Schrei nach Unabhängigkeit – Mexico erinnert sich
Letze Woche haben wir gefragt, wie Ihr als Deutsche zu Nationalfeiertagen steht. Und ein Ami „musste“ Deutschland verteidigen… In Mexiko feiert man am 16. September, den Schrei nach Unabhängigkeit mit einer Fiesta. Dass dabei kein Auge – und vor allem keine Kehle – trocken bleibt, ist klar! Hier ein Bericht aus Mittelamerika.
„El Grito de la Independencia. Der Schrein nach Unabhängigkeit und die Zeremonie des „El Grito“ (der Schrei) am 16. September ist die mexikanische Fiesta par excellence. Mexiko war drei Jahrhunderte lang eine spanische Kolonie, genannt „Nueva España“, Neu-Spanien. Im Jahre 1808 eroberte Napoleon Spanien und beschloss, seinen Bruder Joseph Bonaparte als König von Spanien (1808-1810) einzusetzen.
Schrei nach Unabhängigkeit
Das Chaos in Europa war der Auslöser: Konnten doch die Criollos, die damals herrschende spanische Schicht in Mexiko, jenes Chaos nutzen, um auf Unabhängigkeit von Spanien zu drängen. Sie waren von den Ideen der Freiheit, Gleichheit und Demokratie durch die französischen Philosophen Rousseau, Montesquieu und Voltaire beeinflusst. Außerdem lag die Unabhängigkeit der Vereinigten Staaten von Amerika erst ein paar Jahrzehnte zurück. Die Criollos beschlossen, den Unabhängigkeitskampf am 2.Oktober 1810 zu starten – doch wurden ihre Pläne Anfang September aufgedeckt.
Alternativen gab es
Jetzt gab es zwei Alternativen: Auf einen Kampf zu verzichten oder sofort zu starten. Letzteres geschah. Inden frühen Morgenstundendes 16. September1810 läutete Padre Hidalgodie Glocke seiner kleinen Kirche in Dolores Guanajuatoin Zentralmexiko. Mit diesem sogenannten „El Grito“ rief er die Gemeinde auf, für die Freiheit zu kämpfen. Dies war der Beginn des Unabhängigkeitskrieges, der 10Jahre dauern sollte.
Und das ist jener Moment, der an jedem 16. September auf jeder Plaza in Mexiko und von Mexikanern in der ganzen Welt gefeiert wird: Straßen, Häuser, Gebäude und Autos sind überall im Land geschmückt. An jeder Straßenecke gibt es Verkäufer von Fahnen, Luftballons und Sombreros die in den mexikanischen Nationalfarben (grün, weiß und rot) angemalt sind. Überhaupt wehen Fahnen praktisch an jedem Gebäude. Am beeindruckendsten ist die Fahne auf dem Zócalo in Mexiko-Stadt. Menschen aller Altersgruppen kommen zusammen, um an der kollektiven Fiesta auf diesem Zócalo (dem Hauptplatz), den es in jeder mexikanischen Stadt gibt, teilzunehmen.
Natürlich ist Essen ein wichtiger Teil dieser Festlichkeiten. Die traditionellen Antojitos, mexikanisches Fingerfood, Süßigkeiten (süß mit Chili) und Punsch sind ein Muss. Der Punsch ist ein Getränk aus Früchten, welches aus Guayabas, Zuckerrohr, Rosinen und Äpfeln nur speziell für diese Saison gemixt wird. In vielen Familien wird das ganz Haus für ein Festessen in weiß, rot, grün geschmückt.
Auch in Mexico feiert man am Abend vorher:
Am Abend des 15. September beginnen die Mexikaner, sich allmählich auf den Zócalos zu versammeln. Mitunter kann es sehr eng werden. VieleMenschen erscheinen in typisch mexikanischen Kleidern: Männer und Frauen in Charros oder „indigenen“Kleidern. Diejenigen, die kein typisches Outfit haben, kleiden sich zumindest mit in den Farben der Nationalflagge. LiveMariachi-Musik-Bands spielen, die Freude ist kollektiv und es gibt viel Geschrei und Lärm von Trompeten, Tröten und Trillerpfeifen.
Aufregung und Euphorie erreichen den Höhepunkt, wenn ein Regierungsbeamter auf den Zócalo kommt und um 23:00 Uhr „El Grito“ oder den „Schrei der Unabhängigkeit“ gibt. Dieses Ritual erinnert an den Moment, an dem Padre Hidalgo seine Anhänger in Dolores Guanajuato um sich versammelte und die Glocke läutete. 2011 jährte sich die Unabhängigkeit Mexicos von Spanien übrigens zum zweihundertsten Mal.
Nach dem Schrei: Viva Mexico
Es ist üblich, dass der mexikanische Präsident höchstpersönlich den „Grito“ in Mexiko Stadt auf dem Zócalo ausruft. Auf diesem Platz befindet sich jetzt auch die ursprüngliche Glocke des Padre Hidalgo, und sie wird ebenfalls an jedem 16. September geläutet. Die Zeremonie erreicht ihren Höhepunkt, wenn die Menge die Namen der Unabhängigkeitshelden wiederholt und am Ende dreimal „Viva Mexico“ schreit. Danach leuchtet der Himmel über Mexiko Stadt in den Farben rot, weiß und grün.
Holger Blankenstein lebt seit 9 Jahren mit seiner mexikanischen Frau in Mexico Stadt. Die Integration in die mexikanische Kultur erfolgte schnell und natürlich ist Holger inzwischen ein stolzer, von der Familie anerkannter, „Halbmexikaner“. Holger Blankenstein ist Gründer und CCO von Volaris, einer mexikanischen Fluglinie. Auch bei Volaris, gibt es einen „Zócalo“, einen Ort, wo Mitarbeiter zusammenkommen um wichtige Tage oder Erfolge zu feiern. So auch am 16. September, wenn dort der Ruf von Padre Hidalgo ausgerufen wird!
Text: Holger Blankenstein
Fotos: Marlene Oechler und Pixabay
Bravissimo Holger und Marlene!!