Was wollen diese drei weiter verändern?
Drei Frauen, die das vereint: Sie engagieren sich in der Kommunalpolitik und machen Wahlkampf. Zwei in NRW (Aachen und Köln, am 13. September ist Wahl), eine in Hessen (Lich, bei Gießen, hier wird 2021 gewählt). Sie „brennen“ für jeweils andere Themen und sind unterschiedliche Persönlichkeiten. Bewusst haben wir sie ohfamoos nebeneinandergestellt. Für alle galten die genau gleichen Fragen und Vorgaben. Seht selbst, was sie zu sagen haben: Sibylle Keupen (will als unparteiische Kandidatin Oberbürgermeisterin von Aachen werden, unterstützt von den GRÜNEN), Teresa De Bellis (will wieder für die CDU in den Kölner Rat einziehen, in dem sie seit 1994 arbeitet) und Martina Ohly (will transparente Kommunalpolitik von der Basis für die Basis, außerhalb etablierter Parteien, machen und ist eine von Sonjas Schwestern).
- Sibylle Keupen kämpft in Aachen
- Teresa De Bellis kämpft in Köln
- Martina Ohly kämpft in Lich
Was war der konkrete Auslöser für Dein politisches Engagement?
Sibylle Keupen: Angefangen hat mein politisches Engagement mit der Friedensbewegung in den 80er Jahren. Dann kam noch die Wiederaufbereitungsanlage in meiner unmittelbaren Nachbarschaft, dagegen habe ich mich erfolgreich gewehrt und gespürt, dass gemeinsames Engagement erfolgreich gegen die große Politik anstinken kann. Auch wenn ich unparteiisch bin, hat mich die Gründung der GRÜNEN unglaublich beeindruckt. Wir konnten mit unseren Ideen in die Parlamente einziehen und dort eine neue politische Kultur schaffen. In den folgenden Jahren habe ich Verantwortung im Jugendverband übernommen und dort jahrelang politisch gearbeitet.
Teresa De Bellis: Es gab keinen konkreten Auslöser. Die CDU-Köln hat 1998 eine junge Frau mit italienischer Herkunft gesucht, die bereit ist, für den Rat der Stadt Köln zu kandidieren. Über den Onkel meines damaligen Freundes ist der Kontakt zum Parteivorsitzenden und dem Schatzmeister zustande gekommen. Ich war 25 Jahre jung und hatte überhaupt keine Ahnung, auf was ich mich einlasse. Von 90 Ratsmitgliedern war ich die Jüngste und einzige mit einem ausländischen Pass.
Martina Ohly: Unsere Straße wurde grundhaft saniert und unsere 84-jährige Nachbarin war nicht in der Lage, ihren Straßenbeitrage (werden auf jeden Anlieger umgerechnet) zu zahlen. Sie musste ihr Haus verkaufen und ihr jahrzehntelanges Zuhause verlassen. Damals entschloss ich mich, mich für die Abschaffung der Straßenbeitragssatzung in Lich einzusetzen. Man braucht aber Geduld, denn erst nach 4 Jahren plant der Bürgermeister im Herbst eine Bürgerinformationsveranstaltung.

Martina Ohly engagiert sich seit 5 Jahren bei der Demokratischen Bürgerliste Lich und sagt: „Man braucht aber Geduld.“
Für welches politische Thema (genau eins!) „brennst“ Du besonders und warum?
Teresa De Bellis: Für das Thema „Stadtentwicklung“. Hier kann man besonders gut politisch steuern, wie sich Veedel verändern bzw. gestaltet werden müssen, damit die Gemeinschaft gut funktioniert und eine Durchmischung der Bevölkerung gewährleistet wird.
Martina Ohly: Für die Abschaffung der Straßenbeiträge. Die Straße ist saniert, die Anlieger durch die enormen Kosten ruiniert. Dazu kommt, dass viele Bundesländer diese Abgaben nicht erheben. Insgesamt sind die Regelungen ungerecht.
Sibylle Keupen: Bildungsgerechtigkeit, weil ich kein Kind zurücklassen will.
Jedes Kind hat ein Recht darauf bestmöglich gefördert zu werden, seine Potentiale zu entdecken, auszuschöpfen und ein gelungenes Leben zu führen. (Sibylle Keupen)
Kinder und Jugendliche haben mich in meinem Sein und Tun immer begleitet und ich sehe meine Aufgabe darin, für Sie parteiisch einzutreten, um ihre Lebenschancen zu verbessern.

Sibylle Keupen schätzt dieses Foto sehr, „weil ich ein positiver und engagierter Mensch bin, konkrete Lösungen für die enormen Potenziale unsere Stadt sehe und bürgerinnennah arbeite“.
Was wird sich konkret ändern, wenn Du als Kommunalpolitikerin erfolgreich bist?
Martina Ohly: Mir ist es ein großes Anliegen, dass die Stadtverordnetenversammlung wieder zu einem Ort der Diskussion verschiedener Standpunkte und Meinungen wird. Nur so hat der interessierte Bürger*in auch einen Informationsgewinn in einer solchen Veranstaltung. Derzeit werden in den Sitzungen nur Tagesordnungspunkte aufgerufen und dazu abgestimmt.
Sibylle Keupen: Unsere Stadt ist grün, lebendig und lebenswert. Die Menschen sind stolz hier zu leben und fühlen sich als Bürgerinnen und Bürger ernstgenommen. Sie beteiligen sich an Planungsprozessen von Anfang an und bringen ihre unterschiedlichsten Expertisen in die Gestaltung der Stadt ein. Wir werden auf einem soliden Netzwerk stehen, wo wir gemeinsam die Lösungen entwickeln, die unsere Stadt liebenswert machen. Hier arbeiten Politik, Verwaltung, Wirtschaft, Wissenschaft und Bürgerschaft Hand in Hand.
Teresa De Bellis: Es HAT sich schon sehr viel verändert! Zum einen innerhalb von Partei und Fraktion im Hinblick auf Integration und Mehrsprachigkeit. Nur ein Beispiel: Die Einrichtung von bilingualen Schulen bzw. zweisprachiger Alphabetisierung – das war auch mein Verdienst. In meinem Wahlkreis habe ich für ausreichende OGS-Betreuung, Schaffung von Schulplätzen und eine bessere Busverbindung in die Stadt gesorgt. Aktuell kämpfe ich insbesondere für Jugend- und Sportthemen sowie Verkehrspolitik.

Teresa De Bellis lädt im Wahlkampf ins Orange-Bistro auf die Straße ein, um mit Bürgern zu diskutieren. So holt sie sich Infos und gibt solche direkt vis-a-vis weiter.
Warum sind weniger Frauen politisch aktiv und was muss sich dafür als Allererstes ändern?
Sibylle Keupen: Wir müssen Frauennetzwerke stärken und junge Frauen unterstützen politisch Verantwortung zu übernehmen. Dafür müssen Rahmenbedingungen geschaffen werden, die Frauen und auch Männern die Vereinbarkeit von Familie, Beruf und Politik leicht machen. Politik muss transparenter und durchlässiger sein. Neue Formen der Beteiligung, sei es sachorientiert, temporär oder in Bürgerräten machen Politik attraktiv und bieten unterschiedlichste niedrigschwellige Zugänge, je nach Lebenssituation und Interesse, individualisiert und lebensnah. Frauen müssen sich aktiver unterstützen und stärken, dann sind Sie stark gegenüber den männlich dominierten Seilschaften, die seit Jahrzehnten existieren. Es ist noch ein langer Weg bis Frauen in den relevanten Führungspositionen gleichberechtigt vertreten sind, aber der Weg lohnt sich! Frauen in Führungspositionen meistern Krisen besser, dies haben die Frauen an der Spitze vieler Länder in der Coronakrise eindrücklich gezeigt.
Martina Ohly: Frauen stehen immer noch in der ersten Reihe, wenn es um Sorgearbeit geht. Kindererziehung, Haushaltsführung, Pflege von Angehörigen etc., daran ändert auch die im Schnitt zweimonatige Elternzeit, die von Vätern genommen wird, nichts.
In der Coronakrise wurde gerade wieder offenbart, wer das soziale Gefüge des Staates am Laufen hält. (Martina Ohly)
Solange Sorgearbeit nicht wie Erwerbstätigkeit entlohnt wird, wird Frauen die Zeit und die Ruhe genommen, um sich z.B. Donnerstagabends um 19.00 Uhr in einer Stadtverordnetenversammlung zu engagieren. Deshalb bin ich dafür, dass öffentliche Sitzungen gestreamt bzw. aufgezeichnet werden, damit sich jeder zu einem geeigneten Zeitpunkt informieren kann.
Teresa De Bellis: Der Aufwand eines Ratsmandats in Köln bei einem Haushalt von über 5 Mrd. Euro ist immens. Ich benötige im Durchschnitt 20-30 Wochenstunden für die Arbeit an der Basis und in den Gremien. Das muss man sich neben Beruf und Familie leisten können und wollen! Die Aufwandsentschädigung ist sehr gering (495,00 Euro brutto im Monat) und die Vereinbarkeit von Familie, Beruf und Politik ist kaum zu bewältigen, das hält viele Frauen ab. Deshalb bin ich dafür, den Rat zu verkleinern und eine höhere Aufwandsentschädigung (analog eines Teilzeitgehalts) zu zahlen! Dann ist es auch für Frauen lukrativer ein Mandat anzustreben. Ein weiteres Manko: Die gesellschaftliche Anerkennung. Heute wird es leider nicht mehr so einfach akzeptiert, wenn Arbeitnehmer sich für ein solches Ehrenamt engagieren. Die Gesellschaft ist uns gegenüber rauher und fordernder geworden. In den sozialen Medien werden wir oft angegriffen und beleidigt (es ist ja so einfach sich anonym zu äußern). Einen weiteren wichtigen Aspekt sehe ich im Zusammenhalt von Frauen.
Frauen gönnen sich oft nichts und unterstützen sich nicht gegenseitig. Daran müssen wir Frauen etwas ändern. (Teresa De Bellis)
Sie machen es den Männern leichter, sich die Pöstchen zuzuschieben, weil die Frauen erst einmal mit sich selbst beschäftigt sind. Auch dürfen wir uns nicht immer in eine Schublade stecken lassen nach dem Motto: „Die Gesellschaft in Köln ist Männer-dominiert, die wichtigsten Gespräche finden an der Theke oder im Karneval statt; Orte, an denen Männer sich treffen und es mit Frauen schwieriger ist…“ Original-Zitat einer männlichen Führungskraft.
Wir danken allen drei Frauen ganz herzlich für ihre Auskünfte und wünschen jeder einen ohfamoosen Wahlkampf.
Fotos: privat, Jo Magrean und Elke Tonscheidt
Kommentare
Was wollen diese drei weiter verändern? — Keine Kommentare
HTML tags allowed in your comment: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>