Fasten: Vor Stolz fast platzen
Fastenzeit – immer wieder ein Thema, ob in der Zeit vor Ostern oder auch bereits im Advent. Wie sich das Fasten nach Buchinger, sprich 5 Tage lang ohne feste Nahrung, auswirkt, kann das bei unserer Gastautorin Sabine Tonscheidt nachlesen. Sie ist heute noch von ihrer ersten Fastenwanderung begeistert…
Keiner hält mich mehr auf – ich sitze in der Bahn Richtung Rheinsberg-Luhme. Zweimal umsteigen, und der knapp 100 Kilometer von Berlin entfernt liegende Ort im nördlichen Brandenburg ist erreicht. 5 Tage Fastenwandern stehen auf dem Programm. „Wie bitte – fasten und dann auch noch wandern?“ Ständig werde ich das vor meinem kleinen Abenteuer gefragt! Ich weiß es selbst nicht, schließlich ist es mein erstes Mal.
Fasten nach Buchinger
Fasten nach Buchinger – das heißt: 5 Tage lang keine feste Nahrung, täglich mindestens drei Liter Flüssigkeit in Form von Kräutertee oder stillem Wasser und abends ein Fastensüppchen. Klingt nicht so, als ob man noch zu irgendwas außer Ruhen in der Lage wäre. Ein Experiment also.
Ankunft in Rheinsberg. Noch 13 km bis zum Hotel am Birkenhain im Ortsteil Luhme, wo der Fastenkurs stattfindet. Kein Taxistand, kein Busverkehr. Nur 8.500 Seelen zählt das kleine Örtchen, das im Sommer Besucherscharen anzieht. Denn mit Rheinsberg sind große Namen wie Friedrich der Große, Theodor Fontane und Kurt Tucholsky verbunden. Sie hinterließen prächtige Schlösser oder prägten den Ruf Rheinsbergs als Ort „geistiger und heiterer Idylle“.
Mein Anliegen ist ein ganz anderes: eine Woche Enthaltsamkeit üben und dabei erfahren, wozu Körper, Geist und Seele in der Lage sind.
Besagtes Hotel verdankt seinen Namen den zahlreichen Birken und sofort ist klar: ein wunderbarer Ort zum Fasten. Keinerlei Ablenkung, nur Natur und Eulenrufe in der Nacht. Selbst der Aufenthaltsraum für die Fastengruppe ist separat vom sonstigen Restaurantbetrieb, das Hotelteam hat mitgedacht. Und so wird das so genannte „Mohnzimmer“ der Ort, an dem wir uns in den kommenden Tagen bevorzugt aufhalten – wenn wir nicht wandern oder die Seele im Wellnessbereich des Hauses baumeln lassen.
Wir, das sind sechs Personen, die sich wie ich zum Fastenwandern entschlossen haben. Drei Anfänger, drei Fastenkenner.
Für alle hat Fastenanleiter Jens Dreyer ein Ohr. Der 54jährige war nach einer eigenen Fastenkur derart angetan, dass er eine Ausbildung an der Sebastian-Kneipp-Akademie in Bad Wörishofen anschloss. „Da musste ich im fortgeschrittenen Erwachsenalter noch seitenweise Stoff pauken“, lacht der fröhliche Magdeburger (Foto), der vor 38 Jahren aus der Börde nach Brandenburg kam. Hier hat er seine Bestimmung gefunden.
Was uns in den nächsten Tagen erwartet? Darmreinigungen, die gar nicht so fies sind, wie sie klingen, und tägliche, etwa vierstündige Wanderungen. „Nach den ersten beiden Tagen hat der Körper auf Energiesparmodus umgestellt. Dann macht uns das Nicht-Essen kaum noch etwas aus“, erläutert Dreyer. Und schon geht es zur ersten kleinen Wanderung vor der Abenddämmerung. Es ist Sonntag, eigentlich Zeit für das behagliche Sofa zuhause, ein Gläschen Wein, ein gemütlicher Fernsehabend.
Doch nichts da: Der innere Schweinehund wird bekämpft, und so sind wir bald am friedlichen Kapellensee. Jeden Morgen um 8 Uhr, hören wir von Jens, werden wir an die Badestelle zurückkehren, um mit etwas Aufwärmgymnastik und Wassertreten unseren Kreislauf auf Trab zu bringen.
Fasten mit Glaubersalz
Der erste Abend endet mit dem für einen Fastenbeginn Unvermeidbaren: Glaubersalz. Ein bis drei Teelöffel, auf ein Glas Wasser getrunken, sollen die Darmentleerung bewirken. Der perfekte Einstieg in die Fastenwoche – der Darm wird gereinigt, es kommt keine feste Nahrung nach. So schrumpft der Magen; Tag für Tag weniger Hungergefühl …
In den nächsten Tagen entführt uns Jens Dreyer auf diverse Wanderstrecken. Zum Großen und zum Kleinen Wummsee, hinein in wunderschöne Naturschutzgebiete. Zwischendurch verteilt er immer wieder mal einen Teelöffel Honig. „Ihr sollt ja nicht leiden, sondern Spaß am Fasten haben.“ Der Honig schmeckt köstlich. Kaum zu glauben, wie bereits weniges große Freude bereiten kann.
Auch Leberwickel gehören mit zum Programm. Sie bewirken, dass die Leber um 40% mehr entgiften kann. Immer geht es um eines: hineinhören in sich und seinen Körper. Nach einem Tag sind sämtliche Glukosevorräte des Körpers verbraucht, dann werden die Proteinvorräte geräubert, bis der Körper sich ab dem dritten Tag von den so genannten Lipiden ernährt, den ungeliebten Fetten. Nun beginnt also deren Verbrennung, und die Bewegung hilft, Muskelmasse aufzubauen.
Jens Dreyer ist bei jedem Wehwehchen wie Kopfschmerz, trüben Gedanken, schwachem Kreislauf oder Mattigkeit an unserer Seite. Aber auch Glücksgefühle sind beim Fasten nicht selten – wenn man vor Stolz fast platzt, dass der Verzicht gelingt und man sich wohler fühlt denn je.
Fast 20 Seen haben wir in 5 Tagen gemeinsam umrundet. Jeder für sich ein kleines Naturerlebnis. Auch der Besuch einer kleinen Töpferei am Vilzsee in Mecklenburg-Vorpommern gehört mit zum Programm. Dort lesen wir: „Wenn ihr Eure Zeit nicht benutzt, um Eure Seelen zu erheitern, dann wird die Zeit entschwinden, und ihr werdet entschwinden, denn ein zweites Mal kann man die Zeit nicht benutzen.“
Dieser Sinnspruch, auf einem kleinen Flyer zu lesen, ist Horaz zugeordnet.
Am Ende der Woche fühle ich mich rundum aufgeräumt. Auch ein paar Pfunde weniger sorgen für ein gutes Gefühl. Nach so viel innerer Einkehr fällt die Rückfahrt nach Berlin schwer. Menschen mit Smartphones, prall gefüllten Einkaufstaschen, volle S-Bahn-Stationen – alles wirkt störend. Doch das gute Gefühl im Inneren macht gelassen. Ja, man kann fasten und dabei wandern. Das Experiment ist gelungen.
Wusstet Ihr’s?
- Glaubersalz ist ein Gemisch aus Kochsalz und Schwefelsäure, auch als Natriumsulfat bekannt, und wurde um 1625 vom deutschen Arzt, Apotheker und Chemiker Johann Rudolph Glauber hergestellt. Es bewirkt die Darmentleerung. Parallel schrumpft der Magen, so dass sich Tag für Tag weniger Hungergefühl einstellt. 60% der Energie verbraucht allein der Darm im menschlichen Körper.
- Wer durch ausgewogene Nahrung eine gute Balance im Körper herstellt, hat die beste Aussicht auf lang anhaltende Gesundheit und beugt überflüssigen Pfunden vor. Denn ein ausgeglichener Säure-Basen-Haushalt ermöglicht positive Reaktionen im körperlichen Stoffwechselvorgang: Fettverbrennungsprozesse funktionieren besser, Muskeln können sich besser aufbauen – man fühlt sich fitter.
Gastautorin Sabine Tonscheidt lebt und arbeitet in Berlin. Die Kommunikationswissenschaftlerin war viele Jahre in der Unternehmenskommunikation der GTZ, der heutigen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, tätig und stieg 2005 bei der AgenZ ein.
Fotos: Sabine Tonscheidt und pixabay
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Schöner Text, Sabine! 🙂 da bekommt man glatt Lust, es auch mal auszuprobieren … Viele Grüße nach Berlin!
Hut ab! Ich habe das vor länger Zeit mal alleine versucht und habe nach Tag 3 aufgegeben. Die Gruppe und die Ablenkung ist wohl sehr wichtig.
Ja, es hat sicher etwas mit der richtigen Begleitung zu tun. Und durch das tägliche Wandern ist man auf schöne Weise abgelenkt – und tut sich dabei noch viel Gutes. Toll ist: Fasten wirkt langfristig, man stellt danach einfach Einiges um, hat eine gesündere Einstellung zur Ernährung und zu sich und seinem Körper.