Der sensationelle Schaffner
Zur Abwechslung reist Elke mal wieder. Wer ihr folgt, weiß, wie gern sie mit dem Zug fährt. Am besten mit einem guten Schaffner. Und richtig gern liest sie wieder ihre Geschichte aus Juli 2020, als sie eine Reise mit Umwegen zu bewerkstelligen hatte … Wir von ohfamoos mögen Bahn-Geschichten, hier sind wieder zwei!
Meine letzte Reise auf der Strecke von Köln nach München besticht durch einen sensationellen Schaffner. Erst geht er mit viel Humor auf zwei bayerische Jungs ein, die – noch etwas angedudelt vom Derby Gladbach gegen Köln – neben mir im Zugrestaurant hocken. Später hilft er einem aufgebrachten Mädchen, die Fassung wiederzubekommen und beide Male telefoniert er einfach.
Er bittet um das Handy des Passagiers und bespricht das Thema ruhig und sachlich.
Habe ich so noch nie erlebt. So einfach kann man also Situationen regeln: mit Freude am Job, Sprachwitz und ein paar Ideen.
Hallo Tim, hier spricht dein Schaffner
Im 1. Fall – die zwei bayerischen Jungs können kein Ticket vorweisen. Der Freund, der in einem anderen Zugabteil sitzt, hat es bei sich. Der Schaffner fragt kurzerhand nach dem Handy des Jungen und telefoniert so: „Hallo Tim, hier spricht dein Schaffner.“
Die Jungs gucken sich belustigt an, was ihr Freund jetzt wohl denken mag? Und der Schaffner redet weiter, bittet darum – sie sind wie von ihm gewünscht auf Facetime – dass Tim ihm via Handy zeigt, wo er sitzt, und dieser Beweis genügt dem Schaffner. „Alles klar, ich habe ja schon den Screenshot vom Ticket gesehen, bis später, gute Reise!“
Die Jungs sind erleichtert, der eine trinkt weiter sein Bierchen, der andere hatte die Nacht zuvor wohl genug davon und nibbt an seinem stillen Wasser. Sie sind vom Schaffner genauso begeistert wie ich. Und über das Fußballspiel höre ich noch: „Tolles Spiel, auch wenn unsere Mannschaft nicht gewonnen hat…“ Oh, Gladbach-Fans, dann mal schnell raus aus Köln 🙂
Etwas orientierungslos
Stunden später die 2. Aktion. Unser Zug wurde umgeleitet, plötzlich stehen wir länger an einem Bahnhof und es stürmt eine größere Familie rein. „Ob das hier richtig ist, Papa?“, kräht der eine Sohn. Als sie sitzen, kommt eine Durchsage, dass dies nicht der Zug nach Dresden sei – wer dorthin über Erfurt wolle, bitte auf den nächsten Zug warten. Ein junges, alleinreisendes Mädchen ist aufgelöst. Über eine Dreiviertelstunde habe sie draußen gewartet, jetzt hat sie die Orientierung verloren. Ich versuche sie zu beruhigen, auch eine andere Passagierin redet freundlich auf sie ein.
„Aber ich kenne mich nicht aus“, ruft sie mehrfach, den Tränen nah.
Erst „dem“ Schaffner gelingt es, die junge Frau zu beruhigen. Er setzt sich neben sie und sagt, dass sie jetzt mit ihm nach Nürnberg führe und dort mit einem direkten Zug nach Erfurt. Diese Verbindung suche er ihr jetzt heraus und zückt sein Handy. Das Mädchen ist entsetzt: „Aber ich kenne mich nicht aus“, ruft sie wieder. Sie zittert, ich überlege, ob sie vielleicht auch krank ist. Sie telefoniert, ruft ihren Vater an. Sie wird ruhiger und auch hier: Der Schaffner übernimmt.
Der Schaffner übernimmt
„Hallo“, spricht er freundlich ins Telefon, „Sie sind der Vater von Stella? Ich bin der Schaffner und ich möchte sie informieren, dass ihre Tochter etwas später kommt. Ich begleite sie jetzt zum übernächsten Bahnhof, damit sie dann nicht mehr umsteigen muss. Es ist alles in Ordnung.“ Er gibt noch die Daten durch, dann telefoniert Stella weiter. Sie hat sich gefangen, fordert ihren Vater sogar auf: „Das ist nicht lustig, Papa, das ist nicht zum Lachen.“
Ich lächle. Krass, wie der Schaffner Situationen stemmt – mit leichter Hand und offenem Herzen. Als wir kurz vor Nürnberg sind, eilt er auch schon wieder herbei und sorgt dafür, dass das Mädchen nun den Zug wechselt. Ich tippe ihm auf die Schulter und sage: „Sensationell, wie Sie das machen.“ Er freut sich, ist aber nicht überrascht. Offenbar weiß er, dass er einen guten Job macht. Selbstbewusst ist er also auch und ich freue mich, dass Menschen wie er Schaffner sind. Diese Zugewandtheit ist das Salz in der Suppe. Reisen ist leichter.
… und mein ohfamooses Fazit: Bahnfahren macht mir immer wieder Spaß.
Übrigens bin ich fast sicher: Die 45 Minuten Verspätung hätte ich mit dem Auto auch gehabt, nur ohne die Bekanntschaft mit diesen (und anderen) netten Menschen.
Fotos: Elke Tonscheidt und unsplash