Büffelmozzarella: Weißes Glück aus Kampanien
Mozzarella ist nicht gleich Mozzarella. Weiß man auch in Deutschland. Aber woher genau der wunderbare Käse kommt, was die Bezeichnung DOP verrät, und wie der Weg von der Büffelmilch zum Käse verläuft, hat Gastautorin Sabine Tonscheidt im Südwesten Italiens, in der Provinz Salerno in Kampanien, auf einer Büffelfarm erlebt und für ohfamoos aufgeschrieben. Und nicht verpassen: Am Ende des Artikels gibt es Rezepte, wie man Mazzarella auf gleich vier Arten genießen kann!
Langsam kommen sie näher, schauen dich aus dunklen, glänzenden Knopfaugen an, ab und an ertönt ein Schnaufen durch die sehr feuchten Nasenlöcher, ihr Blick ist neugierig. Doch wehe, deine Bewegung ist zu ruckartig. Schon schrecken sie zurück, stolpern fast beim Einlegen des Rückwärtsgangs und suchen so schnell wie möglich das Weite.
Wir sind in Matinelle auf der Büffelfarm von Carmine Picilli.
Er ist einer der vielen Bauern, die hier in Kampanien, der Region im Südwesten von Italien, Büffel halten. Ihren Lebensunterhalt verdienen sie mit dem Verkauf der kostbaren Büffelmilch. Jene Milch, aus der der weltweit bekannte und beliebte Mozzarella gewonnen wird. Nur einer allerdings verdient die Bezeichnung Mozzarella di Bufala Campana DOP. Aber dazu später mehr.
Carmine hat das Arbeiten mit den Büffeln von seinem Opa gelernt
Dieser, so erzählt er mir an einem bewölkten, aber milden Montagvormittag bei einem Besuch auf seiner Azienda, knapp 100 km südlich von Neapel gelegen, hatte einst nur fünf oder sechs Tiere. Er kannte sie alle beim Namen. Heute betreibt sein Enkel die Farm mit rund 500 Tieren. Etwa sieben Mitarbeiter*innen und Helfer stehen ihm dabei zur Seite.
„Zusammen mit mir macht das neun“, scherzt Carmine und gibt damit zu verstehen: Ich arbeite für zwei. Tatsächlich scheint das Metier ein hartes zu sein: Jeden Morgen gegen vier Uhr heißt es aufstehen. Denn schon bald danach kommt etwa die Hälfte der 500 Büffel zum Melken. Die anderen sind entweder noch zu jung, um Milch zu geben. Oder aber „si riposano“, sie ruhen sich aus.
Nur in zehn von zwölf Monaten im Jahr führt Carmine seine Tiere zum Melken. Sonst verliert ihre Milch an Qualität. Und das soll unbedingt verhindert werden, denn mit der Milch macht Carmine sein Geschäft.
Der Melkvorgang
Die halbautomatische Melkmaschine kann acht Büffel auf einmal „bedienen“. Auf der einen Seite des ca. 20 Quadratmeter großen Raumes kommen die Tiere hereinspaziert; sobald sie Milch gegeben haben, geht‘s auf der anderen Seite wieder zurück in den Stall. Zweimal am Tag geschieht das, morgens und abends.
Ca. 30 Grad Celsius misst die Milch, wenn sie aus dem Tierleib kommt. Bis auf 5 Grad muss sie herunter gekühlt werden, bis sie am Morgen drauf in die Tanks der großen Lastwagen gepumpt und in die Molkereien gefahren wird. Bis die neugierigen, aber eher scheu wirkenden Büffel verstanden haben, dass die Melkmaschine ihnen nichts Böses tut, können laut Carmine schonmal bis zu 40 Tagen vergehen. Man braucht also durchaus Geduld für die Büffel.
Geduld und Zeit braucht auch das Melken: Etwa sechs Stunden benötigt Carmine mit seinem Team für die rund 250 Büffelkühe. Schon alleine das bedeutet einen zwölf Stunden Tag… Denn bevor die Euter der Tiere an die Maschine angeschlossen werden, werden sie angefeuchtet, um eventuellen Gries aus dem Euter zu entfernen, und leicht massiert.
So behandelt, gibt ein Büffel im Durchschnitt zehn bis 15 Liter Milch am Tag.
Das entspricht einem Drittel oder sogar nur einem Viertel der Milchleistung von „normalen“ Milchkühen. Es gäbe auch Büffel, die nur sieben oder sogar 30 Liter Milch am Tag geben, so Carmine. Ein Büffel ist schließlich ein Lebewesen, keine Maschine.
Mobbing im Stall
„Beim Melken ist eine Büffelkuh stets die erste“, lacht Carmine, der trotz seines harten Jobs ein sehr fröhliches Gemüt zu haben scheint. In der Tat, so bestätigt er auf unsere Fragen, gäbe es eine feste Rangordnung unter den Büffeln. Man weiß, wer hier das Alphatier ist und wer sich eher unterzuordnen hat. Manchmal, so erzählt der bald 63jährige, könne es auch passieren, dass die Büffel untereinander sich einen anderen zum Opfer aussuchen. Mobbing im Stall sozusagen. „Sie hindern den Büffel daran zu fressen, stoßen ihn zurück, attackieren ihn sogar“, so Carmine. Dann habe man als Bauer nur die Wahl: Entweder, das Geschöpf wird aus der Herde herausgenommen – oder aber es stirbt.
Sterben, das ist die traurige Kehrseite der Büffelzucht. Denn hier wird das Männchen lediglich zum Befruchten der Büffelkühe gebraucht. Keine unbedeutende Aufgabe zwar, denn nur danach geben die weiblichen Büffel Milch; das geschieht etwa nach zwei Jahren Aufzucht, nachdem sie zuerst Milch, dann Heu zum Fressen bekommen haben.
Was passiert mit dem Büffelfleisch?
Darüber hinaus sind die männlichen Büffel eher wertlos. Das Einzige, was aus ihnen wirtschaftlich herauszuholen ist, wäre ihr Fleisch. Etwas süßlicher als Rindfleisch soll es schmecken, probiert habe ich es noch nicht. Denn Büffelfleisch wird so gut wie gar nicht zum Verkauf angeboten. Da es sich keiner Beliebtheit erfreut, kommen die männlichen Jungtiere schon nach wenigen Wochen zum Schlachter. Zu lange würde es dauern, bis aus ihnen ausgewachsene Büffel würden mit schmackhaftem Fleisch. So wird ihr Fleisch nach der Schlachtung beispielsweise zu Hundefutter verarbeitet.
Carmine hat zu viele Tiere auf die Welt kommen und auch sterben gesehen, als dass er bei diesem Thema sentimental werden würde. 200 Millionen Büffel soll es weltweit geben, rund 400.000 in Italien, davon wiederum werden ca. 80-90 Prozent in Kampanien gehalten. 500 wie gesagt auf Carmines Azienda. Aber man merkt ihm an, dass ihm nicht wohl ist bei diesem Thema. Fast entschuldigend macht er für mich die Rechnung auf: „Ein junger Büffel frisst das gute Heu, das kostet mich etwa 40€ im Monat.“ Multipliziert mit zehn männlichen Büffeln sind das schon 400€. Der Schlachter hingegen bekommt 100€ für die einmalige Abholung…
Von der Milch zum Mozzarella
Zurück zur Milch, aus der der wertvolle Mozzarella gemacht wird. Das Wort kommt vom italienischen Verb mozzare, was so viel heißt wie schneiden oder auch abschlagen. So nennt sich die Technik bei der Käseproduktion, bei der die halbfeste Masse zwischen Zeigefinger und Daumen langgezogen und dann quasi abgeknipst wird.
Zunächst wird die Milch auf ca. 33-36 Grad erhitzt. Man verwendet Lab zur Gerinnung. Sobald die Käsemasse bricht, wird sie mit kochendem Wasser übergossen und so lange geknetet und gezogen, bis sie elastisch ist. Dann passiert das, was man hier „mozzare“ nennt.
Carmine bekommt für seinen Liter Büffelmilch etwa 2€ von den Molkereien, die in Italien Caseifici heißen. Er bedient verschiedene Molkereien und handelt mit jeder einen individuellen Einjahresvertrag aus. Jedes Jahr im August stehen neue Vertragsverhandlungen an. Zwischenhändler hat er nicht.
Aus rund vier Litern Büffelmilch gewinnt man ein Kilogramm Mozzarella.
Dieser wird zu einem Kilopreis von im Durchschnitt 10-14 € verkauft. Das Konsortium zum Schutz des Büffelmozzarellas aus Kampanien vermerkt auf seiner Website, dass im Jahr 2023 ganze 55.707 Tonnen Mozzarella produziert wurden. Etwa 40 Prozent davon wurde exportiert – das Käse verliebte Frankreich steht dabei an erster Stelle. Gerade in den letzten Jahren erfreuen sich die „weißen Perlen“ zunehmender Beliebtheit. Bis nach Amerika und China wird exportiert, mehr als 300 Millionen Euro beträgt der Exportwert.
Mozzarella ist nicht gleich Mozzarella
Mozzarella ist aber längst nicht gleich Mozzarella. Man muss schon die Feinheiten kennen. Im Handel gibt es den Mozzarella di Bufala oder auch den Mozzarella di latte di Bufala.
Nur der Mozzarella di Bufala Campana DOP ist allerdings der, auf den Kampanien so stolz ist und der die entsprechenden Preise am Markt erzielt.
Das DOP steht für Denominazione die Origine Protetta und verweist auf die geschützte Herkunftsbezeichnung, was bedeutet: Die Büffel müssen beispielsweise nach einer bestimmten Art gehalten werden. Sie bekommen nach dem Heu ein spezielles Kraftfutter und brauchen dann, wenn es heiß wird, eine Extra-Portion Wasser. Denn Büffel haben keine Schweißdrüsen, sie können also nicht schwitzen.
1996 wurde die Bezeichnung DOP mit ihren strengeren Regeln eingeführt.
Beim italienischen Wein sind wir an die Label DOC (di origine controllata) oder DOCG (di origine controllata garantita) häufig schon gewöhnt, ähnliches sollte uns beim Gütesiegel DOP womöglich auch gelingen…?! In den Ställen von Carmine sind Wasserrohre in ca. zwei Metern Höhe angebracht; steigen die Temperaturen, wird automatisch Wassernebel produziert, der das Fell der Büffel von oben anfeuchtet. Außerdem liegen die Büffel, wenn sie gerade einmal nicht fressen oder gemolken werden, gerne auf dem schlammigen Boden und käuen wider.
Mozzarella im Kühlschrank? Bitte nicht!
Aber Achtung: Nicht nur bei der Herstellung, sondern auch bei Zubereitung und Verzehr gibt es einiges zu beachten. Wer in Deutschland etwa bewahrt den Mozzarella nicht im Kühlschrank auf? Da gehört er aber gar nicht hin. Stattdessen wird er hier in Kampanien stets in Beuteln mit Flüssigkeit verkauft, die man sodann einfach bei Raumtemperatur aufbewahrt. Denn nur dann behält der Käse seine feine Konsistenz und seinen unnachahmlichen Geschmack, wird eben nicht gummiartig oder fast geschmacksneutral. Carmine würde seinen Mozzarella immer am ersten oder zweiten Tag essen. Aber er weiß auch:
Mozzarella, der sich bis nach China verkauft, wird auch gut und gerne mal 20 Tage aufbewahrt.
Dafür hat der Milchbauer nur ein Kopfschütteln übrig. Das gleiche Kopfschütteln bekomme ich im Gespräch mit ihm übrigens auch beim Thema Bürokratie.
Büffelfarm und Bürokratie
„Ein Bauer gehört auf den Acker oder in den Stall zu seinen Tieren“, sagt Carmine. Stattdessen verbringe er mehr und mehr Stunden am Tag vor seinem Computer und müsse Daten erheben und an die italienischen Behörden weiterleiten.
Zweimal pro Monat würden zudem Experten auf seinen Hof kommen und die Milch analysieren, sie etwa nach dem Säuregehalt untersuchen oder dem Fettanteil, der bei Büffelmilch übrigens, so lerne ich, mit 8% doppelt so hoch ist wie bei Kuhmilch. Für diese Untersuchungen zahlt Carmine 60€ im Monat. „Dabei wird meine Milch, die ich täglich an die caseifici liefere, dort ebenfalls einmal am Tag überprüft, einfach verrückt“, schimpft er über diesen doppelten Kontrollaufwand.
Zum Schluss meines Besuchs drückt der sympathische Bauer mir noch zwei unterschiedlich scharfe Peperoncini in die Hand. Ich könne ja versuchen, so meint er, die Samen in Deutschland einzupflanzen und zu schauen, ob sich daraus Peperoni-Bäumchen entwickelten. Solche, wie sie bei ihm neben dem Bürobau wachsen. Aber er weiß auch: In Deutschland fehlen Sonne, Wärme, Licht, Wasser – Elemente, die hier in dieser fruchtbaren Gegend in Kampanien so viel Wertvolles gedeihen lassen. Oder eben jene idealen Bedingungen schaffen, die für die Büffelzucht und den wunderbar weißen und schmackhaften Mozzarella so wichtig und unersetzbar sind.
Vier Arten, Mozzarella zu genießen
Mozzarella wird in Kampanien von 50g bis zu 1kg verkauft, als Kugel oder als kleine Bällchen, die Bocconccini genannt werden, bisweilen auch geflochten. Es gibt ihn natur und auch geräuchert, dann heißt er Mozzarella affumicata und schmeckt herrlich rauchig. Im folgenden vier Rezepte, wie man Mozzarella sehr einfach zubereiten kann.
Mozzarella mit Alici
Alici sind die leckeren Sardellenfilets in Öl, die auch zu einer Spezialität in Kampanien zählen. Käse und Fisch sollen zusammenpassen? Und ob: Einfach pur und kalt genießen, also eine Scheibe Weißbrot mit Olivenöl beträufeln, eine dicke Scheibe Mozzarella drauf und obenauf ein oder zwei Sardellenfilets legen. Oder aber das Ganze so kurz in den Backofen schieben, bis der Käse leicht zu verlaufen beginnt.
Mozzarella in carozza
Lucia vom Landgut A`Cràpa Mangia in Castellabate empfiehlt Mozzarella in Carozza. Dazu schneidet man den Käse in etwa daumendicke Scheiben, wälzt in erst in Ei, dann in Paniermehl, schiebt ihn in den Ofen bei ca. 180 Grad und hat nach etwa zehn bis 15 Minuten ein wunderbares Antipasto. Mit Salat kann es auch zu einer Hauptspeise werden.
Mozzarella con prosciutto crudo
Auf die Frage, was sein Lieblingsrezept mit Mozzarella sei, antwortet Costabile vom Landgut A`Cràpa Mangia sehr schnell und entschieden: Einfach die frische Kugel Mozzarella mit sehr gutem rohen Schinken kombinieren. Vermutlich wären schon ein paar Kirsch- oder Datteltomaten zu viel, um das pure Glück nicht zu zerstören. Es sei aber erlaubt… Ebenso wie die Variante mit Mozzarella affumicata.
Carciofi con Mozzarella di Bufala
Wer das Glück hat, frische Artischocken (carciofi) zu bekommen, sollte dieses Rezept probieren: 12 kleine bis mittelgroße Artischocken waschen, den Stiel und die äußeren, violetten und harten Blätter entfernen. Die Blätterspitzen stutzen, also etwa zwei cm abschneiden. Artischocke vierteln und den äußeren „Bart“ am unteren Ende ebenfalls entfernen. Mit Zitronensaft beträufeln und im kochenden Wasser mit Zitronensaft und Salz etwa 5-10 Minuten kochen. Etwas Olivenöl in eine feuerfeste Form geben, die Artischocken dazu und mit Scheiben vom Büffelmozzarella belegen. Salz und Pfeffer hinzugeben sowie einen Schuss bestes Olivenöl und dann für ca. eine halbe Stunde in den Ofen schieben.
Interessante Links zum Thema:
- Zur Dokumentation bei Arte mit viel Wissenswertem, aber auch einigen Infos über die dunkle Seite der Mozzarella-Herstellung.
- Mozzarella di Bufala Campana DOP kann man in Deutschland u.a. hier bestellen – probiert hat Sabine es dort jedoch noch nicht.
- Die Alici (eingelegte Sardellen) zum Beispiel kauft man etwa bei Donatella Marina in San Marco di Castellabate.
Und auch dieser Bericht von Sabine über ein Kreativstipendium bei A`Cràpa Mangia ist sehr zu empfehlen!
Kreativstipendium – oder: wo Projekte fern der Heimat gelingen
sehrintessanter und informativer Bericht! Vielen Dank,man lernt nie aus.
Hat mich aber schon schockiert, dass die jungen Büffel nur zur Besamung “ gebraucht“ werden und dann mit nur einem Jahr geschlachtet werden und zu Hundefutter verarbeitet werden!! Ein Grund, diesen Mozarella nie zu essen!!
Deiner Meinung! Man lese die Berichte von Peta, Greenpeace oder anderen Tierschutz-Orgas! Und man würde NIE so einen Qual-Büffel-Mozzarella aus Italien kaufen oder essen. Die männlichen Büffel „verrecken“ elendig auf der Weide, weil es günstiger ist, als sie zum Schlachthof zu transportieren! Ein sehr un-ethischer Artikel in meinen Augen!! Wie kann man sich das „hübsch-schreiben“?
Liebe*r ohfamoos-Leser*in, ich bin ganz Deiner Meinung: Dass die männlichen Büffel oftmals geschlachtet werden, ist ein wirklich schlimmer, kaum zu ertragender Punkt und erinnert an das Töten von männlichen Küken etc.. Gerade deshalb habe ich dieses Thema in meiner Reportage ja auch nicht einfach ausgespart, sondern habe explizit im Artikel darauf verwiesen und die Perspektive des Büffelbauern dazu gestellt. Ohne Wertung. Darüber hinaus habe ich extra auch den Link zur Arte-Dokumentation mit veröffentlicht, die ja genau die negativen Seiten der Büffelzucht beleuchtet. Schön geschrieben habe ich es somit m.E. nicht, sondern ich erlaube es jeder Leserin und jedem Leser, sich selbst ein Bild zu machen. Und ich kann sehr gut verstehen, dass man aus tierethischen Gründen vom Kauf von Büffelmozarella absieht. Vielleicht erklärt das ein bisschen etwas. Viele Grüße Sabine