Judith Lazak in Tansania: Müssen umdenken!
Sie will der Welt beweisen: Eine Koexistenz von Mensch und Wildtier ist möglich. Sie hat einen unbändigen Willen und eine große Leidenschaft. Dafür geht sie einen neuen Weg und ist überzeugt: Wir müssen endlich umdenken! Vor Ort in Tansania stellt Judith Lazak die Ausbildung von Frauen in Tierhaltung und – gesundheit in den Fokus. Dafür baut die Tierärztin und Wissenschaftlerin eine nichtstaatliche Organisation (NGO) mit dem Namen „Endangered Species Conservation Foundation“ auf, zu dessen Unterstützung der Verein United Tanzania e.V. in Deutschland dient. Ohfamoos hat sie gebeten, uns dieses ungewöhnliche Projekt näherzubringen.
Gastbeitrag von Judith Lazak
Es ist allgemein bekannt, dass Wildtiere immer mehr Lebensraum verlieren. Eine Tatsache, die besorgniserregend ist und zu einem fatalen Kreislauf führt. Durch vermehrtes Eindringen von Menschen – verursacht durch eine unaufhaltsame Populationszunahme – und der damit verbundenen Notwendigkeit diese auch zu ernähren, kommt es vermehrt zu verhängnisvollen Kontakten zwischen Nutz- und Wildtier.
Der Grund dafür ist simpel: Das Halten der Nutztiere sichert der lokalen Bevölkerung den Lebenserhalt. Er birgt aber auf der anderen Seite auch Gefahren. Durch den hohen Viehbestand im Nutztierbereich entsteht nicht nur der Verlust von Menschen- und Tierleben durch Elefanten, Löwen, Leoparden und Hyänenangriffe, sondern auch die Übertragung von Zoonosen wie z.B. das Vogelgrippevirus (AIV) oder Afrikanische Schweinepestvirus (ASFV).
Dies geschieht durch Übertragung von Wildtier auf Nutztier und somit auch auf Menschen und andersherum! Diese Dreiecksbeziehung bezeichnet man als „Wildlife-Livestock-Human Interface“. In den vergangenen Jahren führten bedeutende zoonotische Krankheitserreger zu großem wirtschaftlichem Aufwand für veterinärmedizinische Maßnahmen zur Ausbruchsbekämpfung dieser Tierseuchen.
Wildtierkrankheiten sind also nicht nur für die Tiere selbst gefährlich und für den Erhalt diverser Arten eine reale Gefahr. Hinzu kommt, dass nun auch die Weltwirtschaft aufgewacht zu sein scheint, denn:
Ökonomische Auswirkungen von Wildtierkrankheiten, die oft vernachlässigt wurden, sind nun für die Weltwirtschaft relevant, wie wir am Beispiel von COVID-19 gerade erst feststellen.
Das besondere an meiner NGO ist, dass sie nicht nur eine normale Wildtierschutz-Organisation ist, sondern ihren Fokus auf einen „Forschungsorientierten Ansatz“ legt. Dazu muss man wissen: Im Bereich „Schutz und Erhalt gefährdeter Arten“ sind bisher fast ausschließlich Biologen und Ökologen beschäftigt. Sie verfolgen aufgrund ihrer Ausbildung einen Ansatz, der ausschließlich auf Verhaltens- und Habitatstudien abgestellt ist.
Neue Strategien und Aufklärungsarbeit
Ein Dilemma, denn die aus den Studien abgeleiteten und implementierten Erhaltungsprogramme für Wildtiere haben leider nur beschränkten Nutzen.
Wir kämpfen seit Jahrzehnten mit dieser Strategie für den Erhalt gefährdeter Arten. Mit dem Ergebnis, dass immer mehr Arten von unserem Planeten verschwinden.
Ein Irrsinn, der uns alle dazu zwingen sollte umzudenken! Als Veterinärmedizinerin und Wissenschaftlerin möchte ich diesbezüglich einen zusätzlichen, bisher unterschätzten und nicht beachteten Aspekt beleuchten. Exakt diesem Problem widme ich meine Arbeit hier in Tansania: Zweck meiner Organisation ist es, durch meine Arbeit als Tierärztin Aufklärungsarbeit zu leisten. Ich möchte die Nutztiere der Gemeinden nicht nur tiermedizinisch versorgen, sondern Frauen in Tierhaltung- und -gesundheit ausbilden.
Einerseits kommt dies nicht nur den Frauen und ihren jeweiligen Familien sowie ihrer sozialen Stellung innerhalb der Gemeinden zugute, die mit den Nutztieren ihren Lebensunterhalt bestreiten, sondern auch den Nutztieren direkt im Sinne des Tierschutzes. Aber v.a. bedeuten gesunde Nutztiere auch ein reduziertes Risiko durch die Verhinderung der Übertragung von Krankheiten auf Wildtiere. Mit diesem Vertrauenserwerb kann auch ein Verständnis für den Erhalt des Lebensraums von Wildtieren, innerhalb der Bevölkerung hier erreicht werden.
Mit meinen mittlerweile 52 Jahren blicke ich zurück auf einen ungemein abwechslungsreichen Lebensweg, der nun an einem ganz besonderen Punkt angelangt ist: Meinem unabdingbaren Willen, mit der von mir gegründeten NGO „Endangered Species Conservation Foundation“ etwas zu erschaffen, von dem in der Zukunft Mensch & Tier in Afrika profitieren werden.
Schon mit sechs wollte Judith Lazak Tierärztin werden
Auch wenn ich im Alter von sechs Jahren bereits wusste, dass ich auf jeden Fall einmal Tierärztin werden wollte, kam es zunächst anders. Meine Erziehung war geprägt von Regeln, Fleiß, Sicherheit und dem Willen meiner Eltern, dass „ihr Mädchen“ doch bitte einen soliden Beruf erlernen solle. Und so absolvierte ich, von Fleiß und Gehorsam getrieben, zuerst erfolgreich eine Ausbildung zur Steuerfachgehilfin und im Anschluss ein BWL-Studium. Meine Eltern waren stolz auf mich und so arbeitete ich für die nächsten sechs Jahre im Bereich Steuern & Wirtschaftsprüfung. Oder um es auf den Punkt zu bringen: Zahlen, Fakten, dröge Akten!
Doch immer nachts, wenn ich im Bett lag, meldete sich meine innere Leidenschaft.
Leise klopfte sie an mein Herz. „Hast du mich vergessen“, fragte sie dann flüsternd. Was schlau war, denn immer dann, wenn sie zu laut war, spitzte der Verstand die Ohren und schlug das lodernde Flämmchen wieder aus. Je mehr Zeit verging, desto häufiger meldete sich meine Leidenschaft: „Komm schon Judith, das ist nicht, wofür du geboren wurdest, du hast einen Traum, verwirkliche ihn!“ ermutigte sie mich hartnäckig.
Mit 33 folgt Judith Lazak ihrer wahren Leidenschaft
Was für ein Glück! Denn eine wahre Leidenschaft zu besitzen, ist ein seltenes Gut, das für immer bleibt. Jeder, der eine solche hat, sollte sich glücklich schätzen und ihr eines Tages nachgehen. „Du bist mit 33, doch viel zu alt, um so ein langwieriges Veterinärstudium zu absolvieren!“, NEIN … Kein Zweifel und kein Gehalt dieser Welt, konnten mich von diesem Wunsch abbringen – und so kam es, dass ich in meinen Dreißigern tatsächlich noch einmal begann zu studieren, zunächst mit dem Ziel in die „Rinderpraxis“ zu gehen.
Meine Praktika brachten mich in die USA für eine Habitatstudie für Südliche Glattwale, nach Pretoria und Johannesburg in Südafrika und nach Namibia in eine Wildtierklinik. All diese Erlebnisse führten dazu, dass sich langfristig nicht nur meine angestrebte Spezialisierung ändern sollte, sondern auch mein Lebensmittelpunkt. Denn die Liebe zu den Wildtieren und Afrika brachten mich für meine Doktorarbeit zurück nach Namibia.
Ich war unfassbar happy, doch nach zwei Jahren Feldarbeit im Etosha National Park erreichte mich die erschütternde Nachricht:
Meine Mutter war an Demenz erkrankt, was für mich eine Rückkehr nach Deutschland bedeutete. Es zerriss mir das Herz: Einerseits meine neue Heimat zu verlassen und andererseits meine Mutter unheilbar krank zu wissen.
Es folgten Jahre der Pflege, die mich auch nach der Fertigstellung meiner Promotion zwangen in Deutschland zu bleiben. Bis zu ihrem Tod im Sommer 2020, kümmerte ich mich um meine Mutter, während ich mir zeitgleich mein Wissen als Betriebswirtin und Naturwissenschaftlerin zu Nutze machte und als Geschäftsführerin, als PR-Managerin einer Tierklink und als Global Regulatory Strategist im Bereich Onkologie bei der Bayer AG arbeitete.
Etwas tun, wofür Judith Lazak immer brannte
Mit der Beerdigung meiner Mama starb ein Teil von mir, und nach einer Weile begann meine Seele wieder zu leben. Ich realisierte, dass ich ab jetzt „frei“ sein würde, für immer dahin zu gehen, wo mein Herz zuhause ist, um dort etwas zu tun, wofür ich immer brannte: Eine zukunftsorientierte Tierärztin sein, die in Tansania lehren, forschen und helfen will, um nachhaltig etwas an den Umständen in der Region für Frauen zu verändern. In dieser Sekunde nahm ich mir vor, der Welt zu beweisen, dass eine Koexistenz von Mensch und Wildtier möglich ist! Dafür habe ich „Endangered Species Conservation Foundation“ gegründet, und ich werde diese NGO nun mit meiner ganzen Energie weiter aufbauen und entwickeln.
Gastautorin Judith Lazak macht mit ihrem Beitrag auf ein wichtiges Thema aufmerksam, das (noch?) nicht die Schlagzeilen beherrscht: Wie gehen wir mit der Tatsache um, dass der Kontakt zu Wildtierpopulationen immer stärker wird? Sind doch bedeutende zoonotische Krankheitsausbrüche nicht nur ökonomisch betrachtet aufwändig – sie stellen für Mensch und Tier (Stichwort Erhalt der Wildtierpopulation) enorme Herausforderungen dar, Stichworte öffentliche Gesundheit, Tierhaltung, Erhalt der Biodiversität.
Judith lebt derzeit in Tansania. Auf dem Foto seht Ihr sie während ihrer Safari 2019 in der Serengeti: Ein von der Migration erschöpftes und von der Mutter getrenntes Gnukalb wird gerettet.
Von Judith erfahren haben wir durch eine private Facebook-Gruppe, in der sich über 11.000 Weltfrauen austauschen. Frauen, die im Ausland wohnen oder gewohnt haben. Als sich Judith dort vorstellte, fühlte sich nicht nur Elke angesprochen – über 400 Frauen gaben ihrer kleinen Story ihr ´Like`.
Ohfamoos wünscht Judith beim Aufbau ihrer NGO „Endangered Species Conservation Foundation“ alles Gute!
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Guten Morgen. Ich finde keine Möglichkeit Judith Lazak mit einer Spende zu unterstützen. Können Sie helfen. Danke. Viele Grüsse. Petra
Liebe Petra,
darüber freuen wir uns riesig!! Ganz lieben Dank für Deine Unterstützung…Auf unserer Homepage: Esc-f.org wirst Du heute Abend die Bankverbindung für Spenden finden…wir hatten hier in Tansania technische Probleme…welcome to Africa 😉. Herzliche Grüße aus Arusha, Judith
Jetzt ist der Link zur neuen NGO im Artikel integriert, liebe Petra. Und hier kannst Du direkt spenden: https://esc-f.org/donate/
Viele Grüße von Elke/ohfamoos