Ich habe keine Angst mehr vor Corona!
„Die Welt ist ganz schön in Angst und Panik verfallen und wir haben gehörigen Respekt vor Covid-19, viele Menschen sogar wirkliche Angst.“ Schreibt der heutige Gastautor, Peter Voss, und er kann dies sehr gut verstehen. Offen beschreibt er seine ganz persönlichen Eindrücke, um ein wenig Hoffnung zu verbreiten und zu erklären, warum er jetzt keine Angst mehr vor Corona hat, zumindest nicht vor dem Virus. Vor was dann? Eine interessante Wandlung im Leben des Biologen und Familienvaters – und ein Appell gegen ein Leben in kollektiver Angst oder mit schräger Überwachung und sozialer Kontaktverboten.
Auch ich war lange Zeit in großer Sorge. Nicht etwa, weil ich selber offiziell zur Risikogruppe gehöre, sondern vor allen Dingen, weil ich in Sorge um meine Familie war. Anfang März, als ich anfing mich konkreter mit Covid-19 zu beschäftigen, konnte noch niemand ahnen, was auf uns zukommt.
Angst und Unsicherheit vor Corona
Nach dem, was man aus China gehört hatte, erwartete ich die Ausbreitung eines sehr schlimmen und todbringenden Virus. Ich weiß noch, als ich im Auto die Radionachrichten hörte und Herr Spahn sagte, dass wir uns keine Sorgen vor Covid-19 machen bräuchten, da es harmloser sei, als eine Grippe. Ich war mir sehr unsicher, ob man das Virus nicht deutlich unterschätzte. Ich war in Alarmbereitschaft und nahm mir vor, mir mein eigenes Bild zu machen und vorsichtig zu sein. Als Biologe und Biochemiker hatte ich schon immer ein Interesse an der Funktionsweise des Immunsystems und wie sich Viren, Bakterien und Immunsystem gegenseitig austricksen. Auch wie exponentielles Wachstum funktioniert, ist mir durchaus ein Begriff, und ich konnte daher auch ungefähr abschätzen, welche Aussagen zu voreilig getroffen wurden. Politiker haben es ja auch nicht leicht, Stellung beziehen zu müssen, wenn sie selber noch keine Ahnung von der Situation haben. Natürlich darf man dann auch nicht jede Aussage auf die Goldwaage legen. Ich verfolgte die Nachrichten und übertrug die Zahlen des Robert-Koch-Instituts (RKI) täglich in eine Tabelle, damit ich selber die Wachstumsraten nachvollziehen konnte. Denn die Wachstumsraten schienen mir in den Nachrichten manchmal etwas nachlässig angegeben zu werden. Ich erinnere mich noch gut, dass der Leiter des RKI, Herr Prof. Dr. Wieler, davon sprach, dass sich die Zahl der Infizierten alle 7 Tage verdoppeln würde, sich die Zahlen in meiner Tabelle aber bereits alle 3 Tage verdoppelten. Dabei ist der Unterschied bei exponentiellem Wachstum enorm. Wenn sich die Zahlen nämlich alle 3 Tage verdoppeln, dann steigen sie innerhalb von 7 Tagen bereits um den Faktor 6. Ich stufte daher das Wachstum und die Gefahr deutlich höher ein, als in den Nachrichten prognostiziert.
Ich befürchtete, dass die Ausbreitungsgeschwindigkeit deutlich unterschätzt wurde.
Hinzu kamen Horrormeldungen von überfüllten Krankenhäusern in Italien und ich war sehr verwundert, dass man so zaghaft war, Grenzen zu schließen und Großveranstaltungen abzusagen, denn bei der Ausbreitung von sehr ansteckenden Viren ist das Kind schnell in den Brunnen gefallen und die Ausbreitung quasi nicht mehr zu stoppen. Aber das Ziel, das uns in den Nachrichten präsentiert wurde, nämlich die Infektionskurve unter die Kapazitätsgrenze der Krankenhäuser zu drücken, sah ja auch gar nicht vor, die Ausbreitung des Virus zu verhindern. Daher war noch alles in Ordnung. Nur befürchtete ich, dass die Ausbreitungsgeschwindigkeit deutlich unterschätzt wurde.
Ich empfahl daher meiner Schwester am 15.3., von nun an nicht mehr ins Büro zu fahren, obwohl ihr Chef dies noch verlangte. Die Schulen waren ja bereits ab dem 16.3. geschlossen. Mein Arbeitgeber hatte die Büros bereits am 26.2. geschlossen. Nun, ja, die Politik reagierte dann doch sehr schnell und entschlossen und die Maßnahmen wurden sehr schnell sehr streng. Aus meiner Sicht eine gute Entwicklung.
Wie stelle ich mir ein gefährliches Virus vor?
Das Virus breitete sich schnell aus, aber die Frage nach der Gefährlichkeit war damit immer noch nicht beantwortet. Ich ging vom Schlimmsten aus, wie nun auch die Politik und deren beratende Wissenschaftler. Aber mit den Ausbreitungsraten konnte ich die Gefährlichkeit nicht einstufen. Auch die Sterblichkeitsraten der WHO waren nicht sehr aussagekräftig, da sie mit Zahlen berechnet wurden, die man nicht genau kannte. Die große Frage war nun: Wie viele Tote würden wir erleiden müssen? Wie gefährlich ist die Situation für uns wirklich?
Ich fing an mir vorzustellen, was ich von einem wirklich schlimmen Virus erwarten würde: Es würden viele Menschen sterben, sehr viele Menschen sogar. Irgendwann würde es auch Menschen aus der näheren Umgebung, der Nachbarschaft oder der eigenen Familie treffen. Ich stellte mir vor, welche Angst wir dann haben würden.
Aber zunächst blieb ich bei den Zahlen. Zahlen ergeben nur dann einen Sinn, wenn man sie in Relation setzt. Bei einem Virus z.B. in Relation zu anderen Viren oder der sonst üblichen Sterblichkeit. Es sterben ja jeden Tag Menschen an allen möglichen, auch ansteckenden Krankheiten, ohne dass wir deswegen Angst um unser Leben haben. Ich setzte mir eine einfache Marke: Vor 2 Jahren sind laut RKI bei der Grippewelle etwa 20.000 – 25.000 Menschen in Deutschland gestorben. Dies war eine besonders schlimme Grippe, die schlimmste seit Jahrzehnten. Ich setzte dies als einen Referenzwert. Die Grippe war außergewöhnlich schlimm, aber eine kollektive Angst oder Panik in der Bevölkerung gab es trotzdem nicht. Ich konnte mir durchaus vorstellen, dass bei einer wirklich schlimmen, neuartigen Krankheit wie Covid-19 ein Vielfaches an Opfern zu beklagen sein müsste. Vielleicht sogar Hunderttausende. Bis heute (11.5.) sind es zum Glück nur 7.417 geblieben. Nur aufgrund der strengen Maßnahmen? Wer weiß. Im Vergleich dazu sterben laut statistischem Bundesamt jedes Jahr 344.500 Menschen an Herz-Kreislauf-Erkrankungen, 227.600 Menschen an Krebs und 68.400 Menschen durch Krankheiten des Atmungssystems. Im Jahr sterben etwa 930.000 Menschen, das sind 2.500 am Tag. In dem Corona-Zeitraum von etwa 2 Monaten sind also statistisch gesehen 153.000 Menschen gestorben.
Erster Kontakt zu Covid-19
Als meine Frau im März einen grippalen Infekt bekam, war unsere Hausärztin sehr entspannt und meinte, dass es keine Rolle spiele, ob es Covid-19 wäre, denn Covid-19 wäre harmlos und sie solle einfach 2 Wochen zu Hause bleiben. Interessant. Ich grübelte, ob sie die Gefährlichkeit unterschätzte. Aber mir wurde auch klar, dass es eine unglaublich hohe Dunkelziffer an Infizierten geben musste, wenn man ein so geringes Interesse daran hatte, Menschen zu testen. Die Auflagen, unter welchen Umständen man getestet werden konnte, waren zu dem Zeitpunkt sehr hoch. Das bedeutete, dass auch die Gefährlichkeit des Virus viel geringer sein musste, als statistisch belegt.
Schließlich erkrankte ein guter Freund von mir und fast die ganze Familie wurde positiv auf Covid-19 getestet.
Der Verlauf war aber ausgesprochen harmlos. Auch konnte bei einer Tochter kein Covid-19 nachgewiesen werden, obwohl die beiden Töchter immer sehr engen Kontakt zueinander hatten und natürlich die ganze Familie unter einem Dach gemeinsam in Quarantäne war. Die ersten direkten Erfahrungen mit dem Virus beruhigten mich ein wenig. Mein Bild von einem Virus, bei dem ich mich nicht mehr auf die Straße traue, bröckelte. Covid-19 ist kein Ebola oder ähnliches.
Risikogruppen
Auch wurde immer deutlicher, dass schwere Krankheitsverläufe nicht nur, aber vor allen Dingen bei Menschen über 80 mit Vorerkrankungen auftreten. Wenn dies stimmt, dann spricht das für mich deutlich gegen einen außergewöhnlich gefährlichen Virus. Auch wenn es tragisch ist, wenn alte Menschen sterben, so ist dies ein natürlicher Lauf der Dinge.
Wenn man alt und krank ist, dann ist Covid-19 sehr gefährlich. Aber auch andere Krankheiten, wie Grippe, Magen-Darm-Infekte oder einfache Erkältungen können zum Tode führen.
Das ist seit jeher Teil unseres Lebens, ohne dass wir Angst davor haben. Und Pflegeheime fürchten auch immer schon Krankheitswellen jeglicher Art, ohne dass man sie deshalb als Isolierstationen betreibt. Das wäre ja auch gar nicht lebenswert für die Bewohner. Und seit jeher sind wir auch vorsichtig mit unseren Großeltern, wenn wir selber krank sind.
Diese Beobachtungen reichen mir, Covid-19 als ein Virus einzustufen, vor dem ich keine Angst (mehr) habe. Und damit meine ich nicht mich persönlich, sondern meine ganze Familie inklusive der älteren Menschen, die wie ich zur Risikogruppe zählen. Dies ist aber mein rein persönliches Gefühl und meine rein persönliche Einschätzung. Ich will nicht ein schlimmes Virus verharmlosen, denn das Virus würde mich nicht nach meiner Meinung fragen. Auch beobachte ich weiter und bin jederzeit bereit meine Meinung anzupassen, wenn es neue Erkenntnisse gibt, die aus meiner Sicht relevant sind.
Meine Analysen mache ich eigentlich nur für mich, um mich selber zu versichern, dass ich nicht gefährliche Fehler mache und mich und meine Familie ausreichend schütze. Aber ich möchte sie diesmal teilen, um Menschen zu beruhigen und sie vielleicht zum Nachdenken anzuregen. Jeder mag aber seine eigenen Schlüsse ziehen. Leider schürt die allgemeine Berichterstattung im Moment vor allen Dingen Ängste und trägt viele Negativ-Meldungen aus der ganzen Welt zusammen, ohne dass man das Große und Ganze wirklich versteht. Das ist psychologisch gesehen kein angenehmer Zustand.
Ich habe auch viele Menschen getroffen, die ähnlicher Meinung sind. Ich habe mehrmals von Ärzten gehört, die ihre Patienten nicht auf Covid-19 testen lassen, da sie Angst haben, ihre Praxis schließen zu müssen, wenn der Test positiv ausfällt. Auch diese Ärzte haben anscheinend mehr Angst vor den Folgen einer Diagnose als dem Virus selber.
Typische Gegenargumente
Es wurden mir auch schon viele Gegenargumente entgegengebracht, die mich nicht umstimmen konnten. Am häufigsten ist der Verweis auf Italien, Spanien oder New York. Ich habe mich nur an Italien orientiert, als ich noch keine Daten aus Deutschland hatte. Deutschland verstehe ich einfach am besten, denn ich weiß z.B., wie unser Gesundheitssystem funktioniert und was ich von ihm halten soll. Auch kann ich die Zahlen und Vorkommnisse z.B. aus New York oder Italien nicht ins Verhältnis zu irgendetwas setzen, da ich die örtlichen Verhältnisse nicht gut genug kenne und nicht weiß, wie z.B. andere Krankheitswellen typischer Weise gemeistert werden.
Sehr früh wurde aus New York berichtet, dass die Leichenhäuser überfüllt wären. Dies kam mir sehr zweifelhaft vor, da in einer Stadt von 20 Millionen Menschen auch sonst jeden Tag sehr viele Menschen sterben müssen. Ich vermutete, dass hier Journalisten eine gute „Story“ gefunden hatten, die gerne aufgegriffen wurde, aufgezogen an Einzelbeispielen innerhalb New Yorks, die nicht repräsentativ waren. Es kann natürlich auch sein, dass New York grundsätzlich sehr nah am Kapazitätslimit arbeitet und sehr schnell überlastet ist. Auch das würde mich nicht überraschen. Aber zum Glück ist unser Gesundheitssystem um Größenordnungen besser, als das der USA.
Dass man in Brasilien Menschen nun mit Baggern in Massengräbern beerdigt, kam mir ebenso verwunderlich vor, da auch dort die Anzahl der Toten im Vergleich zu den üblichen Toten sehr klein sein musste. Oder beerdigt man dort auch sonst Menschen auf diese Weise? Ich habe nicht recherchiert, was wirklich dran ist, aber ich stufte diese Horrorbilder für meine Bewertungen als irrelevant ein.
Der schlimmste anzunehmende Fall: Covid-19 auf Schiffen
Dann sagte mir jemand, dass auf einem Kriegsschiff die Hälfte aller Soldaten gestorben seien. Das war wiederum etwas, mit dem ich etwas anfangen konnte. Denn ein Schiff ist ja tatsächlich ein sehr spannendes Beobachtungsobjekt, da hier viele Menschen auf engstem Raum ohne Kontakt nach außen untergebracht sind. Hier würden sich höchste Reproduktionszahlen ergeben und man würde beobachten, was für Auswirkungen Covid-19 im schlimmsten Fall haben könnte. Aber die Zahlen des französischen Flugzeugträgers Charles de Gaulle sind durch das Stille-Post-Prinzip falsch weitergegeben worden. Tatsächlich sind von den 1.800 Besatzungsmitgliedern 1.081 Menschen positiv auf Covid-19 getestet worden. Das ist eine unglaublich hohe Durchseuchung von 60.000 Fällen pro 100.000 Personen. In Deutschland stufen wir im Moment 50 als Grenzwert ein, der nicht überschritten werden darf. Von den Infizierten mussten nur 3 Menschen intensivmedizinisch betreut werden und niemand ist gestorben. Das Virus, vor dem ich anfangs Angst hatte, hätte einem Großteil der Besatzung das Leben gekostet. Vielleicht hätte man sogar abwägen müssen, ob es nicht zu gefährlich wäre, das Schiff zu evakuieren.
Ähnliches gilt für das Kreuzfahrtschiff Diamond Princess, das natürlich keine durchtrainierten, jungen Marinesoldaten an Bord hatte. Hier haben sich von 3.600 Passagieren 712 Menschen infiziert (= 20.000 Fälle pro 100.000 Personen) und 13 sind gestorben. Das ist schon dramatischer, aber auch noch weit entfernt von einem Virus, der mich in höchste Alarmbereitschaft versetzt. Wie gesagt, auf einem Schiff gelten Extrembedingungen.
Ich bin mittlerweile davon überzeugt, dass Covid-19 ein normal „schlimmes“ Virus ist. Vielleicht schlimmer als eine Grippe, vielleicht auch nicht. Bisher habe ich den Eindruck, dass junge Menschen, die an Grippe erkranken, deutlich schlimmer getroffen werden, als von Covid-19. Und Grippe in einem Pflegeheim war auch immer schon eine Katastrophe. Aber dies ist keine wissenschaftliche Arbeit und nur mein persönlicher, momentaner Eindruck.
Krankenhauskapazitäten
Aber wie verhielt es sich mit unseren Krankenhauskapazitäten? Ich hörte von Krankenschwestern, die behaupteten, noch nie so wenig zu tun gehabt zu haben, wie im Moment, und leider auch von anderen, die auf Kurzarbeit gesetzt wurden. Da ich in den Nachrichten wenig über die Auslastung der Krankenhäuser erfuhr, schaute ich von nun an auch noch täglich in das DIVI-Intensivregister, in dem alle Krankenhauskapazitäten, die Belegung und auch die Anzahl der intensiv betreuten Corona-Patienten erfasst werden. Ich berechnete daraus die für Corona-Patienten zur Verfügung stehenden Intensivbetten und setzte sie ins Verhältnis zu den behandelten Corona-Patienten. Ich war erstaunt, dass die Auslastung im schlimmsten Fall nur bei 19,2% lag. Dies war am 15.4., dem Tag, an dem ich anfing, diese Zahl zu erfassen. Es ist gut möglich, dass die Auslastung in den ersten beiden Aprilwochen noch höher war. Am 15.4. gab es 24.834 Betten, von denen 11.611 Betten mit Nicht-Corona-Patienten belegt waren. Von den verbleibenden 13.223 Betten für Corona-Patienten waren nur 2.544 belegt. Dies war sehr beruhigend, denn es zeigt, dass unser Gesundheitssystem noch nicht so sehr im Mangel ist wie in anderen Ländern, wie z.B. Italien, Spanien oder die USA. Seitdem ist sowohl die Gesamtzahl der Betten auf 32.303 gestiegen, von denen im Moment 14.457 für Corona-Patienten zur Verfügung stehen, als auch die Anzahl der Corona-Patienten auf 1.589 gesunken, was einer Corona-Auslastung von nur noch 11% entspricht. Auch das beruhigt mich. Denn wenn Krankenhäuser überfüllt wären, dann wäre dies ein sehr schlimmer Zustand, da man dann Menschen abweisen müsste, die dringend Hilfe brauchen. Wir müssten dann (und auch wenn wir sonst zu nah an die Kapazitätsgrenze kommen) dringend in unsere Krankenhäuser investieren, um im Notfall besser gerüstet zu sein.
Was ist unser Ziel?
Nachdem am Anfang das Ziel klar war, nämlich unter der Krankenhauskapazität zu bleiben, ein Ziel, das wir zum Glück erfüllt haben, so ist nun gar nicht mehr klar, welches Ziel wir verfolgen. Nach wie vor bekommen wir jeden Tag die akkumulierte Zahl aller jemals positiv getesteten Covid-19 Personen präsentiert. Eine Zahl, die natürlich nur steigen kann und die dabei völlig irrelevant ist. Viel interessanter ist, wenn überhaupt, die Zahl der im Moment infizierten Menschen. Diese geht nach meiner Tabelle seit dem 4.4. kontinuierlich zurück, jeden Tag um etwa 6%. Am 11.5. hatten wir nur noch 14.382 Infizierte, tags zuvor waren es noch 15.043, am 9.5. 16.113, usw. Am 8.4. hatten wir den Höchststand mit 71.694 Infizierten. Wahrscheinlich wird sich die Kurve nun abflachen, aber wir sind auf einem sehr niedrigen Niveau.
Und gerade jetzt entfacht eine Debatte über eine vom RKI geschätzte Reproduktionsrate, die angeblich gestiegen ist. Diese wird als Hinweis dafür gesehen, dass die Lockerung der Regeln gefährlich ist und zu weit geht. Die Zahl der Infizierten sinkt aber nach wie vor laut den Zahlen des RKI. Wie man auch immer diese Zahl schätzt, ist für mich nicht nachvollziehbar und der Wert scheint auch keinen Einfluss auf die sinkenden Zahlen zu haben. Aber ich halte dies ohnehin nicht als den wichtigsten Faktor und für keinen Grund, in Panik zu geraten.
Denn der Blick auf Infizierte, Reproduktionszahlen und andere Parameter sind kein Hinweis darauf, ob wir in einer gefährlichen Situation sind. Dies wäre viel mehr das steigende Auftreten von kritischen Fällen. Im Idealfall wären sogar möglichst viele Menschen mit mildem Verlauf infiziert, denn dann wären diese Menschen nach 2 Wochen immun. Ich gucke weiterhin auf Krankenhausauslastung, infizierte Personen und deren Entwicklung. Bisher sehe ich keine für mich alarmierenden Entwicklungen.
Sorge vor der Zukunft
Auf der einen Seite bin ich beruhigt, was die Gefährlichkeit von Covid-19 angeht. Auf der anderen Seite mache ich mir wirklich Sorgen um das soziale Miteinander in unserem Land. Ich möchte nicht in einer Welt leben, in der die Menschen Angst vor Viren haben, in der man sich aus dem Weg geht, um sich nicht anzustecken, in der Leute den Kopf schütteln, wenn man aus Versehen zu wenig Abstand gehalten hat, in der ich also Abstand halte, weil ich Angst habe, dass mein Gegenüber Angst vor mir hat, in der Schüler und Kinder nicht mehr die Schule besuchen können und wenn, dann in völlig unpersönlicher, steriler Abstandsatmosphäre, in einem Land, in dem man sich nicht mehr die Hand gibt, in einem Land, in dem man sich freiwillig überwachen lässt, in einem Land, in dem Wissenschaftler diffamiert werden, die die offiziellen Modelle anzweifeln oder andere Modelle vorschlagen, ein normaler wissenschaftlicher Diskurs also nicht stattfinden kann.
Das ganze Miteinander kann nachhaltig gestört werden, wenn wir die Atmosphäre der Angst aufrechterhalten, nur weil ein Virus nicht völlig ausgerottet werden kann.
Dass Kinder keine Nachteile haben sollen, ist dabei blanke Theorie, wenn ein ganzes Schulhalbjahr und vielleicht noch viel länger kein normaler Unterricht mehr stattfindet und sie keinen normalen Umgang mit ihren Klassenkameraden mehr haben.
Und wenn ich den offiziellen Standpunkt richtig verstehe, dann machen wir das alles nur aus Solidarität zu unseren alten Menschen oder Menschen wie mich, die zur Risikogruppe zählen. Aber ehrlich gesagt, möchte ich in so einer Welt dann gar nicht alt werden. Ich habe sogar großes Mitleid mit den alten Menschen, die von ihren Liebsten abgeschottet werden. Es ist natürlich Charaktersache, aber ich wünsche mir ein natürliches Leben, bei dem ich auch noch im Alter in Würde leben kann, auch wenn mein Risiko zu sterben natürlicherweise zunimmt. Und wenn ich die Wahl hätte, zwischen einem schönen Lebensabend in Harmonie und einem langen Lebensabend in einem desinfizierten Raum ohne Besuch und Pflegern in Schutzkleidung, dann würde mir die Wahl nicht schwerfallen. Das ist Teil meines persönlichen Lebensgefühls. Nicht jeder mag dieses Gefühl teilen. Aber ich habe wirklich meine Zweifel, ob unsere „Solidarität“ irgendjemandem etwas Gutes tut. Natürlich umso mehr, da ich davon ausgehe, dass Covid-19 nicht so schlimm ist, wie ich anfangs befürchtete.
Wie kommen wir aus der Nummer raus?
Im Moment sehe ich keine Kriterien mehr, wann wir uns wieder zutrauen, normal zu leben. Anfangs war dies noch klar, nun gibt es nichts Greifbares mehr. Noch dazu gibt es völlig sinnlose Aktionen, wie eine Überwachungs-App. Denn dafür ist das Virus zu harmlos und bereits zu weit verbreitet. Wie will man Übertragungsketten verfolgen, wenn man die meisten erkrankten Menschen gar nicht kennt? Ich kann den Weg eines infizierten Menschen nachvollziehen und den Weg von 10 anderen nicht? Das macht gar keinen Sinn. Was sollte man auch tun, wenn man feststellt, dass man schon Kontakt zu mit Covid-19 infizierten Menschen gehabt hat? Sich ständig testen lassen? Oder 2 Wochen in Quarantäne gehen? Und das auf immer und ewig, da sich das Virus wohl kaum ausrotten lassen wird? Vielleicht ist man dann jedes Jahr für viele Wochen in Quarantäne. Vielleicht wird das Virus uns auslachen, weil zum ersten Mal das Immunsystem gar nicht gewinnen kann, weil die Immunisierung der Bevölkerung langsamer ist, als die Evolution des Virus. Es wäre das erste lachende Virus mit eigener Handy-App.
Am Ende ist auch alles eine Frage der Lebensphilosophie.
Ich kenne Mediziner, die mir empfehlen würden, nach jedem Gang in den Garten die Hände zu desinfizieren, und ich kenne Mediziner, die mir einen Vogel zeigen würden, wenn ich das tue, obwohl sie das gleiche studiert haben. Und jeder könnte sehr plausibel erklären, warum nur sein Ansatz richtig ist. Ob man eine ängstliche oder zuversichtliche Lebenseinstellung hat, ist nicht eine Frage der Wissenschaft, sondern auch eine Frage des eigenen Lebensgefühls, das man sich nicht wegtrainieren sollte. Und Wissenschaft ist immer kontrovers und sollte auch immer mehrere Theorien im Rennen haben, bis die Zusammenhänge komplett verstanden werden. Niemand wird exakt die Zukunft vorhersagen können.
Aber ich hoffe, dass ich mit meiner Einschätzung recht behalte und dass wir Wege finden, das tatsächliche Risiko zu quantifizieren, also etwas Besseres finden, als R-Werte oder Zahl der Infizierten, so dass auch die Gesamtbevölkerung ihre Angst ablegen kann. Denn R-Wert und Zahl der Infizierten sagt nur etwas über die Ausbreitung eines Virus, nicht über die akute Gefahr. Ich hoffe auch, dass wir das Vertrauen in die Natur und unser wunderbares Immunsystem wiedergewinnen, anstelle uns von Handy-Technik, Impfungen und Medikamenten abhängig zu machen. Schließlich kann es sein, dass es keinen guten Impfstoff gibt oder die Handy-App das Problem nicht löst. Ein Leben in kollektiver Angst oder nur noch mit Überwachung, Verbot von sozialen Kontakten und Desinfektionsmitteln kann keine Lebensperspektive sein, noch nicht einmal bei einem gefährlichen Virus.
Peter Voss arbeitet als Softwareentwickler. Der Vater zweier Kinder studierte Biologie mit den Schwerpunkten Biochemie, Botanik und Bioinformatik an der Uni Köln. Mit seiner Familie lebt er im Kölner Westen.
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Angst ist immer ein schlechter Berater und Wegbegleiter. Aber Respekt sollte man vor Gegnern und Feinden schon haben. Und nichts anderes ist das Coronavirus für uns Menschen. Es bedroht uns in einer Art und Weise, die die Medizin bis dato noch nicht in Gänze verstanden und erforscht hat. Eines ist aber schon heute sicher: Es trifft nicht nur Alte und Kranke, sondern auch Junge, die nicht einmal eine Vorerkrankung haben (müssen).
Und das weiß ich aus eigener Erfahrung. Mein Schwiegersohn (45 Jahre und kerngesund) und mein Enkel (9 Jahre und ebenfalls kerngesund) gehörten zu den ersten Patienten in Berlin. Der Krankheitsverlauf bei meinem Schwiegersohn war ausgesprochen heftig, bei meinem Enkelsohn relativ milde, der aber bis heute noch kurzatmig ist. Welche weiteren Folgeschäden noch auftauchen werden, kann niemand mit Bestimmtheit sagen.
Darüber hinaus kennen meine Frau und ich weit über zehn Personen, die bereits an Covid-19 gestorben sind, darunter auch gesunde und junge Menschen.
Dennoch haben meine Frau und ich keine Angst vor dem Virus. Aber wir nehmen es ernst, sehr ernst sogar. Ungeachtet dessen versuchen wir, uns langsam in eine neue Normalität (https://opas-blog.de/2020/05/17/ein-stueckchen-neue-normalitaet/https://opas-blog.de/2020/05/17/ein-stueckchen-neue-normalitaet/) vorzutasten. Dass die mit dem Leben vor Corona erst einmal nichts zu tun haben kann, versteht sich fast von selbst. Abstand wird noch eine ganze Weile die neue Nähe sein, jedenfalls so lange, bis es einen wirksamen Impfschutz gibt oder die sog. Herdenimmunität erreicht ist – wenn es denn überhaupt eine Immunität gegen das Virus gibt. Wie schmerzhaft das ganz real sein kann, haben meine Frau und ich gerade erst erlebt, als wir ihre Mutter in diesen Tagen zu Grabe getragen haben.
Man kann das alles für übertrieben halten. Aber, das haben Virologen schon im Januar gesagt, das Schwierige daran, Maßnahmen in einer Pandemie zu vermitteln, ist, dass sie, zum richtigen Zeitpunkt durchgeführt, immer übertrieben wirken. Daran hat sich bis heute nichts geändert.
Ich verstehe Ihre Ansicht, denn Sie haben Ihre eigenen Erfahrungen gemacht. Auch sollte man besonders vorsichtig sein, wenn es Häufungen in der eigenen Familie gibt, das gilt auch bei anderen Krankheiten.
Und natürlich trifft es auch junge und gesunde Menschen, aber eben nur in sehr seltenen Fällen, zumindest statistisch gesehen. Das ist im Übrigen auch z.B. bei der Grippe so. Laut dem Ärzteblatt sind 86% der Grippe-Todesfälle über 59 Jahre alt. Aber 14% eben auch nicht. Es ist alles eine Frage von Wahrscheinlichkeiten.
Nun kann man sich darüber streiten, was der richtige Zeitpunkt ist und was die richtigen Maßnahmen. Ich habe die strengen Maßnahmen am Anfang durchaus begrüßt und sie waren mir fast noch zu zaghaft. Aber ich denke nun anders über das Virus. Nicht verstanden habe ich allerdings, dass die Hygienevorschriften stark angezogen wurden, als die Zahlen der Infizierten bereits seit 3 Wochen rückläufig waren. Man hätte das Gegenteil tun können. Natürlich in kleinen Schritten, um kein Risiko einzugehen.
Wenn es keine Immunität gegen das Virus gibt, dann gibt es auch keinen Impfstoff, denn ein Impfstoff regt ja nur das Immunsystem an, sich zu immunisieren. Wie man dieses Dilemma auflösen will, ist mir ein großes Rätsel. Oder bleiben wir nun lieber für immer in Quarantäne, weil auch die Impfung keinen Schutz bietet? Oder weil das Impfrisiko größer ist, als der Nutzen?
Jedenfalls ist der Optimalweg nicht automatisch der Weg der maximalen Sicherheit. Denn auch der richtet Schaden an.
Aber ich verstehe ihre persönlichen Erfahrungen und auch dass ihre persönliche Einschätzung eine andere ist. Und es tut mir vor allem Dingen leid, dass Sie Todesfälle zu beklagen hatten. Am Anfang war meine Befürchtung, dass sehr viele von uns diese schmerzliche Erfahrung machen würden.
Hallo Herr Untermann,
jetzt ist ja schon ziemlich viel Zeit ins Land gegangen seit Ihrem Kommentar, deshalb zu Ihrem Satz „Daran hat sich bis heute nichts geändert“ ein wichtiges Update der Erkenntnisse zu Corona auf der gestrigen ICI – Pressekonferenz:
https://youtu.be/AW6eF8zxCHw (ICI – Pressekonferenz: Wie gefährlich ist Covid-19?)
Alternativlink: https://respekt.plus/pressekonferenz-wie-gefaehrlich-ist-covid-19/
…und an den Verfasser des Artikels: Recht hatten Sie – Hut ab!
Originalton auf der Pressekonferenz: „Wir müssen uns daran gewöhnen, mit dem Coronavirus zu leben und akzeptieren, dass Menschen daran sterben.“ Ich kann nicht erkennen, was daran eine neue Erkenntnis zu Corona sein soll. Es hat sich nach wie vor nichts geändert. 1.) Das Virus ist da, was im Übrigen nicht einmal auf der Pressekonferenz bestritten wurde. 2.) Es gibt keinen Impfstoff. 3.) Und so lange es keinen gibt, müssen wir uns vor dem Virus schützen. 4.) Insofern stimmt auch weiter der Satz der Virologen, wonach das Schwierige daran, Maßnahmen in einer Pandemie zu vermitteln, ist, dass sie, zum richtigen Zeitpunkt durchgeführt, immer übertrieben wirken. Abschließend noch ein Wort zu der „Initiative für evidenzbasierte Corona-Informationen“ (ICI) und ihren Gründer Christian Fiala: Wenn Fiala social distancing als „Folter“ bezeichnet und behauptet, Corona sei Teil einer normalen Grippewelle, die gerade zu Ende gehe, spricht das ebenso für sich wie seine Aussage, dass er das HI-Virus nicht für die Ursache von Aids hält, die dagegen entwickelten Medikamente aber für tödlich. Vielleicht ist das ja auch der Grund, warum die andere Mediziner auf der Pressekonferenz unisono ausdrücklich betont haben, dass sie als Privatpersonen sprechen. Es kann aber auch sein, dass der Grund vielleicht der ist, dass Fiala offenbar kein Problem damit hat, wenn sich im Publikum einer seiner Demonstrationen auch der Sprecher der extrem rechten Identitären Bewegung, Martin Sellner, sowie rechte Burschenschaftler und bekannte Neonazis tummeln. In diesem Sinne: Geben Sie weiter auf sich acht und bleiben Sie gesund.
Der entscheidende Satz in dem Artikel ist für mich: „Das ganze Miteinander kann nachhaltig gestört werden, wenn wir eine Atmosphäre der Angst aufrecht erhalten“. Einfach nur ganz herzlichen Dank für diesen großartigen Beitrag, lieber Peter Voss. Ich vermisse solche weitsichtigen, toleranten und durchdachten Texte vor allem in den sozialen Medien sehr. Weshalb ich mich auch vorübergehend aus der Community verabschiedet habe. Ich maße mir ebenfalls nicht an, zu wissen, wie sich die Sache entwickelt und wie „gefährlich“ das Virus denn nun wirklich ist. Wie könnte ich? Wissen, das haben die wenigsten. Denn es gibt viele offene Fragen, viele Unbekannte in der Corona-Geschichte. Leider mischen dafür im Diskurs gerade aber viele ordentlich mit, pochen auf ihre Ansichten, eben auch öffentlich, präsent und für meine Begriffe unangenehm autoritär. Andere Ansichten sehen und zulassen, womöglich respektieren? Fehlanzeige. Viel mehr wird die beschriebene „Atmosphäre der Angst“ aufrecht erhalten, mit Berichten über mögliche Schreckens-Szenarien oder bewusst ausgewählte tragische Verläufe von covid-19. Dieser Text hat so gar nichts von alldem. Und dafür möchte ich einfach danke sagen.
Mein Liebelingssatz kommt ganz zum Schluss: „Ein Leben in kollektiver Angst oder nur noch mit Überwachung, Verbot von sozialen Kontakten und Desinfektionsmitteln kann keine Lebensperspektive sein, noch nicht einmal bei einem gefährlichen Virus.“ Jeder sollte also in meinen Augen seine Spielräume sozial nutzen. Ich bin überzeugt, dass das geht, wenn wir wollen. Ich habe Respekt vor denen, die sich stärker zurückziehen wollen oder müssen – jene können aber nicht von mir verlangen, dass ich genau dasselbe mache: Ich würde eingehen wie eine Primel. Und trotzdem kann ich Respekt vor dem Alter haben – für mich kein Widerspruch. So wie die ältere Generation Respekt vor der jüngeren haben sollte.
Ich bin noch immer achtsam im Umgang mit anderen Menschen, vor allem mit den Risikogruppen. Ansonsten bin ich auch gegen Panik, auf jeden Fall. Aber doch sehr interessant wie sich langsam auch die Gedankenmuster ändern.
Finde ich sehr beruhigend!
Endlich mal ein Beitrag, der mit Zahlen spielt und dies Ergebnisse plausibel darstellt, einige Dinge kritisch sieht und trotzdem nicht uns Aluhut-Geschwafel abgleitet. Respekt dafür.
Auch ich bin Risikopatient, bzw. habe Angst einer zu sein. Auch ich beruhige mich immer damit, dass ich die Zahlen in ein Verhältnis setze, was mich dann sehr beruhigt.
Wir müssen und mussten auch nicht auf viel verzichten, auch nicht bei den starken Beschränkungen zu Beginn der Krise. Im Gegenteil, wir sind beide ins Homeoffice gegangen und dadurch motiviert viel mehr nach draußen in die Natur gegangen. Wir haben unsere Heimat als schönes Ausflugs- und Reiseziel wieder neu entdeckt.
Ich kann Dir nicht in allen Dingen zustimmen, wäre ja auch langweilig. Maskenpflicht, Abstand halten, Hygiene halte ich weiter für gute Maßnahmen. Ich fände auch die Idee der App gut, wenn sie sauber (Datenschutz) umgesetzt ist und von der breiten Masse genutzt wird. Daran habe ich aber Zweifel, es werden nur wenige Menschen die App nutzen, irgendwas um 1-2 Millionen und das reicht nicht. Verbunden werden müsste das eh mit einer Massentestung um eine saubere Ausgangslage zu haben. Wenn das geschehen würde, könnte die App Sinn machen und das System funktionieren.