Die mit den Tasten flüstert – Hauke Kranz

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Poetic Piano, das ist es, was Hauke Kranz spielt. Das war nicht immer so. Denn als die klassische Pianistin mit Anfang 40 erkrankte, war erst einmal Schluss, und es gab „ein paar Jahre ein Vakuum“. Was ist danach passiert? Was entstanden, als die Musikerin dennoch weiterspielte, zaghaft erst und dann immer bewusster? Darüber hat sie mit ohfamoos gesprochen und Elke Tonscheidt dokumentiert im Folgenden das Interview.
Du bist seit 2016 mit eigenen poetischen Klavierkompositionen unterwegs, drei CDs sind entstanden. Wie würdest Du Deine Art der Musik beschreiben?
Hauke Kranz: Ich nenne mein Genre „Poetic Piano“, es ist romantische Klaviermusik zum Ankommen bei Dir und im Hier und Jetzt. Wenn ich sie spiele, öffne ich mein Herz ganz weit und versuche mich mit meinen Zuhörern zu verbinden. Es entsteht ein besonderer Raum, wo die Menschen sich daran erinnern, worum es in ihrem Leben wirklich geht.
Gestartet als klassische Pianistin
In Deinem ersten Leben hast Du als klassische Pianistin und reine Interpretin gearbeitet. Worin liegt der Unterschied zu heute?
Früher habe ich Musik von anderen KomponistInnen gespielt und mich ganz in ihren „Dienst“ gestellt. Ganz besonders hat mich – damals wie aber auch noch heute – die Musik der Romantik (Schumann, Chopin, Mendelssohn) mit ihrer Emotionalität gepackt. Das ist zusammen mit Elementen aus der Film- und manchmal auch Entspannungsmusik in meinen Kompositionen zu finden.
Wer oder was inspiriert Dich?
Ich habe nur wenige musikalische Vorbilder. Und manchmal ist es nur ein Detail, das mich inspiriert. Bei Ludovico Einaudi ist es zum Beispiel die Tatsache, dass auch er erst viele Jahre durchhalten musste, bis er in höherem Alter dann seinen Durchbruch hatte. Bei Alexis Ffrench ist es sein wundervoller Klavierklang, die Wahrhaftigkeit und sein Herz, das unmittelbar in die Tasten fließt. Und bei der klassischen Pianistin Helené Grimaud berührt mich die Mischung aus Verletzlichkeit und unbändiger Kraft in ihrem Spiel.

Hauke Kranz in der Natur – hier entsteht vieles für ihr Poetic Piano.
Doch auch die Natur bewegt Dich sehr, oder?
Ja, am meisten inspiriert mich die Natur und da ganz besonders die Nordsee und die Insel Langeoog, die mein Sehnsuchtsort, Inspirationsquelle und „Tankstelle“ ist. Ich versuche, jedes Jahr eine längere Auszeit dort zu verbringen. Ich habe mein E-Piano mit im Gepäck und gehe während meiner Streifzüge über die Insel und am Strand auf Empfang. Viele meiner Stücke sind dort entstanden und auf meinen drei Alben „A new Dawn“, „Open Skies“ und „Beyond Boundaries“ zu hören. Auch in mein aktuelles Konzertprogramm „Whisper of the sea – was mir das Meer erzählt“ sind sie eingeflossen.
Konzerte am Fenster ins Leben gerufen
In der Corona-Zeit hast Du auch Fensterkonzerte gegeben – was nimmst Du aus dieser Zeit mit ins Hier und Jetzt?
Die Coronajahre 2020/21 waren für mich (wie für viele Künstler) eine schwere Zeit. Viele Monate durfte ich nicht auf die Bühne und hatte auch in meinem zweiten Beruf als Klavierlehrerin ein Arbeitsverbot. Das hat nicht nur große Existenzängste ausgelöst, sondern mich auch von meiner künstlerischen „Nahrungsquelle“ abgeschnitten, der Resonanz mit anderen Menschen im Konzert.
Bist Du deshalb raus ans Fenster?
Genau. Im ersten Lockdown war ich noch voller Kampfgeist und wild entschlossen, die Künstlerin in mir am Leben zu erhalten. Damals habe ich die „Konzerte am Fenster“ ins Leben gerufen und jeden Sonntagabend um 18.00 Uhr am offenen Fenster gespielt. Diese Konzerte wurden auf Facebook gestreamt und auf meinem Youtube-Kanal dokumentiert.
Wenn ich dort am Fenster saß und spielte, hatte ich das Gefühl, dass meine Musik in die Welt hinaus geht und etwas bewirken kann.
Und im 2. Lockdown war es anders?
Und wie! Als Ende 2020 der zweite Lockdown kam, fiel ich in ein tiefes Loch. Diese erneute „Vollbremsung“ war für mich ein Zeichen, dass meine Vision, meine Musik in die Welt zu bringen, wohl eine Illusion war. Ich ließ Alles los und in mir war nur noch Traurigkeit und Leere – wochenlang.
Und dann passierte etwas Magisches …
Du berichtest in Medien und auf Deiner Website, etwas Magisches sei dann passiert…
Tatsächlich passierte dann etwas Magisches: Aus dieser Stille in mir tauchten plötzlich Töne auf. Melodien und Harmonien, die mich wieder ans Klavier riefen. So intensiv, dass ich nächtelang saß und eine Komposition nach der anderen entstand. Ich konnte mich selbst damit trösten und halten und wieder neu Mut fassen. Und mir wurde klar: Wenn diese Musik das bei mir bewirken kann, dann kann sie das auch für andere Menschen tun. Und dann darf ich nicht aufgeben, sondern MUSS wieder losgehen. Mein drittes Album „Beyond Boundaries – jenseits aller Grenzen“ ist das Resultat dieser Zeit.
Warum wendest Du Dich besonders gern an die Generation Ü50?
Wenn ich mit Menschen dieser Generation ins Gespräch komme und mich als Pianistin „oute“, erzählen sie mir ganz oft berührende (und traurige) Geschichten „Ach, ich wollte als Kind sooo gerne Klavier spielen, aber es ging nicht, weil … Und nun ist es zu spät!“.

Poetic Piano – Hauke Kranz versteht sich als Tastenflüsterin.
Ist es das, zu spät?
Überhaupt nicht. Als Klavierlehrerin verstehe ich es sogar als meine Mission, mit diesem Vorurteil aufzuräumen. Ich habe mich auf den Unterricht für (ältere) Erwachsene spezialisiert und erfülle ihnen damit einen langehegten Traum. Außerdem denke ich, dass ich mit meiner Geschichte ein Vorbild und Inspiration für diese Generation sein kann.
Inwieweit?
Ich habe meine Karriere als klassische Pianistin beendet und bin mit Ü50 mit eigener Musik noch einmal neu durchgestartet. Mit allen Unsicherheiten, ob dieser Weg der richtige ist.
„Wofür bin ich wirklich auf dieser Welt?“ Das ist die Frage, die man sich gerade in dieser Lebensphase oft stellt.
Und ich bin ein Beispiel dafür, dass die Antwort darauf oft schon da ist. Wir müssen nur still werden, lauschen und bereit sein, sie zu empfangen.
Poetic Piano: Menschen erinnern, wer sie wirklich sind
Welche Botschaft war Deine?
Das Leben hat mir in den letzten Jahren immer klarer gezeigt, dass mit meiner musikalischen Gabe auch ein „Auftrag“ verbunden ist: Ich soll mit meiner Musik möglichst viele Menschen erreichen, berühren und daran erinnern, wer sie wirklich sind. Das ist ein wichtiger Beitrag für eine bessere, liebevollere und bewusstere Welt in der Zukunft und die „Delle“, die ich im Universum hinterlassen möchte.

Sehr gerne bereist Hauke Kranz die Insel Langeoog.
Sitzt Du lieber als Künstlerin oder als Lehrerin am Klavier – und kann man das überhaupt trennen?
Ich kann das tatsächlich nicht trennen. Denn in beiden Berufen bin ich ganz nah in Kontakt mit Menschen und kann viel bewirken. Im Unterricht darf ich Einzelne dabei begleiten, sich tiefer zu erfahren. Denn ich vermittle nicht nur das reine „Handwerk“, sondern erlebe immer wieder, wie die Beschäftigung mit Musik uns mit unserem Kern verbindet und in Kontakt mit tiefen Gefühlen bringt.
Und auf der Bühne?
Auf der Bühne gehe ich in nahen Kontakt mit dem Publikum. Ich erzähle die Geschichten meiner Piano Songs und von meinem Weg als Mensch, Frau und Künstlerin. Und wenn ich spiele, mache ich ganz weit auf und lasse mich führen. Dann schwingen da zwischen den Tönen Botschaften von Herz zu Herz mit – ganz ohne Worte. Das ist das Tastenflüstern …
So nennst Du Dich, die Tastenflüsterin – wem flüsterst Du ein und warum?
Die Bezeichnung „Tastenflüsterin“ ist nicht auf irgendeinem Marketing-Reißbrett entstanden, sondern kam 2018 ganz überraschend zu mir: In dieser Zeit habe ich mich oft gefragt, was da im Konzert „zwischen den Zeilen“ passiert und was ich dort (mal abgesehen vom Klavierspielen) wirklich mache. Die Antwort kam Ende 2018 in eine Reihe von intensiven Träumen.
„Die Menschen nannten mich die Tastenflüsterin …“
Magst Du uns Einblick in Deine Traumwelt geben?
Gern. Im ersten dieser Träume saß ich allein in einem wunderschönen, goldenen Theater mit roten Samtstühlen auf der Bühne. Der Saal war noch leer und dunkel. Und ich spielte nur für mich die ersten Töne von „A new Dawn“. Im zweiten Traum war der Saal ebenfalls dunkel, aber ich konnte spüren, dass dort unten viele Menschen saßen und mir gebannt lauschten.
Es folgte ein weiterer Traum?
Sogar mehrere; im dritten Traum war etwas Licht im Saal, ich konnte in viele glückliche Gesichter schauen und es flossen Tränen. Im nächsten Traum spielte ich mir die Seele aus dem Leib und die Leute im Saal sprangen von ihren Stühlen, klatschten und jubelten mir zu. Im letzten Traum öffneten sich mitten im Konzert die Wände des Theaters, und ich spielte für die ganze Welt. Die Menschen nannten mich „Die Tastenflüsterin“, und es war klar, dass ich mit meiner Musik heilen und verwandeln konnte …
Du hast vorher diesen Begriff nie gehört oder verwendet?
Ja, es klingt merkwürdig und als ich wach wurde, musste ich darüber lachen und tat das sogar zuerst als Spinnerei ab: „Die Tastenflüsterin? Ach Hauke, das ist doch lächerlich.“ Doch in den folgenden Tagen und Wochen ließ mich das nicht mehr los, und ich begriff, welches Geschenk mir da gegeben wurde. Nur wenig später stellte ich Alles um (Website, Social Media, Visitenkarten …) und ließ mir die Bezeichnung zur Bekräftigung als Marke eintragen. Seitdem bin ich „Hauke Kranz – Die Tastenflüsterin“ mit allen Konsequenzen. Manche Türen haben sich dadurch geschlossen, dafür sind andere aufgegangen.
Mehr über Poetic Piano und Hauke Kranz – die Tastenflüsterin
Dort findest Du auch ihre Konzerttermine, den Hauke Kranz ist mit ihrem neuen Konzertprogramm „Whisper of the sea – was mir das Meer erzählt“ derzeit auf Tournee. So beschreibt die Pianistin den Ausdruck ihrer Klavierstücke: Sie klingen „mal kraftvoll und mal zart, poetisch und berührend“. Romantische Kompositionen von Robert Schumann oder Fréderic Chopin, aber auch Filmmusiken wie die von Ludovico Einaudi oder Max Richter prägen ihren Stil. Jedoch, das sei der Unterschied: „moderner, persönlicher und emotionaler“.
Fotos via Hauke Kranz ( Akka Fotografie / Deff Westerkamp / Jasmin Bojé )
Übrigens: Hauke Kranz Wunsch war es, in unserem Blog mit einem Text zu erscheinen – so wandte sie sich an uns. Wenn Du auch eine Geschichte zu erzählen hast, melde Dich gern bei uns!