Schreibreisen – gibt’s sogar mit Schreibwellness!
An Wellness kannst Du Dich erinnern, oder? Aber was bitte ist Schreibwellness? Elke hat mit einer Schreib-Expertin gesprochen, die weiß: Es geht in jedem Fall um die Macht der Sprache. Im Interview erläutert Jannechie (Janny) Groz, was Du gegen Schreibblockaden tun kannst und wie Du Dein vielleicht noch verborgenes Schreibtalent zum Leben erwecken kannst!
Janny, wie lerne ich Kreatives Schreiben?
Jeder, der einigermaßen Rechtschreibung und Grammatik beherrscht und auch gut und gerne plaudert, kann kreativ und frei schreiben. Wir alle schreiben hin und wieder Einkaufs- und To-Do-Listen, schreiben Emails und Kurznachrichten und versuchen uns dabei kurz zu fassen. Das Kreative Schreiben beginnt oft mit einer Liste, am Ende bzw. im Prozess (ent)steht oft eine Erkenntnis oder ein schöner Text.
Das Schreiben an sich braucht also niemand erst lernen?
Genau, möglicherweise musst du nur deinen kreativen Schreibfluss wiederfinden. Er könnte verloren gegangen sein, weil der Notendruck in der Schule, gepaart mit langweiliger Grammatik und lästiger Rechtschreibung, dir die Freude am Schreiben vermiest hat. Und/oder weil du deine Schreibziele zu früh zu hochgesteckt hast.
Kreatives Schreiben ist ein zartes Pflänzchen.
Vielleicht wurde dein Schreibstil mal belächelt und/oder einer deiner Texte (zu) scharf kritisiert. Schwupps, versteckt sich die Muse und an ihrer Stelle macht sich eine Schreibblockade breit.
Was hilft dagegen?
Gezielte, aufeinander abgestimmte Impulse in einer kreativen Schreibwerkstatt. Dort kann man Blockaden überwinden und die innere Schreibstimme und vor allem die Freude am Schreiben (wieder) gewinnen. Je nachdem, was für einen Text du schreiben möchtest, benötigst du das entsprechende Handwerkzeug und immer ganz viel Übung. Wer mit Freuden schreibt, übt entsprechend gern und viel. Zum passenden Handwerkzeug gibt es viel Fachliteratur sowie Kurse und Workshops an Volkshochschulen und Akademien.
Gibt es verschiedenen Schreib-Phasen?
Ja, und das abhängig von Textart und -länge. Sie gehen oft ineinander über, überschneiden sich und häufig wird zwischen den Phasen hin- und hergesprungen. Letztlich ist das eine Frage des Schreibtyps.
Womit beginnt Phase eins?
Die erste Phase beginnt mit der Idee im Kopf. Dazu zähle ich auch Recherchen, das weitere Ausarbeiten der Idee und die Konzepterstellung. Die zweite Phase umfasst das Schreiben an sich, die dritte und letzte Phase das Überarbeiten mit Korrekturlesen, Korrigieren, Kürzen, Ändern, Ergänzen, etc.
Wer schon immer schreiben wollte, wann sollte sie/er anfangen?
Sofort! Die Teilnahme an einer Kreativen Schreibwerkstatt erleichtert den Einstieg und gibt Anregungen, wo die eigene Schreibreise hingehen könnte.
Woran merkt man Talent fürs Schreiben?
An der eigenen Freude beim Schreiben, sobald der innere Kritiker erfolgreich ausgeschaltet wurde. Und an der Freude an eigenen schriftlichen Ergüssen, nachdem sie eine Weile reifen durften. Ob das Talent dem Geschmack der Zeit entspricht, zeigen äußere Reaktionen auf deine Texte, beispielsweise in Schreibwerkstätten, in Online-Schreibforen und in Autorenkreisen. Um dein „zeitgemäßes Schreibtalent“ zu testen, eignen sich auch Literaturwettbewerbe, die zum Beispiel im Newsletter von Sandra Uschtrin regelmäßig angekündigt werden.
Wird dort nicht schnell viel kritisiert, was dann die Schreibfreude hemmen kann?
Guter Punkt. Gerade in der Anfangszeit solltest du deine Texte vor der Bewertung anderer hüten. Ich rate, möglicherweise kritische Reaktionen sich nicht zu Herzen zu nehmen, denn Kritik kann den inneren Zensor stärken und dir den Spaß am eigenen Schreiben verderben, bevor du erst richtig angefangen hast. Stell dir den inneren Zensor vor als eine überkritische Stimme im Ohr.
Beim Schreiben flüstert sie dir Sätze zu, wie: „So kannst du das nicht schreiben!“ oder „Wer soll denn sowas lesen?“
Wir alle kennen das. Bestimmt fallen dir spontan drei weitere solch vernichtender Sätze ein. Hör bloß nicht darauf, sonst ist die Schreibblockade nicht mehr fern.
Was ist eine Schreibwerkstatt?
Eine Schreibwerkstatt ist, wenn Leute zusammenkommen, um unter Anleitung gleichzeitig – manchmal gemeinsam – zu schreiben. Um sich zudem über fremde und eigene Texte auszutauschen und an ihnen weiter zu arbeiten. Schwerpunkt einer literarischen Schreibwerkstatt ist die Vermittlung von Handwerkzeug, um Texte für ihre Leser und den Buchmarkt inhaltlich und formal attraktiver zu gestalten. Gegenseitiges konstruktives Feedback ist dabei ein wichtiges Hilfsmittel.
Und in einer KREATIVEN Schreibwerkstatt …
… steht der gemeinsame Spaß am Spiel mit Worten, Gedichten und Geschichten im Vordergrund. Die Teilnehmer schreiben mit Hilfe gezielter Impulse und Kreativtechniken primär für sich. Im gegenseitigen Austausch – ohne Bewertungen – lernen sie, wie gut es tut, Selbstgeschriebenes mit einem einfühlsamen Publikum zu teilen.
Dafür lernen und trainieren sie auch das vertiefte, sensible Zuhören, welches das Gefühl für die Wirkung von Sprache fördert und die Ausdrucksfähigkeit verfeinert.
Ganz nebenbei entstehen dabei auch tolle Texte und Projekte. Viele Schreibwerkstätten sind Mischformen der zwei beschriebenen Werkstatt-Arten.
Angenommen, ich kenne jetzt so eine Schreibwerkstatt und habe trotzdem Zweifel an dem, was ich schreibe. Wie überwinde ich diese?
Viele Kreative plagen sich immer wieder mal mit Selbstzweifeln, auch Profis. Das kann den kreativen Prozess ins Stocken bringen und ganze Projekte gefährden. Den kreativen Flow kriegst du wieder ans Laufen, indem du den inneren Zensor ausschaltest. In Kreativen Schreibwerkstätten lernst und trainierst du im geschützten Raum, die überkritische innere Stimme mittels verschiedener Techniken auszutricksen und ihren negativen Einfluss zu stoppen. Mit einem der vielen Bücher zum Kreativen Schreiben geht das auch autodidaktisch. Erfahrungsgemäß motivieren Schreibwerkstätten mit ihrer Geselligkeit und dem gemeinsamen Schreib- und Lesespaß intensiver und ausdauernder.
Du gibst selbst Kurse zum Kreativen Schreiben – welche Schwerpunkte setzt Du?
Mein Schwerpunkt lässt sich am besten mit dem Wort „Schreibwellness“ beschreiben. Wellness heißt Kraft tanken und sich selbst etwas Gutes tun. Schreibwellness erzeugt Kraft durch das gemeinsame Spiel mit Sprache und die einfühlsame Auseinandersetzung mit eigenen und fremden Texten in einem Umfeld, das Kreativität und Wohlgefühl fördert. Multimediale Anregungen sensibilisieren für die Macht der Sprache, bringen die innere Stimme zum Erklingen und führen (zurück) in den kreativen Flow. Schreibwellness eignet sich für Anfänger und Fortgeschrittene jeden Alters.
An was schreibst Du momentan?
Für mich selbst schreibe ich täglich. Mal sind das Morgenseiten, mal ist es ein Blogbeitrag, ein Gedicht oder eine Kurzgeschichte. Jede Woche – immer im Offenen Schreibcafé – schreibe ich meinen Roman weiter.
Meine Figuren sind wie gute Freunde, die ich wöchentlich treffe.
Wenn der Roman eines Tages fertig ist, schreibe ich weiter an meinem Schubladenroman und freue mich schon aufs Wiedersehen mit deren Hauptfigur. Ansonsten schreibe ich diesen Herbst für die Europäische Akademie für biopsychosoziale Gesundheit eine wissenschaftliche Arbeit zu Schreibwerkstätten während der Corona-Zeit.
Für Jannechie Groz ist Schreiben eine Leidenschaft. Bereits im Teenager-Alter begann die Wahl-Kölnerin mit Tagebuchschreiben. Schlechte Deutschnoten beeinträchtigten ihre Freude am Schreiben erheblich, doch konnte ein Zeitungspraktikum diese reanimieren. In Schreibwerkstätten der Volkshochschulen und der Bundesakademie sowie im Online-Portal Fiction-Writing lernte die Niederländerin, was die Schule nicht fördern konnte. Heute schreibt sie mal fiktiv, dann wieder journalistisch, lyrisch oder belletristisch. Als Schreib-Coach mit Weiterbildungen zur Poesie- und Bibliotherapie nach Integrativem Ansatz (EAG) und zur Erwachsenenpädagogik (EPQ) gibt sie ihre Schreibbegeisterung weiter.
Im Herbst 2020 konzentriert sich das Angebot von Jannechie Groz auf Schreibwellness Online und Schreibwandern im Kölner Stadtwald. Ersteres startet am 31. August bei der Volkshochschule Köln (VHS) vor Ort. Das Schreibwandern geht los am 19. September 2020. Interessenten können sich melden unter info@schreibwellness.de
Fotos: Elke Tonscheidt / Unsplash