Ideen entstehen im Gehen: Pilgern und Business
Pilgern und Business – für Gastautorin Jana Wieduwilt ganz selbstverständlich. Das war nicht immer so, aber sie sagt heute: „Inzwischen ist BusinessPilgern ein Lifestyle geworden, zu dem ich meine Klientinnen einlade.“ Das bedeutet: Jana baut mit ihren Klientinnen Businessmodelle, mit denen sie selbst zu Pilgerinnen werden können.
Um besser zu verstehen, was Pilgern und Business ist, beschreibt Gastautorin Jana Wieduwilt ihren harten Weg dorthin. Sie weiß, aller Anfang ist schwer, erfordert Mut – bringe jedoch Kraft und neue Perspektiven. Hier ihr sehr offener Gastbeitrag.
Jana Wieduwilt über Pilgern und Business
Ich schaute in den Kühlschrank. Eier. Und ein Wurstzipfel. Sonst? Ein paar Äpfel. Hinter mir am Tisch zwei kleine Steppkes, die offenbar hungrig waren.
„Wie sieht es aus, wollen wir heute Grinse-Eier essen?“
Natürlich waren die Steppkes begeistert. Ich machte Spiegeleier und streute mit Paprika einen Smiley auf jedes Ei-Gelb. Begeisterung. Und satt waren sie auch.
Am nächsten Tag die gleiche Szene. Es waren weniger Eier im Kühlschrank und immer noch der Wurstzipfel. „Hey, heute gibt es Rührei und ihr dürft rühren“, machte ich mir und meinen beiden Jungs Lust auf Ei-mal-anders. Wieder Begeisterung.
2004 in der brandenburgischen Provinz
Meine Begeisterung hielt sich in Grenzen. Ich wusste, dass es noch drei Tage waren, bis mein kleines Honorar von der Zeitung kam, für die ich als freie Journalistin arbeitete. Dann konnte ich den Kühlschrank wieder füllen. 2004 in der brandenburgischen Provinz, in Ostdeutschland. Wenige hundert Euro, das war echt immer sehr knapp. Kindergartengebühren und so weiter wollten ja auch bezahlt sein.
2002 war ich mit meinem zweiten Studium fertig geworden. Ich war Diplom-Kauffrau und Diplom-Ingenieurin – und vom Arbeitsamt kam nur die Ansage, ob ich nicht zu Hause bleiben wolle – bei den Kindern. Mein Mann, von dem ich mich kurz darauf trennte, verdiene doch einigermaßen. Das kam für mich nicht in Frage. Daher bewarb ich mich – völlig ohne Erfahrung – als freie Journalistin bei der lokalen Zeitung.
Ich wurde genommen, aber natürlich sehr, sehr schlecht bezahlt. Rund 25 Euro für einen Artikel, für den ich manchmal einen halben Tag Arbeit aufwenden musste. Nun: Es gab nichts anderes, damals im Osten Deutschlands. Meine beiden Kids, zwei Jungs, die waren damals 2 und 3 Jahre alt und ich wollte raus aus dem Mangel. Wusste nur nicht wie! Ich arbeitete, wenn die Beiden im Kindergarten waren oder schliefen. Meine Mutter wohnte zum Glück wenige Meter von uns entfernt und so konnte ich dank ihrer Unterstützung Schritt für Schritt meine Selbstständigkeit ausweiten.
Irgendwann fragte mich ein Unternehmen, bei dem ich als Freie Journalistin war, ob ich auch PR könne. Hatte ich noch nie gemacht.
Aber klar. Ich sagte, dass ich das könne.
Und bemerkte, dass das deutlich besser bezahlt wird. Irgendwann fragte Jemand, ob ich auch den Flyer zum Text machen kann. Ich sagte Ja, obwohl ich noch nie in meinem Leben einen Flyer gemacht hatte. Ging nach Hause, recherchierte, probierte, machte Nachtschichten, bis es passte. Holte mir Partner ins Boot.
2006 startet die klassische Werbeagentur
2006 gründete ich dann Wieduwilt Kommunikation als klassische Werbeagentur. So langsam wuchsen Aufträge und Kundenzahl. Und alles, alles lief über meinen Tisch. Ich verhielt mich, obwohl ich inzwischen ein paar Mitarbeiter hatte, wie eine Selbstständige. Bis zu dem Tag im April. Ich versuchte gerade, mir etwas zu Essen zu machen, während ich am Telefon einem Mitarbeiter erklärte, was er tun sollte. Es war ein anstrengendes Gespräch, denn ich konnte weder ordentlich führen, noch konnte ich entspannt sein.
Ich war immer im Druck: Die nächste Rechnung musste beglichen, weitere Aufträge hereingeholt und die laufenden Aufträge bearbeitet werden. Es gab Reklamationen. Und ich war immer im Druck. Endlich hatte der Mitarbeiter kapiert und mein Essen war fertig. Ich setzte mich. Dabei machte ich eine ungeschickte Bewegung und stieß die alte Blumenvase um, die auf dem Küchentisch stand.
Sie fiel. Ich schaute zu, alles lief wie Zeitlupe.
Und dann heulte ich los. Tränen. Tränen. Tränen. Die Vase war weder ein besonderes Erinnerungsstück noch besonders wertvoll. Ich saß einfach da und weinte. Hemmungslos. Unfähig mich zu rühren. Ich saß, bis abends mein neuer Lebenspartner nach Hause kam. Gab ihm mein Handy und bat ihn, alle Termine abzusagen. Ging ins Bett und schlief fast 30 Stunden durch. Als ich aufwachte, beschloss ich: So kann es nicht weitergehen.
Ich baute mein Unternehmen um. Lernte Führungskraft zu sein. Lernte, zu delegieren. Und ich lernte, an Wochenenden häufiger Pause zu machen. Vor allem lernte ich, selbstbewusst meine Preise so zu gestalten, dass der Wert meiner Arbeit bezahlt wurde.
Und ich ging Fasten. Im Kloster lernte ich einen Mann kennen, der ähnliches erlebt hatte, und nach seinem Zusammenbruch einfach die Firma zugeschlossen hatte, und Pilgern gegangen war. Direkt vor der Haustür auf der Via Regia war er gestartet. Getroffen hat er sich selbst und seine große Liebe, mit der er heute verheiratet ist. Das faszinierte mich.
2018 ging es endlich auf den Jakobsweg
2018 endlich war ich so weit. Ich startete auf dem Jakobsweg in Spanien. Das erste Mal viele Wochen raus aus der Firma. Mein Team sorgte für den reibungslosen Ablauf. Das war das Sahnehäubchen auf meinen bisherigen Erfahrungen. Vormittags pilgerte ich. Sah die Schönheiten der Natur, genoss Einsamkeit oder gute Gespräche mit den Mitpilgern. Ich erlebte die Wunder des Camino.
Und nachmittags, in der Pilgerherberge angekommen, packte ich meinen Laptop aus und beantwortete Mails, führte kurze Telefonate, konnte an dem ein oder anderen Projekt weiterarbeiten – und war in zwei Stunden so effektiv wie sonst in sechs Stunden.
Das wollte ich unbedingt mitnehmen nach Hause. So begann ich, im Frühjahr 2018 damit, jeden Tag pilgern zu gehen. Morgens 1-2 Stunden vor der Arbeit, bevor ich Mails oder Social Media checkte. Um 9 war ich dann trotzdem im Büro. Herrlich! Ich war effektiv und positiv wie nie. Die Natur und die Bewegung gaben mir die Kraft dafür. Und ich wollte mehr.
Das erzählte ich natürlich auch unseren lieben Kunden, die wir bei Wieduwilt Kommunikation seit Jahren im strategischen Marketing beraten und begleiten. Eine Kundin fragte mich, ob wir mal einen Tag zusammen pilgern könnten. Gesagt, getan. Und dieser Tag, du wirst es nicht glauben, dieser Tag war so wunderbar. Denn wir sind nicht nur ein gutes Stückchen Jakobsweg gegangen, sondern auch ein ganz gutes Stück in ihrem Marketing vorangekommen. Haben Ideen entwickelt, die so neu und ungewöhnlich waren, dass ich es selbst niemals in dieser kürzeren Zeit für möglich gehalten hätte.
Kurz: Das BusinessPilgern war geboren.
Mittlerweile habe ich daraus eine Methode entwickelt, schnell zum Kern vorzudringen, zum wirklichen Alleinstellungsmerkmal, zur Story meiner Kunden. Daraus kann dann die wirksame Marketingstrategie abgeleitet werden.
Beim Pilgern wechselst du die Perspektive. Pilgern ist der Weg zu dir selbst. Ein zielgerichtetes Vorwärtsgehen. Schritt für Schritt. Du bist in der Natur. Das relativiert. Es öffnet den Blick für die wunderbaren Möglichkeiten jenseits deiner Bürotür. Es schafft Abstand und das Wichtigste: Du bist schon losgegangen. Physisch und im Kopf.
Meist haben sich nach wenigen Schritten schon die wirklichen Herausforderungen gezeigt. Dann können wir daran arbeiten.
Wie geht es Dir heute?
Heute esse ich immer noch gerne Eier, aber nicht, weil nichts anderes im Kühlschrank ist, sondern weil ich sie einfach ab und an ganz gerne mag. Meine Jungs studieren und ich lebe im wunderschönen Löhne in Nordrhein-Westfalen. Meist allerdings bin ich mit meinem Mann im Wohnmobil unterwegs. Bei Kunden zum Pilgern. Beim Weltentdecken.
Gastautorin Jana Wieduwilt ist Unternehmerin, Businesspilgerin und Marketingexpertin. Nach Studium und Geburt ihrer beiden Söhne gründete sie 2006 die Agentur Wieduwilt Kommunikation. Heute berät sie, komplett ortsunabhängig, mit sieben Mitarbeitern Kunden auf authentischem Weg zu Wachstum und Erfolg. Bis es soweit war, durchlief Jana einige Tiefphasen – Scheidung, Geldmangel, Unternehmensaufbau und Überarbeitung prägten die ersten Geschäftsjahre. Heute geht sie mit vielen Kunden BusinessPilgern – um gehend die besten Ideen für das Marketing ihrer Kunden zu entwickeln.
Fotos: Privat
spannender Beitrag!