Gute Vorsätze – ach du lieber Himmel…
Gute Vorsätze für das Neue Jahr… braucht Anne Stosch nicht und vielleicht geht es dir ähnlich? Denn die alten sind fast noch unbenutzt. Unsere Gastautorin schreibt den 1. Text für Ohfamoos im Neuen Jahr über einen Dauerbrenner. Gute Vorsätze – viele nehmen sich das zu Silvester für das Neue Jahr vor, und dann? Anne argumentiert: MACHEN! Denn sich selbst wichtig zu nehmen, ist soooo wichtig. Und sie gibt tolle Tipps, wie du ganz klein (!) anfangen kannst!
Man müsste abnehmen, sich mal mehr bewegen, an den Wochenenden spazieren gehen, mit dem Rauchen aufhören, mehr Wasser trinken, früher schlafen gehen und überhaupt einfach gesünder leben. Ja, das müsste man. Sollte man sogar.
Manchmal überkommt es uns, da ziehen wir einfach die Turnschuhe an und joggen los. Besonders am Jahresanfang – da sind wir voll motiviert, das jetzt täglich zu tun. Diese Motivation ist allerdings schnell verflogen. Und wir sind nicht die einzigen, denen es so damit ergeht. Fitnessstudios verzeichnen in Januaren um die 60% mehr Neuanmeldungen. Nach drei Monaten gehen jedoch weniger als zwei Drittel noch in die Muckibude.
Auch der Absatz von Zigaretten fällt im ersten Quartal des Jahres regelmäßig. Und dennoch schaffen nur etwa 5% den Entzug. Ähnlich sieht es auch mit Apps und Programmen aus, die uns beim Abnehmen unterstützen. Anfang des Jahres ist die Motivation groß.
Und noch während wir vielleicht gerade einen guten Vorsatz erfüllen, fühlen wir uns nicht so richtig wohl:
Da liegen wir auf einer Matte und versuchen unseren Stress wegzuatmen, während in unserem Gehirn die Gedanken Amok laufen.
Oder wir zwingen uns zu einem erfrischenden Spaziergang und empfinden das eigentlich als zusätzliches To-do. Entspannungstraining und die damit zu erreichende innere Ruhe erscheint uns galaxienweit entfernt.
Wofür sind gute Vorsätze eigentlich gut?
Eigentlich treffen wir gute Vorsätze, um gesünder zu leben. Streng genommen tun wir uns damit also etwas Gutes. Wenn wir uns aber im Alltag etwas Gutes tun, dann kommen wir uns oft irgendwie egoistisch vor. Also mal angenommen, dein Tag ist vollgestopft mit Terminen und To-Dos. Du fühlst dich gestresst und hast das Gefühl, diesen Berg an Arbeit kaum erledigen zu können. Nimmst du dir dann die Zeit, um einmal tief durchzuatmen oder sogar für einen befreienden Spaziergang?
Wahrscheinlich eher nicht. Und diese Wahrscheinlichkeit sinkt sogar noch, wenn dich jemand anderes um etwas bittet. Stell dir vor, du würdest darauf folgendermaßen antworten: „Leider kann ich dich gerade bei deinem Problem nicht unterstützen, weil ich mir vorgenommen habe, alles ein wenig ruhiger anzugehen. Ich brauche einfach zwischendurch eine Atempause.“
Würdest du das echt sagen? Ich hatte damit immer Schwierigkeiten. Anderes und andere waren immer wichtiger als meine Bedürfnisse. Und auf der anderen Seite hab ich mich dann immer geärgert, dass andere meine Grenzen übertreten. Ich fühlte mich ausgenutzt. Sah denn keiner, dass ich eigentlich schon überfordert war?
Und in diesen Gedanken steckt eigentlich schon ein Schlüssel. Sogar mehrere:
- Andere sind nicht verantwortlich für mein gutes oder schlechtes Gefühl. Wenn ich von anderen erwarte, dass sie gut für mich und meine Bedürfnisse sorgen, dann begebe ich mich streng genommen in eine Abhängigkeit, obwohl ich ja unabhängig und frei sein möchte. Oder auch erwachsen.
- Wenn ich schon nicht selbst auf meine Grenzen achte, warum sollten es dann andere tun? Andere können meine Grenzen nicht erkennen, wenn ich sie ihnen nicht zeige. Während ich sie selbst unterdrücke, mache ich sie auch unsichtbar und unfühlbar für andere. Daran haben die anderen keine Schuld, sondern nur ich selbst.
- Fühle ich mich verantwortlich für das gute Gefühl von anderen – ich möchte ja niemanden enttäuschen – dann überfordere ich mich selbst. Und vielleicht setze ich damit sogar andere unter Druck. Ich gebe und gebe (und das sogar oft ganz ungebeten) und verliere dadurch immer mehr Energie.
Warum ist es so schwer, sich regelmäßig etwas Gutes zu tun?
Einerseits hing tatsächlich unser Leben davon ab, zu anderen freundlich zu sein. Als Säugling lächelten wir schon, weil dann die Wahrscheinlichkeit groß war, dass sich jemand um uns kümmert oder eine fremde Person uns eben nichts Böses tut, wenn sie in den Kinderwagen blickt.
Andererseits treffen wir tagtäglich viele Entscheidungen gegen uns und unsere Bedürfnisse. Und zwar in vielen unzähligen Kleinigkeiten. Ich gehe noch nicht zur Toilette, weil das Telefonat wichtiger ist. Trinke zu wenig, weil ich es bei der Arbeit vergesse. und ich gehe zu spät schlafen, weil… Diese Liste könnte ich beliebig fortsetzen.
Damit bringen wir unserem Gehirn bei: Wir sind unwichtig.
Tatsächlich können wir positive Ergebnisse erst wirklich spüren, wenn wir uns auf mehreren Ebenen um uns selbst kümmern. Kümmern wir uns nur um eine Sache, beispielsweise jeden Tag 2 Liter Wasser zu trinken, dann werden wir diesen positiven Effekt kaum spüren, weil unser Leben ja so stressig bleibt, wie es auch vor diesem guten Vorsatz war.
Anderes Beispiel: Wir üben einmal pro Woche Entspannungstraining in einer Gruppe. Doch eine nachhaltige Entspannung kann nicht eintreten, weil wir unsere verspannten Muskeln nicht in den Griff bekommen. Oder: Wir lesen inspirierende Bücher und können diese Inhalte nicht in unserem Leben unterbringen, weil wir einfach keine Zeitfenster schaffen können.
Gute Vorsätze spielen sich also idealerweise auf allen drei Ebenen ab.
Gute Vorsätze für Körper, Geist und Seele
Je nachdem, für welche guten Vorsätze du dich entscheidest, wird der Effekt spürbarer und größer, wenn du diese drei Aspekte deines Seins (?) berücksichtigst. Gehen wir mal von folgendem Beispiel aus: Du möchtest deinen Alltag entstressen und entspannter leben.
Wenn du, um diesen Vorsatz effektiv zu erfüllen, dafür jede Woche zum Entspannungstraining gehst, dann ist es wahrscheinlich, dass es dir wie zusätzlicher Stress vorkommt. Denn wenn dieser Termin nur einmal pro Woche stattfindet, läuft dein Stress ansonsten munter weiter. Wichtiger noch: Du berücksichtigst damit nur einen Aspekt deiner Persönlichkeit – deine Seele. Körper und Geist bleiben bei deiner Planung erstmal außen vor.
Möchtest du also wirklich dein Leben entstressen, dann kannst du die Wirkung besser spüren, wenn du deinen Körper und auch deinen Geist an dieser Sache teilhaben lässt. Der Körper könnte zum Beispiel einen regelmäßigen kurzen Spaziergang vertragen und dein Geist vielleicht ein tägliches Gedicht aus einem Gedichtband, der dir gefällt und deine Gedanken anregt. Überlege Dir also ruhig etwas genauer, was du mit deinem guten Vorsatz erreichen willst und wie du diesen guten Vorsatz auch auf diesen drei Ebenen leben kannst.
Beispiele für gute Vorsätze und gesunde Rituale:
Körper: Wasser trinken, Bewegung, Spaziergänge, in Ruhe zur Toilette gehen, täglich eine Bewegungsübung, etc
Geist: Inspirierende Bücher, gesundes Selbstgespräch/gesunde Selbstreflexion, gesunde Kommunikation, Journaling, Musik bewusst hören, interessante Podcasts, Dinge bewusst ohne eigene Ablenkung tun, etc
Seele: Entspannungstraining, freundliche Abgrenzung, Umgang mit Stress und Belastungen, Treffen mit Freunden, Meditieren und positiv thinking üben, etc
Ein guter Vorsatz, also sich selbst etwas Gutes zu tun, fängt mit regelmäßigen Klitzekleinigkeiten an. Kleinigkeiten mit denen du deinem Gehirn immer wieder sagst, dass du es wert bist, dich um dich zu kümmern.
Wenn wir beginnen, uns in diesen Kleinigkeiten tagtäglich ernst und wichtig zu nehmen, dann lernt unser Gehirn, dass unsere Bedürfnisse für einen gesunden Körper und Geist wichtig sind. Wichtiger sogar vielleicht als alle Emails und Termine zusammen. Du wirst das erst nicht bemerken, weil es so klein ist.
Dennoch ist es wichtig genau da zu beginnen – bei den fast unmerklichen Kleinigkeiten.
Ich nehme jetzt mal als Beispiel, mehr Wasser zu trinken. Damit haben ganz viele Schwierigkeiten. Also angenommen, dein erster guter Vorsatz für das neue Jahr ist, täglich 2 Liter Wasser zu trinken, was wird dann die erste Veränderung sein, die du bemerkst? Die, dass du öfter zur Toilette musst. Das nervt erstmal. Darum wirst du den „Vorsatz mehr Wasser trinken“ in den folgenden Tagen vielleicht absichtlich verschieben oder unbewusst vergessen. Und der einzige Unterschied, den du bemerkst, ist: An Tagen, wo du weniger Wasser trinkst, musst du weniger zur Toilette.
Das gesunde Ritual des Zähneputzens
Das fühlt sich gut an. Nichts fühlt sich dadurch schlecht an. Darum ist es gut, sich täglich zu kontrollieren. Sei ein liebevolles Elternteil für dich, dass dich daran erinnert Wasser zu trinken, wie du vielleicht früher an das Zähne putzen erinnert wurdest. Haderst du noch mit diesen zwei Minuten morgens und abends? Überlegst du, was du während dieser Zeit Besseres anstellen könntest? Wahrscheinlich nicht. Das Zähne putzen ist zu einem gesunden Ritual geworden, das du nicht mehr hinterfragst. Du fühlst dich gut, wenn du es tust und du fühlst dich merkwürdig, wenn du es mal nicht tust. So wird es mit dem Wasser trinken auch irgendwann. Deine Blase und dein Körper werden sich daran gewöhnen. Deine Muskeln werden geschmeidiger, deine Schleimhäute atmen auf etc. Also, erziehe dich ein wenig, übernimm Verantwortung für dich und deinen Körper, tracke diese neue Gewohnheit, um einen Überblick zu bekommen.
Das Coole, was dadurch passiert, ist natürlich einmal der körperliche Aspekt. Gleichzeitig jedoch bringst du deinem Gehirn bei, wie wichtig du dir selbst bist. Das kannst du dann gleichzeitig mit einer weiteren Gewohnheit verknüpfen: Geh’ zur Toilette, wenn du musst. Checke nicht vorher noch irgendwelche Emails oder führe noch das Gespäch zu Ende.
Dein Körper möchte zur Toilette und die Welt wird nicht untergehen, wenn du dir diese Zeit nimmst.
Ja, Zeit nimmst. Gehe ohne Handy dorthin und warte ab, bis deine Blase vollkommen leer ist. Wenn du merkst, dass nichts mehr kommt, dann entspanne dich noch einmal kurz. Manchmal kommt dann noch etwas Resturin. Und es ist wichtig den loszuwerden, weil er auf die Dauer zum Problem werden kann. Bakterien lieben Resturin und möchten gern zur Blasenentzündung heranreifen. Ok, du sitzt also auf der Toilette. Ganz allein. Eine, zugegeben etwas ungewöhnliche, Ruheinsel ganz allein für dich. Und es dauert so lange, wie es dauert. Wasche dir danach ganz in Ruhe die Hände. Selbstpflege vermittelt deinem Gehirn wieder, wie wichtig du bist.
Und Stück für Stück, Monat für Monat wirst du merken, dass das immer leichter wird. Und dann ist der Moment gekommen, in dem du dir Größeres vornehmen kannst. Ich wage mal eine Prognose: Du wirst dann das Bedürfnis haben und die Momente finden, in denen du dich gesünder um dich kümmern kannst. In vielen Präventionsprogrammen hat man nämlich herausgefunden: Kümmern sich Menschen an an einer Stelle gut um sich, schaffen sie es auch an anderer Stelle. Also, ernährt sich jemand gesünder, wird er/sie automatisch das Bedürfnis empfinden, sich mehr zu bewegen.
Gesundheitsbewusstes Verhalten potenziert sich. Und dann kommen immer wieder die drei verschiedenen Ebenen ins Spiel. Körper, Geist und Seele.
Und wer oder was hilft, dich dabei zu unterstützen?
- Komplizen suchen, die auch einmal pro Woche zum Sport gehen möchten. Gemeinsam konsequenter sein!
- tracken, was du schon gemacht hast
- Öffentliche Bekundungen
- realistische und sehr konkrete Ziele
- Zeitlimits setzen
- sich erinnern lassen
- Apps als kleine Helferlein im Kampf gegen den inneren Schweinehund
- sich selbst belohnen
Ein Ohfamooser Gastbeitrag, danke liebe Anne Stosch.
Was fällt dir noch ein? Was hat dir geholfen? Hast du Fragen? Lasst uns einen Ohfamoosen Austausch starten, im Kommentarfeld ist viel Platz!
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Fotos: Paul Mandelkow / Elke Tonscheidt / Unsplash
@Wasser trinken, Bewegung, Spaziergänge, in Ruhe zur Toilette gehen, täglich eine Bewegungsübung – Ich schliesse mich dem in jeder Hinsicht an.
Liebe Grüsse
Roger
Wie schön! 🙂
Liebe Grüße
Danke für Deine Gedanken und machbaren Ideen/Vorschläge.
Ich habe mir auch ein paar (humorvolle) Gedanken zum Thema Vorsätze gemacht…
https://bullauge-blog.de/2022/01/07/karthago/
Einfach und umsetzbar!
Grüße