Mädels, das Weltall gehört euch
Stimmt das? Wer als Kind schon sagt: „Ich will ins Weltall fliegen!“ träumt entweder einen typischen Kindheitstraum oder ist ein Junge und hat gerade diese Yedi-Ritter-Startrek-Phase. Weit gefehlt, Leute! Dieser Jemand ist ein Mädchen und hat einen echten Plan! Sie ist Jahre später eine von fast 500 Bewerberinnen zur ersten deutschen Astronautin. Ich frage mich – wie kommt es, dass viele so einen großen Traum träumen; jedoch die wenigsten an ihm festhalten? Und wie ist eine junge Frau, die in drei Jahren als erste deutsche Astronautin zur ISS fliegen könnte?
Vor gut einem Jahr schrieb Claudia Kessler, CEO bei HE Space, eine eher ungewöhnliche Stelle aus: die zur ersten deutschen Astronautin. Fast 500 Frauen bewarben sich. „Aber erst, als wir die Skills statt den Traum von der Raumfahrt in den Vordergrund stellten. Und viele fragten zunächst, ob sie überhaupt eine Chance hätten!“, erzählt Kessler mir vergangenen Mittwoch bei Airbus in Bremen. Die Initiatorin des Projektes meint, es sei schon lange an der Zeit, dass eine deutsche Frau ein Ticket ins Weltall bekomme. Das habe Vorbildfunktion, schließlich sei das Bild von „Frauen und Technik“ veraltet. Und Martin Günther, Wirtschaftssenator in Bremen, pointiert es so:
Vielfalt zeigt sich nur, wenn Männer und Frauen die Welt begreifen!
So wird künftig nicht mehr von der bemannten, sondern der astronautischen Raumfahrt die Rede sein.
Die Besten sind herausragende Teamplayer. Und jetzt schon Vorbilder.
Es ist schon eine respektable Leistung, das knallharte Auswahlverfahren bis hierhin bestanden zu haben und zu den letzten sechs zu gehören. Die Finalistinnen sind zwischen 28 und 37 Jahre alt. Darunter: eine Kampfjetpilotin, zwei Ingenieurinnen, eine Raumfahrttechnikerin, eine Astrophysikerin, eine Meteorologin und zwei Mütter. Eine Astronautin muss neben ihren fachlichen Kompetenzen auch herausragende persönliche Kompetenzen mitbringen: allen voran Teamfähigkeit und emotionale Stabilität. Als ich mit drei Finalistinnen am Mittwoch näher spreche, frage ich, wie hoch sie das Wettbewerbsempfinden untereinander bewerten? So 2-3 auf einer Skala von 0-10, sind sie sich einig. Als Grund nennt Lisa-Marie Haas, dass sie herausragende Teamplayer seien, das zeigte sich bereits in den gemeinsamen Monaten des Auswahlprozesses. „Wenn es da oben ein Problem gibt, dann hat man keine Zeit für persönliche Befindlichkeiten. Dann muss man konfliktfähig sein und das Team muss funktionieren!“
Für mich überraschend ist, dass diese jungen, hoch-kompetenten Frauen durchaus Geringschätzung oder Zweifel von männlichen Mitstudierenden z. B. erfahren haben. Suzanna Randall berichtet, dass ihre männlichen Kommilitonen in Toronto nicht glaubten, sie schaffe ihre Promotion rechtzeitig. Und Magdalena Fee wundert sich darüber, dass sie in ihrem technischen Fachbereich eine der ganz wenigen Frauen ist. In den Teams aus Südeuropa „seien Frauen viel selbstverständlicher“. Deshalb, da sind sie sich einig, sei die Vorbildfunktion der künftigen deutschen Astronautin von großer Bedeutung. Und diese Rolle wollen sie sehr gerne ausfüllen. Überhaupt, auch davon berichten die drei, spielen Vorbilder und Menschen die an einen glauben, eine echt große Rolle. Eltern und Lehrer insbesondere. Schließlich sind sie es, die Mädchen an naturwissenschaftliche Themen heranführen. Die sie zu Jugend forscht & Co. anmelden. Die ihr Selbstbild mitzeichnen. Die „Niedliche“, so die Astronautin-Anwärterinnen, wollten sie nicht sein!
Raumfahrt ist emotional
Bei allem Wissen über Dinge, die ich kaum buchstabieren kann, Doktortiteln und medialer Wirksamkeit, die mir vergangene Woche in der Mock-up-Halle entgegenkam, war mein größtes Learning: Raumfahrt ist hoch emotional.
Emotionen sind ein gigantischer Treibstoff.
Speziell für Ausnahme-Projekte, die scheinbar aussichtslos sind oder zumindest mit herausragenden Schwierigkeiten rechnen müssen. Diese nicht zu bändigende Neugierde auf das, was „dahinter“ kommt, der Hunger von Wissenschaftlern, scheint etwas stark verbindendes zu haben. Da gibt es eine eingeschworene „Gang“ mit einer gemeinsamen Vision. Und ich vermute, das wird einem in die Wiege gelegt. X Mal höre und lese ich rund um das Projekt „Die Astronautin“, dass die Akteure und Initiatoren bereits seit Kindesbeinen vom Weltall begeistert sind.
Ich frage meine 3 Gesprächspartnerinnen: Stellt euch vor, ihr seid Deutschlands erste Astronautin und fliegt zur ISS. Zurück auf der Erde – was wird euer schönstes Erlebnis gewesen sein? Die G-Kräfte zu spüren, die Schwerelosigkeit und die Atmosphäre an Bord zu erleben, meinen sie. Worin sich alle einig sind: Die Erde von oben zu sehen. Das müsse gigantisch sein. Ich gebe zu, in dem Moment und bei der Vorstellung habe auch ich, die auf Bodenhaftung steht, fast Gänsehaut.
Mission possible?
Am Ende will ich wissen, auf welches Feedback die Astronautinnen in spe nach erfolgreicher Mission auf der ISS besonders stolz wären: Wenn viele Kinder und Mädchen sagen würden ‚Ich will das auch!‘. Wenn sie Andere erreichen und eine Inspiration wären. Und wenn sie dazu beitragen würden, dass das Team an Bord über sich selbst hinaus wachse. Die jungen Frauen sagen das, weil sie es genauso meinen, das spüre ich sehr deutlich. Sie wollen einen Unterschied machen mit ihrem Engagement. Und einen Beitrag leisten. Womöglich ist das Teil des Forscherdrangs, der bei manchen ganz ausgeprägt ist. Ohne Herzblut jedenfalls, schafft man es kaum soweit. Daher wohl schreibt eine Anwärterin auf einen Zettel für meine 11-jährige, die sich sehnlichst ein Autogramm wünscht:
Tue das im Leben, was du mit Herzblut möchtest!
Bleibt für heute ein kräftiges Daumendrücken. Zwei werden die Ausbildung zur Astronautin antreten. Am 19. April erfahren wir wer. 125.000 Euro sollen bis dahin über Crowdfunding gesammelt werden und das erste Ausbildungsjahr finanzieren. Sofern es einen Auftrag geben wird, fliegt dann eine erste deutsche Astronautin 2020 mit einem Team auf die ISS. Die insgesamt 30 – 50 Milliarden Euro für dieses Projekt müssen über Sponsorengelder finanziert werden. Auch dafür gilt: kräftiges Daumendrücken. Damit am Ende mehr gewonnen wird als nur neues Datenmaterial über Frauen, die ins Weltall fliegen könnten und der Appell für ein Leben in Vielfalt.
Text: Cornelia Lütge
Fotos: Die Astronautin, pixabay, privat
Ehrlich gesagt wundert es mich sehr, dass dieser tolle Beitrag von Cornelia bislang hier unkommentiert blieb. Weil alles stimmt und man sich ja lieber äußert, wenn es was zu meckern gibt? Oder warum? Ich finde es jedenfalls beeindruckend, was diese Frauen da stemmen, wie sie ihren potentiellen Job angehen, zusammen halten. Und wie Cornelia dieses weite Thema zusammengefasst hat, finde ich ebenfalls klasse.
Wer sucht die Kandidaten/innen für den Job als Astronaut/in aus, Welche Qualifikation wird vorausgesetzt und vor allen Dingen, wer finanziert den Ausflug ins All. Die Kostenträger erwarten nicht zuletzt einen geldwerten Vorteil durch neue Erkenntnisse. Auch Kostenzuschüsse sind da sehr willkommen. Das kann natürlich auch eine fremdfinanzierte „Urlaubsmission“ sein. Die kann ebenfalls helfen die Kosten des Projektes ISS zu refinanzieren. Alles legitim.
Das Frauen ebenfalls körperlich und seelisch für Missionen im All tauglich sind, wurde bereits eindrucksvoll bewiesen. Auch gibt es Projekte, wie zum Beispiel die Mars Mission, in denen Frauen einen wichtigen Teil der Mannschaft bilden werden. Darum geht es augenscheinlich nicht.
Ich frage mich nur, wer profitiert von diesem Imageprojekt „Frauen ins All“? Zunächst erst einmal die Institution welche die Aspirantinnen ausbildet. Dafür ist die Anschubfinanzierung fürs erste Ausbildungsjahr gedacht.
Wie geht es dann weiter? Ein zweites Ausbildungsjahr muss ja ebenfalls finanziert, oder besser gesagt bezahlt, werden. Klar, wenn ein Projekt erst einmal angeschoben ist und mit Werbeeinnahmen, nicht zuletzt durch mediale Aufmerksamkeit, eine weitere Stufe genommen wird, gibt es kein Halten mehr. Der Platz in der Rakete ist ja schon gebucht. Ein Platz, der eventuell für ein/e kompetente/n Wissenschaftler/in mit zukunftsweisendem Projekt in Sachen Raumfahrt sinnvoller genutzt werden kann.
Ist es wieder „nur“ ein Projekt in Sachen Feminismus? Eine plakative Aktion ideologisch verbrämter MöchtegernMainstreamAktivistinnen.
Auch das ist legitim. Bedient aber auch nur wieder engstirnige egoistische Denkweisen und natürlich die Sehnsucht eines jeden Menschen, oh pardon, jedes zweiten Menschen, denn Männer sind für diese Urlaubsmission ja nicht vorgesehen, nach der Freiheit Unmögliches doch möglich zu machen.
Für die Raumfahrtindustrie ist es nur eine weitere bezahlte Nutzlast. Für die ISS Stationsbesatzung kann es zu einer Mehrbelastung werden. Für die Medienwelt ist es ein weiterer Hype und hilft den Nachrichten und Magazinformaten Sendezeit zu füllen. Ob es für den Feminismus letztendlich einen Gewinn darstellt, steht in den Sternen. Es könnte auch zum Bumerang werden.
Nichts desto Trotz, den Bericht habe ich gerne gelesen und auch genossen. Es bleibt aber ein fader Nachgeschmack in Bezug auf das Projekt. Ein bisschen wie Hanni und Nanni auf dem Ponyhof, oder ähnliche Klischees.
P.S.: Was wird denn aus der zweiten Aspirantin? Ausser Spesen nichts gewesen? Oder besteht grundsätzlich die Möglichkeit einer Zweitverwertung des Ausbildungsinhaltes in der freien Wirtschaft?
Lieber Karsten Schürmann,
Sie stellen interessante und kritische Fragen. Und ich kann nachvollziehen, dass sie aufkeimen. Damit sie möglichst aktuell und umfänglich beantwortet werden, habe ich unseren Kontakt bei HR Space auf ihren Kommentar aufmerksam gemacht. Ich bin sicher, dass man sich dort die Zeit nimmt. Zwar ist gerade die „heiße Phase“ vor dem 19.4., der finalen Verkündung. Schon bald werden wir hoffentlich von dort lesen. Mein Kenntnisstand zur Sache ist sehr wahrscheinlich nicht vollständig und leider nicht aktuell.
Unabhängig von etwaigen Tatsachen bedauere ich persönlich allerdings, dass es überhaupt solcher Aktion bedarf. Wären Chancengleichheit und Gleichwertigkeit von Mann und Frau eine echte Selbstverständlichkeit, hätte ich zwar die wunderbaren, jungen Frauen in Bremen nicht kennengelernt, bräuchte mich allerdings auch mit anderen Fragen dazu nicht herumschlagen. Und glauben Sie mir – ich habe zwei Töchter – ich bin sehr daran interessiert, dass es Aktionen wie diese aus besagten Gründen nicht braucht! Solange aber ein nachweisliches Gap existiert (und schlimmeres), werde ich mich einsetzen. Aktivistin, Feministin? Als Frau, die überzeugt ist, dass es dazu kein richtig oder falsch gibt!
Bis bald wieder hier und ohfamoose Grüße von
Cornelia Lütge
Toller Text und SEHR interessante Kommentare (nicht nur hier)!
Was für ein Projekt- da werden hochqualifizierte Frauen gefunden, brennen für sich öffnende Türen und die Chance, alles was sie können im Weltall einzubringen.
Bitte mehr Texte wie diese, damit wir auch hierfür den Sog der Medien und Kanäle nutzen können!
Damit dies nicht ein Was-soll-das-und-wer-soll-das-bezahlen-Projekt bleibt.
Damit besonders die Zweifler sich mitziehen lassen und mit 3 Klicks des Crowdfundings über den eigenen Schatten springen! (also Herr Schürmann?!)
Jede dieser Damen ist eine Heldin und hat schon jetzt etwas geleistet, was eigentlich selbstverständlich sein sollt-
Qualifikation im Fokus ungeachtet der ABERs.
Allerdings musste ich bei Ihrer Reaktion etwas schmunzeln Frau Lütge- Sie haben typisch weiblich entschuldigend geantwortet.
Niemand hat je einen vollständigen Kenntnisstand, aber die Herren stapfen da ganz gerne drüber hinweg- für sich.
Liebe/r Fay,
ich freue mich sehr, dass Ihnen der Beitrag so gut gefällt! Und das „Gespräch“ drumherum. Es flammte kurz auf und ebbte im alltäglichen Infrmations-Overload leider schnell wieder ab.
Ich bringe Sie gerne zum Schmunzeln! Jedoch:“Nö!“ – da war kein Entschuldigen, eher ein Bedauern, dass ich zum Zeitpunkt nicht up-to-date war. Ich bin ganz bei Ihnen: Gerade heutzutage kann niemand je einen vollständigen Kenntnisstand haben. Sekündlich kommt Neues hinzu.
Bleiben Sie uns auf den Fersen, ja? Wir gehören ja zu denen, die im Informations-Overload die Perlen verschenken:-).
Alles Gute und ohfamoose Grüße von
Cornelia