspartei – aus jeweils anderen Gründen – ausschließt. Trotzdem darf das nicht dazu führen, dass die CDU angesichts der Mehrheitsverhältnisse die eigene Politik einstellt. Es ist leider nicht auszuschließen, dass sich die Mehrheitsverhältnisse in anderen Landtagen, z.B. in Sachsen-Anhalt, in Zukunft ähnlich darstellen. Mit dieser Lage muss sich die CDU strategisch auseinandersetzen.
Wie sollte sie das am besten tun?
Wie es z.B. auch der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther vor längerer Zeit gefordert hat, leider vergeblich. Bei diesen Überlegungen müsste eine Rolle spielen, dass sich die Linkspartei seit den SED-Zeiten bis heute eher auf unsere Demokratie zu bewegt hat (obwohl noch viel zu tun ist), während die AfD sich seit ihrer Gründung immer weiter radikalisiert. Heute kann niemand mehr von einem Höcke-Flügel sprechen. Gauland hat richtig gesagt: Höcke ist heute die Mitte und Seele der AfD. Mit einer faschistischen Partei kann es für Christdemokraten keinerlei Zusammenarbeit geben.
Jasper von Altenbockum hat es in der FAZ auf den Punkt gebracht: Die CDU sollte merken, dass die AfD zwar die Cholera ist, die Linke aber nicht mehr die Pest.
Vielen Dank für das Interview!
Fotos von Polenz: Oliver Tjaden ; Foto CDU: Frank Ossenbrink