Nach Greta und Corona – wie geht es weiter im Anthropozän?
Die Weltbevölkerung ist ja immer gerne in Aufruhr. Egal ob Klimawandel oder Corona Virus, wir reagieren hysterisch und viele Menschen leben in Angst. Die einen verzichten auf Reisen mit dem Flugzeug, die anderen hamstern Nudeln und Toilettenpapier. Unsere Medien berichten fleißig über alle Krisen und veröffentlichen täglich Tipps zum Selbstschutz gegen Viren, Tigermücken oder ähnliches. Die Welt hält den Atem an. Aber mal ehrlich, mit Hysterie kommen wir nicht weit.
Wir leben im Anthropozän, im Zeitalter, in dem der Mensch zu einem der wichtigsten Einflussfaktoren auf die biologischen, geologischen und atmosphärischen Prozesse auf der Erde geworden ist. Es gefällt uns im Anthropozän – und es soll doch auch bitte weiter so bleiben. So die Meinung vieler. Aber wir haben die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Der Wirt, unsere Hausherrin nämlich, ist unsere Erde und ihre Natur.
Und die Natur macht, was sie am besten kann: Sie entwickelt sich. Das nennen wir Evolution. Wir erinnern uns, die Entwicklung von Einzellern zu komplexeren Organismen begann vor dreieinhalb Milliarden Jahren.
Heute ist der Mensch die komplexeste Lebensform, die wir kennen. Aber weil sehr komplex, eben auch sehr anfällig. Bakterien, Mikroben und Viren sind das nicht. Sie überleben Vulkanausbrüche, Hitze und Kälteschocks und sind äußerst opportunistisch. Sie infizieren und siedeln überall dort, wo es geht. Schlaue Kerlchen!
Eduard Kaeser, der Physiker und Philosoph, schreibt in einem Gastkommentar zum Coronavirus in der Neuen Zürcher Zeitung: „Wir werden uns an dieses Szenario gewöhnen müssen. Denn mit der fortgesetzten Ausbreitung des Menschen erhöht sich für diesen auch die Wahrscheinlichkeit von anderen Arten infiziert zu werden.“
Tja, das ist bitter. Shit happens, so würde der Mikrobiologe Bruce Levin sagen. Er weiß, dass die Virulenz von Mikroben nicht spezifisch gegen uns Menschen gerichtet ist, sie geschieht einfach unter bestimmten Bedingungen.
Da wären wir wieder im Anthropozän. Alles nur, weil wir Menschen uns gerne ausbreiten. Verzicht steht nicht wirklich auf dem Programm. In der Wirtschaftswoche war zu lesen, dass nur 14 Prozent der Befragten aus der ums Klima besorgten Generation Z auf eine Auslandsreise verzichten.
Gretas Aufruf zur Rettung des Klimas erreichte wohl nicht jeden. Was Greta Thunberg mit ihrem unermüdlichen Einsatz nicht gelang, das schaffte Corona innerhalb von Wochen. Eine Panik, die eigentlich Klimawandel, Luftverschmutzung und Mikroplastik schon längst bei uns hätte auslösen sollen.
Corona zeigt uns, wie schief die gesellschaftliche, mediale und politische Wahrnehmung von Bedrohungen tatsächlich hängt.
Es ist schon fast kurios, wie die Evolution eines Virus innerhalb weniger Tage sanitäre Versorgungsstrukturen entstehen lässt, die zum Beispiel auf Lesbos seit Jahren dringend gebraucht werden. Staaten entscheiden plötzlich schnell und unbürokratisch Gelder bereit zu stellen, um ihre Bevölkerung zu schützen. Da bleiben Flugzeuge am Boden, Schulen werden gesperrt, selbst ein Einbruch der Wirtschaft wird in Kauf genommen.
Geht doch, denke ich – aber warum brauchte es dazu Corona?
Wo bleibt unsere Einsicht?
Die Erde braucht uns nicht, aber wir brauchen sie. Wenn wir das endlich begreifen, dann gibt es noch Hoffnung für unsere Entwicklung. Denn ob wir uns ausrotten, die Meere kippen lassen oder im Plastik ersticken, das ist der Erde herzlich egal.
Sie spielt ein ganz ohfamooses, unendliches Spiel – bei dem es keine Gewinner gibt.
Fotos: Sonja Ohly