Munch muss malen
Kunstliebhaber jubeln, nach zwei Jahren Coronakrise sind Museen wieder frei zugänglich. So hat sich Sonja in Wien auf den Weg zur Albertina gemacht, um sich dort die beeindruckenden Werke von Edvard Munch und gegenwärtigen Künstler*innen, die er mit seiner Kunst beeinflusst hat, anzuschauen.
Wer war Edvard Munch?
Man muss seinen Namen nicht kennen aber sein berühmtes Gemälde „Der Schrei“ kennen viele. Edvard Munch (1863–1944) war ein norwegischer Maler und Druckgrafiker, der nur schwer einer Stilrichtung zugeordnet werden kann. Seine Malweise brach mit der damaligen akademischen Tradition und er wird deshalb gern als „Vater der Moderne“ und Wegbereiter für den Expressionismus bezeichnet. Munch verstand es menschliche Grunderfahrungen, wie Angst, Verzweiflung oder Einsamkeit, in seinen Werken zum Ausdruck zu bringen.
Schon in jungen Jahren formuliert Munch eine Art Manifest für sich:
Eine Kunst, die aus den Tiefen unseres Inneren kommt. Die Kunst soll den Menschen bewegen und ein Ausdruck seines Lebens sein. Ein Leben, erfüllt mit Liebe, Leid und Gefühlen.“
Munchs Leben und Werke
Munchs frühe Werke wirken sehr traurig auf mich. Zu meinem Glück wird sein Leben in der Ausstellung gut erklärt. So erfahre ich zu den jeweiligen Gemälden die Lebensumstände des Künstlers. Die meisten seiner Bilder beruhen auf Erinnerungen an seine tragisch verlaufende Kindheit.
Munchs Leben war von Tod und Verzweiflung geprägt. Seine Jugend verbringt er in Kristiana, dem heutigen Oslo. Erst sterben seine Mutter und dann seine Schwester an Tuberkulose. Sein Vater und seine zweite Schwester werden geisteskrank. Munch fällt in starke Depressionen und in späteren Jahren leidet er zeitweise unter Verfolgungswahn. Er verfällt dem Alkohol und wird immer wieder in Kliniken behandelt.
Munch wechselt auch öfter seinen Wohnort in Europa. Er pendelt zwischen Berlin, Paris und der Stadt Ekely bei Oslo. 1916 zieht er sich in sein Haus in Ekely zurück und findet erst dort wieder innere Ruhe und Stabilität. Er lebt in zunehmend selbstgewählter Isolation, spartanisch, nur von seinen Bildern umgeben. Als 1940 Norwegen von den Nationalsozialisten besetzt wird, werden viele seiner Gemälde als entartete Kunst eingestuft und aus deutschen Museen entfernt.
Munch muss malen
Während ich durch die Ausstellung schlendere, habe ich das Gefühl: Munch musste malen. Ein Foto zeigt, dass sein Haus mit Leinwänden vollgestellt ist.
Auch kurz vor seinem Tod malt er ein Selbstportrait.
Zu seinen wichtigsten Werken gehört „Der Schrei“. Um das Bild zu verstehen, hilft sein Tagebucheintrag vom 22. Januar 1892:
„Ich ging mit zwei Freunden die Straße entlang – dann ging die Sonne unter – auf einmal wurde der Himmel blutrot – und ich fühlte mich von Melancholie überwältigt. Ich blieb stehen und lehnte mich todmüde gegen die Reling – Wolken wie Blut und Feuerzungen hingen über dem blauschwarzen Fjord und der Stadt. Meine Freunde gingen weiter, und ich stand allein und zitterte vor Angst. Ich spürte einen großen, nicht enden wollenden Schrei, der die Natur durchdrang“.
Im Dialog mit Munch
Die Ausstellung der Albertina in Wien zeigt in über 60 Werken des Künstlers sein beeindruckendes Schaffen. Aber keines der vier Versionen von „Der Schrei“ von Munch. Diesen sieht man nur im zweiten Teil der Ausstellung.
Dass Munch für die moderne und zeitgenössische Kunst wegweisend ist, beweisen die sieben KünstlerInnen der Gegenwart, die mit Munch und seinen Werken in Dialog treten. Das sind Georg Baselitz, Andy Warhol, Miriam Cahn, Peter Doig, Marlene Dumas, Tracey Emin und Jasper Johns.
Die von den KünstlerInnen selbst ausgesuchten Werke illustrieren den Einfluss Munchs auf die Kunst bis heute.
Munch ist einer der wenigen Künstler, der sowohl für seine Gemälde wie für seine Druckgrafiken berühmt ist. Er wurde 80 Jahre alt und schuf mehr als 1.750 Gemälde, rund 10.000 Zeichnungen, zahllosen Skizzenbüchern über 750 Druckgrafiken, 180 Fotografien, Skulpturen und er schrieb etwa 10.000 Seiten Text.
Die Ausstellung ist noch bis zum 19. Juni 2022 in der Albertina zu sehen. Ich empfehle sie Euch sehr.
Fotos: Sonja Ohly