Bildung im Wandel
Von vielen meiner Freunde höre ich, dass sie die Zeit des Corona Lockdowns genutzt haben für Weiterbildungen. Auch Sonja hat sich für ein WordPress Online Programm entschieden, um die Zeit zuhause positiv zu nutzen. Aber wie steht es denn mit den Bildungsmöglichkeiten an Universitäten? Ist die Bildung im Wandel? Unser Gastbeitrag von Flavio Longato beleuchtet den Wandel der Bildung in Deutschland.
Für viele war in der Jugend klar: vom Gymnasium geht es zur Uni, von der Realschule entweder weiter zum Abi oder zu einer Ausbildung – und so weiter. Es gab einigermaßen klare, vorgegebene Wege. Natürlich boten sich auch Alternativen, Umwege und besondere Chancen. Doch was vor 10 bis 15 Jahren galt, sieht heute ganz anders aus. Der Bildungsmarkt steht im Wandel und das auf so gut wie allen Ebenen. Während sich das Schulsystem nur schleppend und stotternd auf der Stelle zu bewegen scheint, ist die Welt der Fort- und Weiterbildung kaum mehr wiederzuerkennen.
Bildung in Deutschland
Deutschland ist bekannt und geschätzt für die hervorragende Qualität der hiesigen Berufsausbildung. Dabei wird diese Ausbildung meist in einem dualen Format angeboten, also in einer Kombination aus ausbildungsbetrieblicher Arbeit und berufsschulischer Lehre. Insbesondere das Handwerk ist hier stark vertreten, obwohl sich natürlich eine Vielzahl anderer Berufe auf diesem Weg erlernen lassen und immer wieder neue Berufe hinzukommen.
Die Ausbildung ist und bleibt einer der beliebtesten Bildungswege für junge Menschen nach der Schule. Einerseits wird kein höherer Schulabschluss benötigt und andererseits bietet sie einen direkten Einstieg in die Praxis des Berufs. Allerdings ist sie auch mit dem Stigma belegt, dass sie nur geringe Aufstiegschancen ermöglicht und damit auch in punkto Lohn anderen Bildungswegen untergestellt ist. Dieses Vorurteil hat die Zeit in gewisser Weise aufgehoben.
Die akademische Welt
„Für ein Studium braucht man Abitur“, heißt es. Für lange Zeit war dem auch so. Doch bereits in den 70ern begannen sich diese Eingangs-Hürden zu lockern – von Bundesland zu Bundesland. So ist es heute auf unterschiedliche Weise möglich, mit einer abgeschlossenen Ausbildung oder einem Meisterbrief zu studieren – meist unter der Voraussetzung, dass es sich bei einem fachverwandten Studiengang handelt. Doch auch fachfremde Studiengänge sind nicht vollkommen unmöglich. Oft gibt es dafür heutzutage Eignungsprüfungen oder auch „Begabtenprüfungen“, die den Weg hierher ebnen.
Aber auch die akademische Welt an sich hat sich merklich gewandelt – ob zum Besseren oder Schlechteren ist Ansichtssache. So ist wohl der offensichtlichste Wandel die Einführung des Bachelor/Master Systems im Rahmen des Bologna-Prozesses in 1999. Verschont blieben nur wenige Studiengänge wie zum Beispiel Medizin und Jura, die aufgrund ihrer Rolle in der Gesellschaft weiter durch den Staat geprüft werden und nicht ausschließlich durch die Universität. Auch wenn es hier also einen Wandel gab und gibt, wird an bestimmten Systemen festgehalten.
Zwischen Praxis und Theorie
Zwei Bildungssysteme haben wir uns angesehen und ein deutlicher Unterschied ist dieser: Man hat die Wahl zwischen einem theorielastigen, akademischen Bildungsweg und einem praxisorientierten Weg. Für lange Zeit bereitete dies jungen Menschen nicht geringe Kopfschmerzen bei der Wahl ihres Bildungsweges. Oft war es schließlich der Berufswunsch, der die Entscheidung gefällt hat: Manche Dinge ließen sich einfach nicht als Ausbildung erlernen und manche Dinge konnte man nicht studieren. Aus eben diesem Spagat entstanden die dualen Studiengänge. Sie positionierten sich zwischen der Ausbildung und dem Studium: Der grobe Ablauf ähnelt der Ausbildung, in ihrem Abschluss lehnen sie sich aber eher an das Studium (Bachelor).
Natürlich bleiben bestimmte Fachrichtungen verschlossen für das duale Studium. So gibt es noch kein praktikables Konzept für Medizin oder Rechtswissenschaften außerhalb der traditionellen Universitäten. Stattdessen sind es berufsorientierte Studiengänge wie Marketingmanagement, Architektur oder insbesondere BWL (mit Schwerpunkten wie Steuerberatung oder Logistik), die bei dualen Hochschulen angeboten werden.
Das Konzept der dualen Studiengänge
Obwohl das Konzept der dualen Studiengänge bereits seit den 70ern existiert, kam die entscheidende Wendung nach dem Jahrtausendwechsel mit der Änderung zu einem akademischen Abschluss. Das hatte zur Folge, dass in den letzten 20 Jahren mehr und mehr Interesse für diesen Bildungsweg aufkam. Mittlerweile studieren laut Statistika mehr als 100.000 Menschen im dualen System (Stand 2016).
Einzelne Hochschulen erweitern dieses Angebot sogar noch, indem sie ein sogenanntes „triales Studium“ anbieten, das neben dem Konzept des Studiums und der Lehre noch den Meisterbrief als Abschluss anbietet.
Der Wandel durch die Digitalisierung
Auch an der Bildung ist die Digitalisierung nicht vorbeigelaufen. So gut wie jede Bildungseinrichtung macht von digitalen Mitteln Gebrauch – sei es als Unterrichtshilfe, Informationsquelle oder, wie sich in Zeiten von Corona gezeigt hat, als Medium. Doch während die bereits erwähnten Institutionen sich eher sporadisch und bei Bedarf Gebrauch von Technik machen, gibt es auch Bildungswege, die ihre gesamte Existenz darauf setzen.
Es gibt unzählige Weiterbildungsangebote im Netz – von Online-Workshops über Qualifikationskurse bis hin zu individuellen Lehrinhalten – über die jeder neues Wissen erlangen kann. Dabei gibt es jene unabhängigen Angebote, die unverbindlich Wissen vermitteln, also ohne damit offiziell anerkannte Qualifikationen zu vergeben; und es gibt akkreditierte Hochschulen, die Bachelor sowie Masterabschlüsse vergeben, die mit den traditionellen Abschlüssen gleichgestellt sind. Letztere sind bekannt als Fernuniversitäten.
Begonnen haben diese Institutionen als Briefstudium, doch mit dem heutigen System sind sie kaum zu vergleichen.
Dank Internet lassen sich heute eine Vielzahl an Studiengängen flexibel und ortsunabhängig studieren.
Dozenten vermitteln Inhalte über Videokonferenzen, die aufgezeichnet werden und damit erneut zu späterer Zeit angesehen werden können. Selbst Prüfungen können dank entsprechender Technik aus den eigenen vier Wänden abgesessen werden. Die Fernstudiengänge sind so gestaltet, dass sowohl in der Regelstudienzeit als auch in Form eines Teilzeitstudiums studiert werden kann. Für viele bedeutet das die Möglichkeit, neben dem Beruf zu studieren.
Der Wandel geht weiter
Wir sind sicherlich noch nicht am Ende des Wandels, wenn es ein Ende geben sollte. Insbesondere, wenn es um Technik geht, sind noch viele Möglichkeiten ungenutzt. Wenn die Corona-Pandemie uns eines vor Augen geführt hat, ist es das: Es gibt in Deutschland unausgeschöpftes Potential (Stichwort Digitalisierung). Während Schulen ihre Türen schließen und den Betrieb teils vollständig einstellen mussten, konnten Fernuniversitäten fast den normalen Alltag fortführen. Sicherlich können wir – in allen Stufen der Bildung – in den nächsten Jahren und Jahrzehnten mit vielen Veränderungen und Entwicklungen rechnen. Dabei sollten weiterhin zwei Dinge im Fokus stehen: Qualität und Zugänglichkeit.
Foto: Pixabay
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