Wer will in Sachen Sexualität noch was lernen?
Kennt Ihr sicher: Bei manchen Themen verändert sich die Gesprächssituation rapide. Zum Beispiel, wenn über Sex gesprochen wird! Hanna Krohn, die Gesundheitspraktikerin für weibliche Sexualität, drückt das so aus: „Alle jankern (= lechzen) nach Infos, aber es gibt zeitgleich so viel Scham.“ Es sei bigott, unehrlich und beschämend, wie viele über Sex reden. Also reden wir auf ohfamoos mal wieder etwas offener darüber.
Hanna Krohn war bereits Thema bei uns. Klar, Sexualität zieht – bis heute zählt der Beitrag, den unsere Gastautorin Cornelia Lütge 2017 schrieb, zu den meistgelesenen Artikeln.
Wir haben bei Hanna nachgehört. Was macht sie jetzt, wo doch so vieles nur noch online geht? Und wer will in Sachen Sex noch was lernen?
Hier die Aufzeichnung des Gesprächs, das Elke mit Hanna geführt hat.
Hanna, auf ohfamoos begegnen wir manchmal Menschen, die offenbar mit ihrer Sexualität häufig abschließen oder sie nicht mehr so wichtig nehmen. Merkst Du dieses Verhalten auch?
Hanna Krohn: Zu mir kommen ja Menschen, die einen Veränderungswunsch haben. Sie sind also offenbar nicht an dem Punkt, mit ihrer Sexualität abschließen zu wollen, sondern möchten einen neuen Anfang wagen. Aber oft ist dieser Entscheidung solch eine Phase vorausgegangen, ja.
Wann kommen diese, ich nenne sie mal, Veränderungszeiten?
Mein Eindruck ist, dass das mittlere Lebensalter dafür ein typischer Zeitpunkt ist. Da ziehen viele eine ehrliche Bilanz und prüfen, ob es so wie bislang weitergehen soll. Und oft stellen sie dann fest, dass auf dem weiten Feld der Sexualität noch viele Fragen und Wünsche offen sind. Außerdem haben gerade Frauen dann oft zum ersten Mal in ihrem Leben ausreichend Zeit und auch Geld, sich diesem „Luxusthema“ zuzuwenden.
Wer die „weibliche Kraft“ suche, sei bei Dir richtig. So steht es auf Deiner Startseite. Was genau verbindest Du damit?
Wenn ich das höre, stelle ich fest, dass ich diesen Satz heute nicht mehr so sagen würde. Es ist schon ein paar Jahre her, dass ich die Texte für die Startseite geschrieben habe und obwohl ich nach wie vor mit Frauen arbeite, benutze ich das Wort „weiblich“ kaum noch.
Die Menschen sind auf der Suche nach ihrer eigenen Sexualität
Damit sind so viele Konzepte, Klischees und Konventionen verbunden, dass ich es wenig hilfreich finden. Was sich nicht geändert hat ist die Tatsache, dass Menschen, die sich auf die Suche nach ihrer eigenen Sexualität begeben, dabei ihrem Wesenskern und ihrer Kraftquelle näher kommen. Und das strahlt dann auch in andere Lebensbereiche aus. Das erlebe ich immer wieder in meiner Arbeit und das ist auch meine eigene Geschichte.
Ich lese bei Dir auch, dass Du gern Ansprechpartnerin bist, wenn man sich eine andere Sexualität wünscht. Was aber, wenn einer der Partner genau das nicht will?
In der Regel ist die Partnerin, die zu mir in die Praxis kommt, diejenige, die etwas verändern möchte. Und manchmal (sofern die Frau überhaupt in einer Partnerschaft ist) ist der bzw. die andere Partnerin zufrieden mit dem Status quo. Die Aussicht, dass sich daran etwas ändern könnte, kann sogar Unsicherheit und Ängste auslösen. In diesem Fall besteht ein Teil des Projektes daraus, herauszuarbeiten, worin auch für diesen Partner die Vorzüge einer Veränderung liegen könnten und ihn bzw. sie dafür zu gewinnen. Manchmal lade ich das Paar daher ein, auch mal zusammen in meine Praxis zu kommen.
Und meist wird dann schnell klar: Sie können davon profitieren, wenn sich beide mit der gemeinsamen Sexualität wohl fühlen.
Wir schauen dann genau auf die Ressourcen, die das Paar hat und auch auf Reibungspunkte und unerfüllte Wünsche. Wir stärken die Basis und integrieren dann Schritt für Schritt Neues, was sie dem gemeinsam formulierten Ziel näher bringt.
Was ist eine „ganzheitliche Unterstützung bei Eingriffen und Vorgängen rund um deinen Schossraum“?
Eingriffe und Vorgänge rund um den Schossraum können Operationen und Geburten sein, aber auch der Menstruationszyklus, Myome, Endometriose, etc. oder Schmerzen beim Sex. Viele Frauen wünschen sich ein ganzheitliches Verständnis der Vorgänge in ihrem Körper und Alternativen bzw. Ergänzungen zu dem, was gynäkologische Praxen leisten können.
Wenn einer Frau zum Beispiel die Gebärmutter entfernt wurde, kann ich sie durch Dampfsitzbäder, Hormonmassagen und traumasensible Gespräche unterstützen, diesen Eingriff körperlich und seelisch zu verarbeiten. Und ich kann ihr erklären, was diese Veränderung für ihre Sexualität bedeutet.
Du sagst: „Ich begann zu verstehen, dass meine Weiblichkeit überhaupt nichts damit zu tun hat, wie ich von anderen gesehen werde, sondern dass sie sich aus tieferen Quellen speist.“ Was konkret kann diesen Prozess in Gang setzen?
Konkret beginnt dieser Prozess, wenn wir anfangen, uns in unserem Körper zu spüren. Dann wird der Blick von außen immer unwichtiger und es wächst ein Selbst-Bewusst-Sein, das untrennbar mit dem Wesenskern verbunden ist. Eine Erfahrung der Referenz auf uns selber, die uns nicht mehr weggenommen, abgekauft oder ausgeredet werden kann.
Du bietest als einen Schritt „ein Dampfbad für die weibliche Intimzone“ an – warum?
Das Dampfsitzbad, auch „Vaginal Steaming“ genannt, ist eine alte Anwendung aus der Frauenheilkunde. Es funktioniert ähnlich wie ein Dampfbad für die Atemwege, nur eben für den Intimbereich. Das ist nicht nur wohltuend und entspannend für den Beckenboden, sondern kann dem Körper bei Schmerzen, Infekten und Unregelmäßigkeiten auch helfen, wieder ins Gleichgewicht zu finden. So beschreiben zum Beispiel Frauen in den Wechseljahren, dass sie dank der „Yoni-Sauna“ weniger Beschwerden mit Trockenheit und Schmerzen beim Sex haben.
Und was versteckt sich hinter einer „Hormon-Massage“? Ist das etwas für Frauen, die mit Hormonumstellungen kämpfen?
Ja, genau. Die Hormonmassage ist auch als „Therapeutische Frauenmassage“ bekannt und wird gerne bei Menstruationsbeschwerden, Kinderwunsch oder der Hormonumstellung zu Beginn oder am Ende der fruchtbaren Jahre in Anspruch genommen. Die sanften Striche und kreisenden Griffe am Rumpf werden im Sitzen bzw. in Rückenlage auf der Massagebank ausgeführt.
Die zarten, achtsamen Berührungen und die Zuwendungen, die so eine Massage ausmachen, sind Balsam für Körper und Geist.
Was ist momentan online möglich?
Ich biete die Beratungen zum Dampfsitzbad und auf Wunsch auch die Sexualberatung online an. Das habe ich vor Corona aber auch schon getan, da mein Einzugsgebiet den gesamten deutschsprachigen Raum umfasst. Diejenigen, die sich vor allem Wissen aneignen möchten, können ein umfassendes Video-Tutorial zu weiblicher Sexualität buchen und ganz in Ruhe zu Hause anschauen.
Das klingt spannend: „Bei diesem Workshop bleiben alle angezogen, ihr berührt weder euch noch andere intim.“ Aber Du bietest das an unter Paarworkshop zur Intimmassage… ein Widerspruch?
Nein, keineswegs. Für viele Menschen stellt es – verständlicherweise – eine große Hürde dar, sich im Beisein Dritter auszuziehen und intim zu berühren. Um dafür überhaupt einen vertrauensvollen, achtsamen Rahmen zu schaffen, bräuchte es auch mehr als einen Tag; solche Seminare dauern üblicherweise mindestens ein Wochenende.
Bei meinem Tagesworkshop wird unter meiner Anleitung an charmanten Modellen aus Holz bzw. Silikon geübt.
Das ist zu Beginn immer noch ausreichend ungewohnt und aufregend. Die Nervosität weicht dann aber meist schnell der Neugierde. Und am Ende sind alle überrascht, was sie alles nicht wussten und sind motiviert, das Gelernte zu Hause auszuprobieren. So ein Workshop ist auch eine gute Gelegenheit, einen offeneren Umgang und eine natürliche Sprache für Sexualität zu erproben; und zu hören, welche Fragen andere Männer und Frauen beschäftigen.
Vielen Dank, liebe Hanna!
Hanna Krohn, Jahrgang 1968, steckte mit Anfang 40 in einer tiefen Krise. Aufgewachsen in einem liberalen, links-alternativen Umfeld und, wie sie sagt, „feministisch sozialisiert“, war Hanna stets der Meinung, eine erfüllte, selbstbestimmte Sexualität zu leben. Dann tat sich für sie eine neue Welt auf. Ihren Klient*innen bietet sie auch zu Coronazeiten viel.
Wer mit ihr spricht, merkt. Da redet eine sensible Frau, die genau zuhört. Wir von ohfamoos glauben: Bei Hanna Krohn kannst Du viel lernen, wenn Du willst. Und sie weiß natürlich viel – dass es z.B. auch bei Männern eine Art Pause gibt oder dass viele Menschen, die zu ihr kommen, „ganz von vorne anfangen“ müssen. Eine Art sexuelle Späterziehung, denn es gebe ein großes Vakuum zu füllen…
Die Fotos im Beitrag hat uns Hanna zur Verfügung gestellt.
Titelfoto by Charles Deluvio on Unsplash
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