Liebe Männer: Was ist Euch wirklich-wirklich wichtig?
Liebe Männer, wie können wir gemeinsam Lösungen finden um den aufregenden Familienalltag besser zu wuppen? Man hört es oft: Jüngere Väter leben heutzutage viel selbstverständlicher die Rolle des aktiven Familienmanagers. Aber wie geht das? Sind Ehen nicht maßlos überfordert und überall ist Stress? Wie so oft ist es eine Frage des Blickwinkels. Elke hat Cornelia Lütge befragt.
Cornelia, wenn in einer Partnerschaft eine/r mit Kind/ern weitaus mehr arbeitet als der andere gibt das ein Ungleichgewicht. Wie kann ausbalanciert werden?
Wenn das Ungleichgewicht auf Dauer nervt, dann besteht Veränderungsbedarf, ganz klar. Nehmen wir die häufigere Situation, dass die Frau unzufrieden ist, weil sie seit der Familiengründung weniger arbeitet als der Mann?
Ja, denn oft beklagen sich die Mütter; die klassische Familiensituation ist offenbar noch nicht überholt?
Kommt darauf an, welche Altersgruppe wir betrachten. Bei den Jüngeren, der sogenannten Gen Y ist, ein chancengleiches Lebensmodell ja viel häufiger. Die jüngeren Väter leben selbstverständlicher die Rolle des aktiven Vaters und Familienmanagers. Wenn sie es denn wollen. Und das tun ja viel mehr als noch vor 10, 15 Jahren. Frauen erwarten das heutzutage auch. Gerade kürzlich las ich wieder von einem Paar, das ein striktes 50/50-Modell praktiziert.
Und die sogenannte Generation X kriegt das nicht hin?
Zumindest ist das klassische Modell dort stärker verbreitet. Und nicht alle sind auf Dauer damit zufrieden. Frauen, weil sie feststellen, wie schwierig es ist, nach vielen Jahren Berufsabstinenz oder Teilzeit wieder qualifiziert einzusteigen. Manche Männer, weil sie es anstrengend finden, den Löwenanteil des Familieneinkommens ranzuschaffen. Zudem sind viele Frauen es irgendwann überdrüssig, maßgeblich für die Familienaufgaben zuständig zu sein; Männer stellen fest, wie viel sie verpasst haben in der Entwicklung ihrer Kinder.
Beide agieren oft zu spät und „schon“ ist der Schlamassel in Ehen da…
Wenn die tradierte Rollenverteilung in einer Familie sich über Jahre eingeschliffen hat, dann ist es eine enorme Herausforderung, die Veränderung zu meistern. Insbesondere, wenn die Frau etwas verändern möchte und es für den Mann unbequem wird. Das ist doch menschlich! Eine Lebensform, die Jahre Bestand und Berechtigung hatte ad hoc um 180 Grad zu drehen, ist ein großer Eingriff in persönliche Präferenzen.
Wie kann man es trotzdem angehen?
Mit viel Neugierde und Wohlwollen füreinander. Und einer unbedingten Offenheit bei Frau und Mann, sich konstruktiv über persönliche Bedürfnisse auszutauschen. Gehen wir vom besten Fall aus, dass die Liebe reif und aufrichtig ist. Dann haben beide ein Interesse daran, dass es dem Anderen gut geht.
Ist es aber nicht oft so, dass die Hektik des Alltags das überdeckt? Dass es eben nicht oder zu spät auffällt?
Ich halte das für vorgeschoben. Denn es macht doch wirklich betroffen, wenn z. B. die Frau mitteilt: „Meine Arbeit fehlt mir!“ Das hören wir doch überall! Oder wenn Frauen noch direkter formulieren: „Du fehlst mir, wenn du kaum Zuhause bist und dann auch noch k. o. Unser/e Kind/er brauchen dich mehr.“
Hast Du in Deiner Coachingarbeit auch mit Männern zu tun, die sich beklagen?
Oh ja. Männer geben es ungern zu laut zu, offenbaren jedoch immer hörbarer die Befürchtung ausgebotet zu werden. Wenn sie zum Beispiel plötzlich zwei Mal pro Woche früher aus der Firma gehen, ist das ja auch eine Veränderung. Für jeden!
Welche Lösungen gibt es?
Punkt 1: Es sollten GEMEINSAM Lösung gefunden werden. Punkt 2: Wer behauptet, es geht nicht, macht es sich zu einfach! Man MUSS eine Win-Win-Situation hinkriegen. Manchmal heißt es ausprobieren, verwerfen, neu justieren. Und immer wieder Neugierde für den Anderen aufbauen, ihm/ihr mit Wohlwollen begegnen und offen bleiben.
Das klingt nach wichtigen Einsichten!
Ja, ich habe viele Jahre auch Frauen begleitet, die in der Lebensmitte ein Karriere-Coaching in Anspruch nahmen. Dabei kamen meistens familiäre bzw. partnerschaftliche Themen auf den Tisch. Oft waren diejenigen nachhaltig erfolgreich bzw. zufrieden, die a) ihre echten Motive für die Veränderung kannten, b) ihre Ehemänner (und Kinder) mit auf ihre „innere“ Reise mitgenommen haben und es c) nicht zuletzt vermochten, ein klares Standing zu entwickeln und klar zu kommunizieren.
Wie kommuniziert man denn so klar?
Auf Seiten der Frauen half die Einsicht, dass eine massive Veränderung des Familienmanagements für den Mann fast eine Bedrohung sein kann: Will sie etwa raus aus der Familie? Wie soll ich zusätzliche Aufgaben auch noch meistern? Ich brauche meine Energie für den Job! Da entsteht ein Kopfkino, das es nicht zu bewerten gilt. Wir dürfen nicht vergessen: Männer in der Lebensmitte hinterfragen durchaus ihr Lebenskonzept und sehen oft keinen Ausweg aus ihrem Hamsterrad, spüren eine Abnahme an Kraft und haben sich jahrelang über ihre Karrieren identifiziert. Der Wettbewerb durch jüngere KollegInnen oder Marktveränderungen steigt und verlangt ihnen ab mitzuhalten. Eine Veränderung des Alltags kostest zusätzlich Kraft…
… die aber gut eingesetzt ist, um Ehen zu retten, oder?
Unbedingt! Denn bei allem Verständnis dafür, sollten Männer begreifen, dass Ehe und Partnerschaft nur Bestand haben kann, wenn sie sich entwickelt. Und dass Veränderung Teil des Lebens ist. Zur Liebe gehört eben den Bedürfnissen des anderen Raum zur Erfüllung zu geben.
Das klingt so schön und ist doch so schwer…
Wenn man einen partnerschaftlichen, ich nenne es mal neudeutsch „Deal“ hinsichtlich des Familienmanagements in Stein meißelt, ja. Besser ist es, die Bilder des Kopfkinos aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Dann erkennt man in ihnen auch das ohfamoose Positive!
Dafür brauche ich ein Beispiel bitte!
Ganz banal: Will ein Vater regelmäßig mehr vom Leben seiner Familie mitbekommen, kann er zum Beispiel die Chauffeurdienste seiner Frau teilen. Dafür muss er ab und zu pünktlich die Arbeit verlassen. Sein persönliches Plus ist, dadurch mehr Anteil am täglichen Leben seines Kindes zu haben. Er erfährt Freude und Sorgen unmittelbar – statt abends aus zweiter Hand von seiner Frau. Der Sorge, wie Kollegen und Mitarbeitende das sehen könnten, kann er mit Standing begegnen. Familienaktive Väter sind heutzutage viel angesagter als früher.
Aber genau davor haben doch viele Männer echt Schiss!
Verstehe ich ja auch. Und dennoch: Ist es nicht tragischer, eines Tages zu bemerken dass man seine Kinder nicht kennt? Ich sage: Sinnvolles Schaffen trägt maßgeblich zur Identifikation eines Menschen bei! Dafür ein Standing aufzubauen, das lohnt. Das geht nicht über Nacht, das ist schwer, ja. Aber es lohnt sich. Schließlich spricht man auch von einer Lebenskrise, wenn Menschen arbeitslos werden. Arbeit dient einem selbstbestimmten Leben und ist Ausdruck von Persönlichkeit!
Was empfiehlst du einer Mutter, die ihren Job jahrelang hat schleifen lassen?
Motivklärung, eine Kompetenzbilanz, Netzwerken und nicht zuletzt: aufrichtige Kommunikation mit ihrem Mann sowie Standing für ihre Bedürfnisse. Danach kommt der Plan fürs Umsetzen der beruflichen Ziele.
Mütter-Coaching, darüber hätten wir ja schon einen Beitrag. Wo siehst du hier die größten Bedarfe?
Ich empfehle Paaren, die an Familienplanung denken, sich unbedingt über ihr gewünschtes Lebensmodell auszutauschen, ihre Erwartungen aneinander und Vorstellungen von Leben & Karriere ehrlich zu besprechen. Und Vereinbarungen zu treffen!
Können die denn halten, wenn sich das Leben durch ein Kind vollständig wandelt?
Natürlich, manchmal wird man von der Elternrolle überwältigt und die Vorstellungen ändern sich, wenn ein Baby erst mal da ist. Und ja, es gibt verschiedene Lebensmodelle, die alle ihre Berechtigung haben. Ich habe erfahren, dass die „Berufsrolle“ früher oder später bei den meisten wieder an Bedeutung gewinnt. Es macht also Sinn, das einzuplanen, darauf vorbereitet zu sein. Sowohl hinsichtlich der Rollenverteilung als auch mit Hinblick auf die Karriere beim Arbeitgeber.
Bleiben wir bei den Frauen. Was empfiehlst Du ihnen?
Es sind drei Dinge: 1. Brauchen berufstätige Frauen mit Kindern nach meinen Erfahrungen immer noch viel mehr Selbstverständlichkeit dafür: Männer bzw. Väter HELFEN nicht, sondern leisten selbstverantwortlich ihren Part in der Familie. 2. sollten Mütter ihre unbezahlte Arbeit in der Elternzeit selbst sehr hoch wertschätzen! Und 3. müssen Frauen oft nach einer beruflichen Auszeit ihre Kompetenzen und ihr Potenzial neu entdecken und hochjubeln. Understatement bzw. ein Mangel an Selbstbewusstsein für das, was sie können, sind noch viel zu oft an der Tagesordnung.
Kommen wir abschließend zu den Vätern…
Ich appelliere an die Männer der Generation X, also an die 40-50 jährigen: Willkommen in 2018! Ihr dürft erfolgreich im Job und engagierte Familienväter sein. Ihr seid Vorbilder für eure Kinder und jungen Kollegen, wenn ihr eine chancengleiche Partnerschaft lebt. Aus dem Hamsterrad könnt nur ihr selbst aussteigen. Und überprüft doch mal das Kopfkino vom „Ohne-mich-geht-nix-Manager“! Nicht zuletzt: Auch ihr lebt nur einmal. Was ist denn wirklich-wirklich wichtig?
Danke, liebe Cornelia, für diese Inneneinsichten in unsere auch eigene ohfamoose Denkweise.
Mehr über Cornelia Lütge
Spannend, die Meinung einer Leserin via Twitter, die wir hier gern weiter geben. Sie sagt, es wäre viel interessanter noch, hätten wir zu dem Thema Männer befragt. Stimmt, auch gut, also, liebe männliche Leser: Wen darf ich dazu interviewen????