Künstliche Intelligenz und Hefeteig – Die Tyrannei des Schmetterlings
KI steht für künstliche Intelligenz. Davon haben wir ja alle schon mal was gehört, Gesichtserkennung und Alexa lassen grüßen. Mich fasziniert das Thema künstliche Intelligenz seit meiner Jugend. Schon als Teenager habe ich in den 70ern die wöchentlichen Perry Rhodan Heftchen regelrecht verschlungen. Jetzt ‚musste’ ich Franks Schätzings Buch Die Tyrannei des Schmetterlings lesen.
Wusstet Ihr? Die Perry Rhodan Science-Fiction Serie mit ihren Zukunftsvisionen, Parallelwelten und künstlichen Intelligenzen ist inzwischen die umfangreichste und am längsten laufende Fortsetzungsgeschichte der Welt!!! Kein Wunder also, dass mich Frank Schätzings Buch Die Tyrannei des Schmetterlings so in den Bann gezogen hat.
Frank Schätzing schreibt dicke Bücher, die ich alle sehr gerne gelesen habe. Daher schreckt mich auch kein 728-Seiten-Thriller! Das psychedelische Cover fand ich persönlich aber schon ein bisschen befremdlich. Sehr bunt und ornamental, ganz anders als seine anderen Werke. Und schon mal gleich vorweg. Die Tyrannei des Schmetterlings ist anders. Der Klappentext verrät: es geht um künstliche Intelligenz. Aber bitte, was hat ein Sheriff in der Sierra Nevada mit künstlicher Intelligenz zu tun?
Die Tyrannei des Schmetterlings braucht Geduld
Das Buch braucht Geduld. Schätzing überstürzt nichts und beschreibt im Detail. So führt uns der Prolog erst einmal in den Süd-Sudan. Aha, denke ich, Bürgerkrieg in Afrika. Gutes Thema. Tja, aber dieses erste Kapitel endet – nach einem mysteriösen, blutrünstigen Gemetzel – etwas abrupt. Seltsam.
Das erste Kapitel spielt in Kalifornien. Oh, denke ich, Paolo Alto, Silicon Valley, künstliche Intelligenz: Jetzt geht’s los. Weit gefehlt, es geht in die Provinz Sierra Nevada und uns begegnet der Romanheld: Undersheriff Luther Opoku, ein cleverer, bodenständiger Kerl, der gerade einen Mord aufzuklären versucht. Soweit alles normal. Von künstlicher Intelligenz keine Spur. Die umfangreiche Recherche des Mordes beginnt und wir lernen die Kollegen und die Heimat Luthers kennen. Eine heiße Spur in der Ermittlung führt dann aber doch nach Silicon Valley und zu A.R.E.S. (Artificial Research and Exploring System), einem Quantencomputer. Wer das Wort Ares aus dem altgriechischen kennt, kann erahnen, was es mit dem Quantencomputer auf sich hat. Ich hatte keinen Schimmer und habe mich voll auf die Erzählung eingelassen, denn die entfaltet sich nun rasant.
Ein bisschen Hefeteig, ein bisschen Astrophysik
Als Luther bei seinen Ermittlungen ein Forschungslabor aufsucht, gerät er bei der Verfolgung eines Verdächtigen in ein tief in die Erde gebautes Rechenzentrum. Dort befindet sich ein sphärisches Tor, durch das er in ein Paralleluniversum tritt, ohne sich dessen bewusst zu sein. Sein Kaff in der Sierra Nevada scheint wie zuvor, doch es mehren sich die Seltsamkeiten und Luther merkt, dass er in einer Parallelwelt gelandet ist. Für ihn gibt es kein zurück und so setzt er, gemeinsam mit Deputy Sheriff Ruth Underwood, seine Ermittlungen an dem Mordfall fort – und entdeckt Unglaubliches.
Schätzing versteht es, die komplexen Handlungsstränge der Geschichte klar und detailliert zu schildern. So erklärt er die Existenz von Multiversen anhand eines Hefeteigs. Genial! Schätzing hat auch für dieses Buch wieder beeindruckend recherchiert, um die schon heute technologisch realisierten oder in Entwicklung befindlichen Anwendungen künstlicher Intelligenz und Robotik anschaulich aufzuzeigen. Er erklärt wie Quantencomputer, „deep learning“ und „Take off“ von Superintelligenzen, Biowaffen und Verschmelzung von Halbleitertechnologie und Biologie unsere Welt verändern könnten.
Schätzings Kritiker in den Leitmedien bemängeln seine langatmigen Landschaftsbeschreibungen. Ich hingegen finde seinen Schreibstil #ohfamoos. So stehen die kalten Möglichkeiten der künstlichen Intelligenz gegenüber den prosaischen Beschreibungen der wunderschönen Natur unserer Welt.
Tyrannei des Schmetterlings ist für mich nicht nur ein Thriller, sondern ein philosophischer Diskurs: Ethik und Moral versus Forschung. Es wirft die Frage auf, wohin die immer schneller verlaufende technische Entwicklung der Menschheit führen kann.
Ein ganz ohfamooses Buch über die Möglichkeiten unserer Zukunft. Es lohnt sich sehr die Zeit dafür zu investieren.
Wer mehr zum Thema künstliche Intelligenz und Zukunft lesen möchte: Germany 2064
Fotos: Sonja Ohly und pixabay