Lotte, Elvis, Mimi und die Waldschäferei
Isabell Heßler kennt sich mit Schafen aus. Die 40-jährige Hessin ist Schäferin der Licher Waldschäferei und betreut eine Herde von fast 200 Tieren. Was eine Waldschäferei ist und warum Schafe zur ökologischen Waldwirtschaft beitragen, das hat Sonja für ohfamoos erkundet.
Weißt Du was eine Waldschäferei ist? Also ich wusste es nicht und war beeindruckt, als Jörg Heßler, Forstingenieur und Revierleiter von Christian Fürst zu Solms-Hohensolms-Lich mir von dem Projekt der Licher Rentkammer erzählt. Seine Ehefrau Isabell Heßler ist dort Schäferin und betreut zurzeit fast 200 Schafe, inklusive 82 neugeborener Lämmer.
Ich kenne Jörg von meiner Arbeit mit der Demokratischen Bürgerliste Lich. Er liebt seinen Beruf und ist stets auf der Suche nach pragmatischen Ideen, wie wir in unserer Kommune ökologischer arbeiten und die Umwelt schützen können. Sein Revier im Solm’schen Wald umfasst 1800 Hektar und dessen Pflege ist aufwendig und kostet viel Geld.
Regen, Sturm und Rußrindenkrankheit
Seit den starken Regenfällen zu Anfang des Jahres 2018, dem Sturmtief Friedericke und den trockenen Sommermonaten 2018 und 2019 erleidet der Licher Forst große Schäden. Allem voran die Rußrindenkrankheit, der mehr als 30.000 Ahornbäume zum Opfer fielen. Die Bäume mussten gefällt und verbrannt werden. Erst danach konnte Jörg mit der Aufforstung des Waldes beginnen. Die Fragen, wie er die Kosten für die Hege und Pflege der neuen Bäume minimieren und dabei trotzdem nachhaltig arbeiten könnte, ließen ihm keine Ruhe.
Waldschäferei und Hutewald
Als Jörg ein antiquarisches Buch über Waldschafe liest, nimmt die Idee einer Waldschäferei Gestalt an. Schon früher gab es den sogenannten Hutewald – Waldweiden, die zur Viehhaltung genutzt wurden. Jörg und Isabell sind sich schnell einig. Sie wollen eine Waldschäferei aufbauen. Am Anfang wurde die Idee zwar belächelt, doch ein eingeholtes Gutachten bestätigt den beiden, dass der Einsatz von Schafen wesentlich ökologischer und auch kostengünstiger sei, als die Pflanzung dreimal im Jahr von Waldarbeitern mähen zu lassen.
Der Schafstall am Holzhof
„Auf der Ladefläche eines Pick-Ups kamen Lotte, Elvis und Mimi, die ersten Shropshire-Schafe aus Hamburg nach Lich“, erinnert sich Isabell. Sie kennt die genetischen Eigenschaften der Tiere. Shropshire-Schafe werden in Baumkulturen zur Pflege eingesetzt, weil sie weder Nadelhölzer noch Laubbäume anknabbern. Diese Fähigkeit ist auf ihr angeborenes Fressverhalten zurückzuführen, da Shropshire-Schafe ihre Futterpflanzen selektiv auswählen. Die spezifischen Einsatzgebiete dieser Schafrasse reichen von der Landschaftspflege über die Beweidung von Nadelholzkulturen bis hin zur Pflege von Streuobstwiesen und Obstplantagen. Sogar in Weinbergen sind die Shropshire-Schafe zu finden.
Schäferin im Glück
Schon seit vier Jahren ist Isabell Heßler nun für die Herde verantwortlich und kann sich keinen anderen Beruf mehr vorstellen. Die gelernte Bürokauffrau liebt ihre neue Aufgabe, auch wenn sie während der Ablammzeit von Ende Januar bis Mitte März, alle Hände voll zu tun hat. Da muss die zweifache Mutter auch ab und zu wieder eine Nachtschicht einlegen. So wie menschliche Babys kommen auch kleine Lämmchen zu jeder Tages- und Nachtzeit zur Welt und manchmal muss nachgeholfen werden. Und das eine oder andere Lämmchen durfte auch schon mit zu Isabell nachhause und wurde dort mit der Flasche hochgepäppelt.
Aber das ist eher eine Seltenheit. Der Schafstall ist videoüberwacht, sodass Isabell ihre Schützlinge auch von zuhause aus über die Webcam beobachten kann. Dort sind die Schafe aber nur während der Wintermonate untergebracht. Den Rest des Jahres, von April bis Dezember, verrichten die Schafe die Aufgabe, die ihnen zugedacht ist. Sie sind die Landschaftspfleger des fürstlichen Forsts. In kleinen Herden von 10-20 Tieren sind sie auf den eingezäunten Waldweiden im Licher Wald als „Ökorasenmäher“ bei der Arbeit.
Die Vorzüge einer Waldschäferei
Isabell liebt ihren neuen Beruf. Schnell hat sie sich durch Weiterbildung, den Austausch mit anderen Züchtern und viel Engagement das nötige Wissen, z.B. in der Geburtshilfe angeeignet. Jeden Morgen und jeden Abend schaut Isabell nach den Tieren. Sie kennt ihre Schafe gut und sieht, ob alle wohlauf sind. Auch liegen für sie die Vorzüge der Waldschäferei glatt auf der Hand: dass z. B. die Schafwolle bei neuen Laubbaumpflanzungen nass mit ins Loch gegeben wird und diese so die Nässe für die jungen Pflanzen speichert. Außerdem düngt Schafwolle und vertreibt durch den in ihr enthaltenen Phosphor und Schwefel Nagetiere, die den Wurzelballen anfressen würden.
Für Jörg und Isabell ist der Wald Wasserspeicher, Erholungsort und CO2-Senke. Und er braucht mehr Pflege als je zuvor. Klimawandel und Käferbefall setzen dem Wald zu. 13 Mrd. Euro Schaden verursachten Extremwetter in den vergangenen drei Jahren bundesweit. Eine nachhaltige Bewirtschaftung hilft, die Schäden zu begrenzen und Kohlenstoffspeicher nachwachsen zu lassen.
Die Waldschäferei in Lich leistet einen ganz ohfamoosen Beitrag dazu.
Fotos: Fürst Solms Lich’sche Rentkammer