Pfandleihhaus – eine Alternative zur Bank?
Pfandleihhaus, kennt ihr den Begriff noch? Ich denke da an ein Haus in Gießen, in der Bahnhofstrasse: alt, verstaubte Fenster mit einem Sammelsurium von altem Schmuck und anderem Krimskrams – ein bisschen gruselig. Die Pfandleihe lag auf meinem Schulweg. Danach habe ich den Begriff 45 Jahre nicht mehr gehört.
Bis mir meine Cousine berichtet, dass sie seit einiger Zeit in einem Pfandleihhaus arbeitet. Ziemlich überrascht und erstaunt höre ich ihr zu, als sie erzählt, dass sie zudem eine gesonderte Fortbildung in Waffenfachkunde absolviert hat und jetzt eine Waffenhandelslizenz besitzt. „Was hat du, eine Waffenhandelslizenz?“ Ich dachte, ich hätte mich verhört, aber nein, die Ex-Bankerin nickt mir lächelnd zu. Sie brauche das für ihre Arbeit im Pfandleihhaus, da dort auch Waffen als Pfandgut angenommen würden, was nur unter Auflagen und mit einer gesonderten Genehmigung möglich sei. Ich war erst mal sprachlos, dann aber sofort neugierig – und habe sie prompt an ihrem neuen Arbeitsort besucht.
Das Pfandleihhaus Gießen
Das Pfandleihhaus Gießen liegt in einem Industriegebiet, ein bisschen außerhalb der Stadt, gleich neben einem Taxiunternehmen. Parkplätze gibt es zuhauf. Ich parke und stehe vor verschlossener Tür, es wirkt zunächst etwas abweisend. Als ich die Klingel betätige, wird mir geöffnet und ich trete in einen hellen, freundlichen Schalterbereich. Hinter der Panzerglasscheibe winkt mir meine Cousine Nina zu und deutet auf eine weitere Tür. Auch hier werde ich hineingebuzzt, da sich an der Tür keine Klinke befindet.
Durch einen kleinen Vorraum gelange ich in den Bereich hinter die Panzerglasscheibe und bin – enttäuscht. Kein Krimskrams, kein wildes Durcheinander, sondern ein wohl organisiertes Büro mit Schalter, einem Schreibtisch und einem Computer. Das alles entspricht so gar nicht meiner bisherigen Vorstellung einer Pfandleihe. Nach unserer Begrüßung beginnt Nina zu erklären, was das Pfandleihhaus alles macht und warum ihr die Arbeit hier so viel Spaß macht.
Nicht ohne Vorbehalt
Als Bankerin zunächst auch nicht ohne Vorbehalten gegenüber der Pfandleihe, hat sie die Tätigkeit des Pfandleihhauses Gießen näher kennengelernt, als der Eigentümer sie mit dem Aufbau einer Datenbank für die Verwaltung der Pfandgegenstände und Pfanddarlehen beauftragte. Dafür war es notwendig, die organisatorischen Abläufe und Anforderungen an die Prozesse kennenzulernen. Die Auseinandersetzung mit dem tatsächlichen Pfandgeschäft hat ihre Sicht auf diesen Berufszweig dann grundlegend geändert.
Gerade dass die Abwicklung der Pfandgeschäfte immer auf Augenhöhe erfolgt und keine Offenlegung der wirtschaftlichen Verhältnisse bis auf den letzten Euro notwendig ist, hat die gelernte Bankerin überzeugt.
Diskrete Abwicklung
Sie erzählt, dass Menschen aus ganz unterschiedlichen gesellschaftlichen Schichten den Weg ins Pfandleihhaus finden, denn hier werden sie diskret und ohne formellen Aufwand, wie z.B. einem Einkommensnachweis oder einer SCHUFA-Auskunft, bedient. Nur den Personalausweis muss man dabeihaben. Das Pfanddarlehen wird dann sofort in bar ausbezahlt.
Es kommen auch gerade ältere Menschen zu uns, die bei einer Bank gar keinen Kredit mehr bekommen.
„Bei uns können sie das von ihnen bereits erarbeitete Vermögen (das Pfandgut) als Sicherheit nutzen,“ erklärt Nina. „Anderen ist es lästig, sich bei einem vorübergehenden Liquiditätsbedarf bei der Bank der langen Prozedur einer Kreditvergabe zu unterziehen. Bei uns ist das viel einfacher und schneller. Zentral ist die Prüfung der Werthaltigkeit des Pfandgegenstands und die Ermittlung des Pfandbetrags, der verliehen werden kann. Wofür oder warum der Kunde das Geld benötigt, ist nicht relevant. Oft erzählen die Kunden uns dies zwar trotzdem, aber es ist keine Voraussetzung für die Beleihung.“
Wofür oder warum der Kunde das Geld benötigt, ist nicht relevant.
Dabei richtet sich die Höhe der Beleihung des Pfandguts danach, wie diese im Zweitmarkt gehandelt wird, und wie die Marktschwankungen eingeschätzt werden. Je nach Art des Pfandguts könnend die Abschläge auch mal über 50% betragen. Bei wertstabilen Pfandgegenständen ist aber auch eine höhere Beleihung möglich.
Durch die Verpfändung erzielt der Kunde also nicht so viel, wie der Verkauf der Gegenstände bringen würde, aber dafür erwirbt das Pfandleihhaus auch kein Eigentum an den Pfandgütern. Der Kunde kann seine Wertgegenstände jederzeit wieder auslösen. Wenn Pfandgegenstände bis zum Ende der Laufzeit des Pfandscheins (3 Monate) nicht abgeholt werden, sind sie auch nicht automatisch Eigentum der Pfandleihe. Sie müssen in diesem Fall von einem öffentlich bestellten Versteigerer oder Gerichtsvollzieher versteigert werden.
Gold, hochwertige Uhren und Schmuck sind die gängigsten Pfandgüter
Zu den gängigen Pfandgütern gehören Dinge wie Schmuck, hochwertige Uhren, Gold, Münzsammlungen. Da das Pfandleihhaus auch über die Möglichkeit verfügt, größere Pfandgüter gesichert zu verwahren, können hier auch Kraftfahrzeuge (PKWs, LKWs, Wohnmobile, Motorräder, Wohnwagen) und sogar Boote auf Hängern als Pfand hinterlegt werden.
Doch nicht nur Privatpersonen nutzen die Pfandleihe, auch Handwerker und Geschäftsleute zählen zu den Kunden. Marc Derwort, der Besitzer der Gießener Pfandleihe kennt sich in diesem Bereich besonders gut aus, denn bevor er das Pfandleihhaus Gießen 2012 eröffnete, war er in der Immobilienbranche tätig. Mit seiner Firma sanierte er Altbauten. Seine Erfahrung und Kenntnis der Handwerksbranche helfen ihm jetzt maßgeblich, wenn ihm Baumaschinen als Pfand angeboten werden.
Es gibt allerdings auch Dinge, die im Pfandleihhaus Gießen nicht beliehen werden. Dazu zählen vor allem Computer, Handys und jede Art von Unterhaltungselektronik, also Geräte, die sehr schnell an Wert verlieren und daher als Pfandgut zu risikoreich sind.
Der Pfandkredit ist einfach, sicher und seit 1961 staatlich geregelt
„Aber wie verdient eine Pfandleihe ihr Geld?“, frage ich Nina und erfahre, dass der Pfandkredit verzinst wird. Zinsen und Gebühren sind am Ende der Pfandlaufzeit von 3 Monaten oder bei vorheriger Auslösung des Pfandguts zu zahlen. Dabei ist die Höhe die Zinsen und Gebühren gesetzlich geregelt und richten sich nach der Höhe des Pfanddarlehens.
Bei einer Kredithöhe von 300 Euro sind z.B. Zinsen in Höhe von einem Prozent und Gebühren von 6,50 pro Monat gesetzlich vorgeschrieben. Bei höheren Summen variiert die Höhe der Gebühren. Die Staffelung kann man sehr transparent aufgelistet auf der Homepage der Pfandleihe einsehen. Die konkret anfallenden Kosten werden zudem in jedem Pfandschein explizit aufgeführt, so dass diese dem Kunden vor Abschluss des Geschäfts bekannt sind.
Hinter den Kulissen
Nach all diesen Informationen bin ich fast ein bisschen erschlagen, brenne aber natürlich darauf, hinter die Kulissen zu schauen. Denn noch immer beschäftigt mich die Frage, warum Nina denn diesen Waffenlehrgang gemacht hat. Und dann ist es soweit, ich darf durch eine weitere Tür in den abgesicherten Bereich der Pfandleihe. Photos sind hier aus Sicherheitsgründen nicht erlaubt, aber ich fühle mich wie in Fort Knox. Tresore zur Linken, Regale mit abschließbaren Kassetten, Fahrräder, Kameras und Maschinen zur Rechten – und dann stehen wir wieder vor einer riesigen Safetür.
Diesmal ist der „Safe“ ein Raum und begehbar. Und als ich um die Ecke linse, bin ich ein bisschen erschrocken. In dem Safe befinden sich in langen Reihen: Waffen. Langsam dämmert es mir, warum Nina diese Waffenausbildung gemacht hat. Und tatsächlich erklärt sie mir, dass das Pfandleihhaus Gießen eines von nur drei Pfandleihhäusern in Deutschland ist, das die Genehmigung hat, auch Waffen als Pfandgut anzunehmen. Diese Beleihungen dürfen allerdings nur diejenigen Mitarbeiter durchführen, die dazu berechtigt sind und über eine entsprechende amtliche Zulassung verfügen. Diese wird nur erteilt, wenn die dazu nötige Ausbildung erfolgreich abgeschlossen wurde. Ah, das ist es also!
Nina zeigt mir sehr professionell, worauf es bei wertvollen Waffen ankommt. Oft sind es Sammlerstücke oder Jagdwaffen, die hier zu Geld gemacht werden und natürlich muss eine Waffe von einem Fachmann begutachtet werden und eben auch sicher aufbewahrt werden.
Neben der Beleihung von Waffen ist das Pfandleihhaus Gießen auch im Waffenhandel tätig. „Insbesondere bei der Abwicklung von Nachlässen werden wir gerne empfohlen, weil wir die Waffen direkt ankaufen und nicht nur auf Kommission nehmen, wie das sonst häufig üblich ist“, berichtet Nina.
Und noch mehr Service…
Und es gibt noch ein Angebot, das ich erwähnenswert finde. Ein Service, der gerade rapide verschwindet, seitdem immer mehr Bankfilialen ihre Türen schließen. Die Rede ist von einem Schließfach. Wer zuhause keinen Safe besitzt und seine Wertsachen sicher aufbewahrt wissen will, der ist bei der Pfandleihe ebenfalls goldrichtig. Denn hier werden Schließfachboxen vermietet und versichert aufbewahrt. Zum Ende des Rundgangs wird dann auch klar, wozu der kleine Raum am Eingang der Pfandleihe dient: hier können die Kunden allein und unbeobachtet ihre Schließfachbox öffnen.
Unerwartet neuer Blick auf die Pfandleihe als Alternative bei kurzfristigem Liquiditätsengpass
„Wir helfen Menschen aus kurzfristigen Notsituationen. Wenn man mal eben schnell Geld braucht, weil gerade ein unvorhergesehener Engpass entstanden ist, ist die Pfandleihe eine schnelle und diskrete Möglichkeit,“ erklärt Nina. Dabei hat sie besonders überzeugt, dass hier unabhängig von Pfandhöhe und sonstigen „Eckdaten“ immer ein gleichberechtigtes Geschäft abgeschlossen wird. Ihr macht die vielfältige Arbeit in der Pfandleihe viel Spaß, die immer abwechslungsreich ist und auch ein hohes Maß an Menschenkenntnis erfordert.
„Auch und gerade weil wir auch immer gegen die Vorurteile in der Gesellschaft anarbeiten müssen“, schließt sie mit einem Augenzwinkern.
Fotos: Sonja Ohly