Politische Kommunikation gegen „alternative Fakten“
Seitdem Präsident Trump in den USA wütend wahr macht, was er vorher im Wahlkampf kommuniziert hatte, haben viele bei uns ein, diplomatisch ausgedrückt, unwohles Gefühl in der Bauchgegend. Sind amerikanische Verhältnisse auch bei uns möglich? Schließlich wählen wir im Herbst einen neuen Bundestag. Gregor Blach hat vor 15 Jahren in Berlin eine Agentur für Kommunikation gegründet. Elke hat mit ihm über „alternative Fakten“ gesprochen, über Toleranz und Meinungsfreiheit – und darüber, was uns 2017 aus Sicht eines Kreativen blüht.
Gregor, sind politische Wahrheiten heute zumutbar?
Gregor Blach: Nur die Wahrheit ist zumutbar, alles andere fliegt in Zeiten von Guttenplag, Wikileaks & Co. doch sowieso auf und erhöht die Politikverdrossenheit. Ehrlichkeit und Glaubwürdigkeit in der Politik waren daher nie so wichtig wie heute. Einzige Ausnahme sind dabei: wirkliche, echte „Staatsgeheimnisse“. Essenziell ist es ist, Politik und Entscheidungen immer wieder – auch mit den Hintergründen – zu erklären, gerade auch um sich deutlich von Populisten abzugrenzen. Dabei hilft: Kommunikation, Kommunikation, Kommunikation…
Politiker haben Images, die auch von sog. Storytellern geprägt werden. Wie beurteilt ein Kreativer diese Entwicklung, gerade auch in Trump-Zeiten?
Das ja ist kein neues Phänomen und „Geschichtenerzähler“ gab es schon zur Zeit der Pharaonen. Wichtig ist: Das Image und die Geschichten müssen zum Politiker passen und authentisch sein. Trump ist wohl gerade deshalb so erfolgreich, weil er direkt – ohne Rücksicht auf Konventionen – lospoltert. Diese Unmittelbarkeit wirkt auf (zu) viele erfrischend anders; wenn es auch leider furchtbar traurig ist.
Deine Agentur hat letztes Jahr die Kampagne gemacht „Gesicht Zeigen! Für ein weltoffenes Deutschland“. Aktueller denn je?
Ja, dieses Engagement scheint mir immer wichtiger! Und wir als Experten in der politischen Kommunikation wollen Flagge und Gesicht zeigen für Toleranz und Meinungsfreiheit.
Im Jahr der deutschen G7 Präsidentschaft 2015 haben wir den vom Familienministerium ermöglichten J7-Jugendgipfel kommunikativ begleitet.
Was habt Ihr 2017 im Köcher um politisch mitzumischen?
Im Vorfeld des diesjährigen G20-Treffens der Staats- und Regierungschefs in Hamburg wird es wieder einen vorgelagerten Jugendgipfel geben. Hier arbeiten wir gerade am Kommunikationskonzept. Wir müssen Jugendliche so früh wie möglich zu Wort kommen lassen und ihnen zuhören, damit sie einen eigenen Kopf entwickeln und nicht Demagogen blind hinterherlaufen.
Im Handelsblatt hieß es kürzlich: „Man lässt ihn (den Bürger) nicht wissen, man lässt ihn hoffen. Für die Storyteller ist Realität nicht viel mehr als ein Rohstoff. In ihren Händen wird die Wahrheit zur Handelsware, und eine Lüge ist keine Lüge mehr – solange alle daran glauben.“ Muss es in der Politik Notlügen geben?
Wie schon gesagt: Nein! Die Proteste gegen Trump, Aufklärungsaktionen gegen Fake News und transparenzschaffende leak-Seiten zeigen: Mündige Bürger wollen sich nichts vorgaukeln lassen. „Alternative Fakten“ bleiben Lügen. Um so wichtiger, dass Qualitätsmedien unabhängig und die Zivilgesellschaft stark bleiben, um das aufzudecken. Wer da „Lügenpresse“ schreit, entlarvt sich nur selbst.
Für das Bundesfamilienministerium gestaltet Ihr die Kampagne „Schau hin!“, damit Eltern ihre Kinder stark für den Umgang mit Medien machen. Warum ist das nötig?
Medienkompetenz ist heute elementare Voraussetzung, als mündiger Bürger zu leben. Nur so lernen Kinder sich und andere im Netz zu schützen, sei es vor Datenklau, Cybergrooming oder -mobbing. Aber auch um aus der täglichen Nachrichtenflut Informationen zu filtern, kritisch zu bewerten und Nachrichten, Fake News und „alternative Fakten“ zu unterscheiden!
Das Handelsblatt schrieb auch: „Wenn die Emotionen brüllen, geht die Vernunft in die Knie.“ Auf welche Gefühlsausbrüche stellst Du Dich 2017 ein?
Auf den wutschnaubenden Rücktritt eines von den Medien zermürbten Donald Trump, glückliche Gesichter bei Christian Lindners FDP, wenn sie als liberale Stimme wieder in den Bundestag einzieht, aber leider auch auf das triumphale Gebrüll, wenn die AfD ihr das gleichtut. Vielleicht aber auch auf ein kleinlautes emotionales Eingeständnis, wenn die Menschen merken, dass hinter diesem lauten Geschrei nur die dunklen Geister der Vergangenheit stecken.
Gregor C. Blach ist geschäftsführender Gesellschafter von WE DO communication, einer „Kreativagentur für aktivierende Kommunikation“ mitten in Berlin. Ihr Ziel: Menschen zum Mitmachen zu bewegen. Als Herzensangelegenheit gilt den Kreativen die Toleranzkampagne „Gesicht zeigen“ für den gleichnamigen Verein.
Elke und Gregor kennen sich seit mehr als 20 Jahren, weshalb beide das Interview ganz ohfamoos finden.. Hier kannst Du Dich mit Gregor vernetzen.
Fotos: privat und unsplash (Kayla-Velasquez)