Geheimtipp Kapverden
„Kapverden? Wo ist das denn eigentlich? Afrika? Europa? Und was macht man da bloß?“ Als die Hamburger Journalistin Angela Kandt unter Freunden von ihren Reiseplänen erzählt, sieht sie vor allem eins: Fragezeichen in deren Augen. „Bei manchen“, erinnert sich die Autorin, „allerdings auch ein gewisses Blitzen, gefolgt von einem Seufzen: „Das muss schön sein, aber auch ganz schön weit weg….“ Mehrere Wochen war Angela Kandt auf Sao Nicolau – mit rund 350 km2 die fünftgrößte Insel der Kapverden. Touristisch kaum erschlossen, gilt gerade Sao Nicolau vielen als ganz besonderer Geheimtipp. Ihre Geschichte fand auf ohfamoose Weise zu uns!
Ein lauer Wind weht vom Meer und die untergegangene Sonne schickt ihre letzte Glut durch die Wipfel der Palmen auf den Kapverden. Die Blätter wispern im Rhythmus der heranrauschenden Wellen und aus den Lautsprechern haucht eine weiche Frauenstimme ihre „Sodade“. „Schön – oder?“ sagt der hochgewachsene Barkeeper und lässt den Pinot Grigio elegant in das Glas fließen. Langsam, wie ein letzter Gruß Europas am Tor zu einer anderen Welt. Nach sieben Stunden Fliegerei beginnt diese Welt für mich heute in der Bar des „Morabeza“.
Immer mehr Hotelgäste säumen zur „Happy Hour“ den Tresen wie eine braun gebrannte Perlenschnur. „Tolles Wetter auf Sal“, strahlt Hans neben mir. Ich habe ihn vorhin im Flugzeug kennengelernt. Eine Woche raus aus dem Arbeitstrott und rauf aufs Surfbrett. Jeden Tag von morgens bis abends. „Na ja,“ meint er zögernd, „nach einer Woche ist das dann auch genug. Sonst ist hier ja nicht so viel zu entdecken.“
Auf der Weiterreise nach Sao Nicolau
Dieses „sonst“ auf der sandigen Kapverden-Insel Sal ist schnell aufgezählt: In der Sonne am weißen Strand schwitzen, im türkisblauen Meer plätschern, abends in einem der vielen Lokale Pizza oder Spaghetti essen, durch die Touristenläden schlendern und Ledertaschen, Batik-T-Shirts, Holzmasken aus Afrika kaufen. Alles schön. Aber das alles werde ich nicht tun, sondern morgen weiterreisen zu einer anderen Kapverden-Insel: Nach Sao Nicolau, auf der Weltkarte ein Stecknadelkopf in einem Ensemble von Stecknadelköpfen irgendwo im Ozean zwischen Westafrika und Südamerika.
„Sao Nicolau?“ Claus, der sich als Däne outet, mischt sich jetzt ein in unser Gespräch. „Da war ich auch mal und habe mich richtig gelangweilt. Keine echte Bar zum Ausgehen.“ Ihm gehört ein Restaurant nicht weit entfernt. Nach Jahren des Herumreisens zwischen Australien und Mittelamerika hat er in Sal seinen perfekten Platz gefunden:
„Hier ist es ein bisschen wie in der Karibik, aber es ist alles einfacher, leichter. Die Menschen sind freundlich, offen und bunt gemischt. Afrikanisch, aber auch irgendwie europäisch. Vor allem ist man hier so schön entspannt.“
Der Archipel der Kapverden war bis in die 70er Jahre eine portugiesische Kolonie. Heute leben in der eigenständigen Republik vor allem Kreolen, Nachfahren der Europäer, die sich seit Beginn der Besiedlung und Kolonisierung im 15. Jahrhundert mit den aus Guinea Bissau und Ghana hierher verschleppten Sklaven gemischt haben.
„Wenn du noch Unberührtheit und Abgeschiedenheit erleben möchtest,“ wirft jetzt ein Franzose ein, „ist Sao Nicolau richtig. Fast keine Touristen, nur ein paar Wanderer. Dort gibt es noch das echte Kapverdische.“ Ich bin entzückt! Wilde Natur, ein Platz, wo man etwas „Echtes“ entdecken kann, was in keinem Reiseführer steht. Doch was sollte es bloß sein, dieses echte Kapverdische? Der Franzose zuckt mit den Schultern. „Guck einfach selber.“
Ein alter Bonvivant mit Lederkoffer
Eng ist es in dem kleinen Inselhüpfer, der mich am nächsten Tag nach Sao Nicolau bringt. Der hagere Mann neben mir trägt einen weißen und viel zu großen Leinenanzug. Seit 30 Jahren lebt er in Holland und seit zehn Jahren ist er nicht mehr in seiner Heimat Sao Nicolau gewesen. Mit seinem Anzug und dem kleinen braunen Lederkoffer sieht er ein bisschen aus wie aus der Zeit gefallen, wie ein alternder Bonvivant. Vielleicht hat er den Koffer und den Anzug ja schon seit 30 Jahren und trägt beides immer nur auf dem Heimatflug.
Als ich am späten Nachmittag aus der Flugzeug-Lucke steige, schlägt mir warme Bergluft entgegen. Rot entflammt in der letzten Sonne des Tages, säumen karge Felsen den kleinen Flugplatz. Still und stark, majestätisch, liegt die Landschaft vor mir und scheint sofort klarzumachen, wer hier herrscht. Der Mensch zumindest nicht.
Draußen vor der kleinen Flughafenhalle wartet bereits Jorge mit seinem dunkelgrauen Pickup, um mich in das kleine Fischerdörfchen Carrical zu bringen. Zu Mike. Bei ihm habe ich ein kleines Häuschen gemietet.
Ich stelle mich hinten auf das offene Deck, will nach dem stickigen Flugzeug die frische Luft atmen und den weichen Wind spüren.
Schon bald biegen wir von einer Asphaltstraße auf eine Pflasterstraße aus schwarzen Basaltsteinen. Wie ich später erfahre, ist das günstig, weil es eines wirklich reichlich gibt auf Sao Nicolau: nackte Felsen und Steine.
Nach einem Tag Sandwüste auf Sal bin ich in einer Bergwüste gelandet. Wir fahren von der Mitte der Insel in den Osten, links schlägt das Meer mit Wucht gegen die Felsen, rechts türmt sich das Gebirge auf und wie von grünem Puderzucker bedeckt, ziehen sich die Hänge in den wolkenlosen Himmel. So grün sei es hier nur selten, erklärt Jorge. In der Regenzeit im September habe es dieses Mal besonders viel geregnet. Aber schon bald werde keine andere Farbe mehr das leuchtende Rotbraun der nackten Berge stören.
Schwarze Wand im roten Abendhimmel
Die Straße biegt schließlich auf die Hochebene und vorbei ist es mit dem komfortablen Steinpflaster. Wir holpern über Sand, Schotter und durch Schlaglöcher, die vom letzten Regen übrig geblieben sind. Es wird schon dämmrig, als Jorge plötzlich abrupt den Wagen stoppt und ein langes Gewehr von der Landerampe holt. „Galinha Guinea“ flüstert er. Er hat wilde Perlhühner gesehen und will eines schießen. Aber die graugefiederten Tiere haben sich in der Dämmerung geschwind in Deckung gebracht und wir fahren ohne einen Schuss weiter. Die braunen und grünen Berge haben sich vor der untergehenden Sonne mittlerweile anthrazit gefärbt, bis sie wie eine schwarze Wand in den roten Abendhimmel ragen.
Nach einer Stunde geht die Straße wieder abwärts, in der Ferne glitzert das Meer unter dem Mond und vor uns zeichnet sich die dunkle Silhouette eines Dorfes ab. Die Häuser schweigen unter riesigen Straßenlampen. „Luz“ sagte Jorge stolz. Erst seit dem vergangenen Jahr gäbe es überhaupt Strom, der durch eine deutsche Solaranlage gespeist werde. Leider klappe es nicht so gut mit dem Speichern des Stroms, deshalb haben die Menschen vor wenigen Wochen nach ein paar wolkenverhangenen Tagen wieder wie früher im Dunkeln gehockt.
Jorge fährt eine steile Straße hinab zum Meer und prescht angesichts einer heranrauschenden Welle mit viel Gas über den Strand, um den Wagen wenige Meter vor einer Steinmauer zu stoppen. „Wir sind da.“ Seine weißen Zähne blitzen in der Dunkelheit. Wie aus dem Nichts tauchen im Licht der Scheinwerfer zwei junge Männer auf, vielleicht 18, vielleicht jünger. Auf dünnen Beinen staksen die schmächtigen Jungs durch den Sand zur Laderampe, hieven mit überraschend viel Kraft meine Taschen und den Koffer auf den Kopf und jonglieren sicher wie Schlafwandler ohne Taschenlampe den schmalen Pfad am Fels entlang.
Ein kleines Häuschen direkt am Meer
Tief unten schimmert das Meer und mit einem mulmigen Gefühl folge ich dem dumpfen Klappern ihrer Flipflops. Nach einigen Metern und ein paar Stufen, erreichen wir ein kleines Anwesen, das sich eng an den Felsen schmieg. Zwei kleine Häuschen mit Spitzdächern.
Der Mond taucht die Terrasse in schummriges Licht während irgendwo am Horizont ein letzter Streif der Sonne im Meer versinkt. Ein weicher Wind kommt von den Bergen herunter und kühlt die Steine unter meinen Füßen. Links zieht sich hinter dem kleinen Strand ein Wald tief in den Ribeira. Eine Schlucht, die das von den Bergen herabrauschende Regen- und Quellwasser in den Fels gewaschen hat. Gegenüber wachen die hohen Lampen über dem Dorf wie eine gelbe Garde und unterhalb meiner Terrasse schunkeln Fischerboote auf den Wellen.
Mal leise, mal lauter plätschert das Wasser gegen den Felsen und irgendwo in der Ferne braust das Meer zum Ufer. Sonst nichts. Herrlich.
Nein, so geht das nicht,“ sagt Cabeza. „Sobald es ruckelt, musst du kurz und schnell ziehen!“ Betroffen starre ich auf das viele Wasser um mich herum.
… hier nimmt die Geschichte weiter Fahrt auf. Ihr könnt sie weiterlesen auf der Autorenseite von Angela Kandt.
Übrigens: Angela schreibt auch über andere Themen. In ihrem Buch ‚Wenn der Pfau weint’, das sie zusammen mit Irina Badavi erarbeitet hat, geht es um ein ganz besonderes Frauenschicksal. Es war bereits Thema auf ohfamoos. Lest im Interview, worum es in ‚Wenn der Pfau weint’ geht.
Fotos: Privat
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