Unverpackt – eine Idee boomt
Wir haben schon oft über die Problematik Müll geschrieben. Aber Unverpackt-Läden nur am Rande erwähnt. Dabei boomt Unverpackt geradezu. Elke hat Olga Witt getroffen, die schon 2016 Kölns ersten Unverpackt-Laden mit gründete. Man kennt sie unter TANTE OLGA. Die gelernte Architektin hat sich einem Leben ohne Müll verschrieben. Zero Waste ist ihr ein Herzensthema. Und sie weiß: „Auch wenn wir unsere Bequemlichkeit dafür ein Stück weit opfern werden – wir gewinnen so viel mehr.“
Tante Olga ist ja Kölns erster Unverpackt Laden, wie sieht die Bilanz nach mehr als zweieinhalb Jahren aus? Was geht, was nicht?
Olga Witt: Uns war von Anfang an klar, dass das laufen wird. Aber dass das SO gut läuft, das hätten wir uns nicht träumen lassen. Wir wachsen sukzessive, seitdem wir am 5. November 2016 eröffnet haben – sowohl im Sortiment als auch bei den Mitarbeitern. Anfangs haben wir den Laden mit einer Person geschmissen, jetzt sind es pro Schicht mindestens zwei, oft fünf und manchmal sogar sieben.
Was fragen die Kunden besonders?
Haferflocken sind unser absoluter Bestseller! Davon verkaufen wir pro Monat etwa 130 Kilo.
Kaufe ich auch am liebsten… Was läuft schlechter?
Manche Produkte subventionieren wir. Die laufen nicht ganz so gut, aber wir finden die cool und deshalb lassen wir die im Sortiment. Einkorn zum Beispiel, ein Urkorn vom Weizen, welches widerstandsfähiger gegenüber Schädlingen und für uns deutlich besser verträglich ist. Mit solchen Produkten fördern wir eine Landwirtschaft, die wir uns wünschen.
Ihr habt seit Anfang 2019 eine weitere Filiale, in Köln-Nippes. Gibt es Pläne zu expandieren?
Wir haben ganz, ganz viele Ideen, unser Sortiment besser zu erklären und unser Konzept weiter zu verbreitern. Uns fehlt leider oft die Zeit das umzusetzen. Im Raum steht immer auch ein weiterer Laden. Wir bekommen viele Anfragen, ob von der anderen Rheinseite oder aus dem Kölner Westen… Das ist nur so unglaublich viel Arbeit und dann sehe ich meinen Mann wieder ein halbes Jahr so wenig…
Du wirkst hin- und hergerissen.
Stimmt, denn natürlich wollen wir ja auch vielen anderen ermöglichen so einzukaufen!
Dein Thema ist Zero Waste, so steht es ja auch im Titel Deines Buches…
Ich habe vor sechs Jahren angefangen mein Leben nach Zero Waste auszurichten. Damals bekam ich Stückchen für Stückchen mehr ökologisches Bewusstsein und wollte mein Verhalten umstellen, was nicht so leicht war. Denn Bio-Produkte sind im Supermarkt ja oft noch stärker verpackt.
Welchen Auslöser gab es?
Irgendwann las ich den Begriff Zero Waste in einer Zeitschrift und ich begann zu recherchieren. Ich fand die Amerikanerin Bea Johnson, die das mit ihrer Familie auch schon länger machte. Das hat mich sehr angesprochen. Ich habe dann ziemlich schnell angefangen vieles umzustellen und darüber zu bloggen, denn damals gab es zu dem Thema nichts im deutschsprachigen Kulturkreis.
Tante Olga kam dann als Gründung zu dritt, wie genau?
Mein Mann und ich hatten erst einen Onlineshop für Zero Waste Spezialprodukte, den zerowasteladen.de und eine Einkaufsgemeinschaft, mit der wir 25 KG Säcke Lebensmittel gekauft haben. Säcke und Onlineshop nahmen überhand in unserer Wohnung, so dass wir kurzerhand zugriffen, als ein Ladenlokal gegenüber frei wurde. Bald wurde uns klar, dass wir das Projekt nicht zu zweit stemmen können, zumal ich schwanger war. Auf einem unserer Workshop-Vorträge war Dinah, die auch auf der Suche nach etwas Sinnvollem war. Sie haben wir angerufen und gefragt: Willst Du nicht mitmachen? Sie ist sofort eingestiegen.
Viele Leute kennen Unverpackt-Läden noch nicht. Welche großen Unterschiede gibt es z.B. zu Alnatura?
Sehr große. Wir kaufen unsere Produkte ganz anders ein, nicht nur dass wir Müll bei Verpackungen einsparen: Wir achten auch sehr stark auf die Herkunft, Beispiel Mandeln. Meistens kommen die aus Kalifornien, da gibt es nicht so viel Wasser, aber Mandeln brauchen beim Wachsen davon sehr viel. Es gibt also ein ökologisches Problem plus: Das Thema Transportwege. Deshalb kaufen wir Mandeln bewusst in Europa.
Und wenn es Produkte aus Übersee sein müssen?
Dann achten wir auf Fair Trade-Produkte. Zudem sind unsere Produkte natürlich palmölreduziert. All das machen andere Läden so nicht – sie kaufen ein, was verkauft wird, nach dem Motto: Der Kunde bestimmt, was wir verkaufen. Aber wir sagen genau anders: Wir als Verkäufer haben eine Verantwortung und bringen nur das in Umlauf, was wir ökologisch vertreten können. Dementsprechend ist unser Angebot begrenzt.
Wie gefragt ist Beratung?
Sehr, und das ist ebenfalls ganz anders möglich als z.B. im Biosupermarkt. Wir haben Zeit für unsere Kunden, können über alles reden, wie früher im Tante Emma Laden. Wir begleiten viele Kunden von Anfang an und die uns, es sind Freundschaften entstanden, wirklich schön.
Klingt nach einer eigenen Community, deshalb auch das Café?
Ja, auch. Das war uns von Anfang an wichtig, dass man hier immer sitzen kann, auch ohne konsumieren zu müssen. Sich aufhalten können, diesen Ort genießen.
Momentan sind die Grünen ja sehr im Aufwind. Beflügelt das Euer Geschäft?
Total. Es potenziert sich gerade alles, unsere Themen sind so extrem im Kommen. Es steigt kontinuierlich an.
Es kommen immer neue Leute, die einsteigen, um nachhaltiger und bewusster zu konsumieren.
Wer sind Eure Kunden?
Unsere Kunden bringen eine ganz andere Ruhe und Gelassenheit mit. Nicht dieses: Schnell rein und wieder raus springen. Hier wird das Einkaufen als Tätigkeit empfunden, die man auch genießen kann. Zeit verbringen, ohne diesen Müssen-Charakter. Beim Bezahlen gibt es auch mal eine Schlange – wir haben nur eine Kasse – trotzdem bleiben die Kunden total entspannt.
Wer müllfrei leben will, muss sich umstellen. Nun ist es ja nicht immer einfach Routinen abzulegen. Wie empfiehlst Du vorzugehen?
Das ist immer Thema bei mir und in meinen Vorträgen. Ich weiß, wie schwer es ist, man muss vieles vollkommen neu lernen. Aber wir sind Gewohnheitstiere – wir können uns alles angewöhnen und alles abgewöhnen. Deshalb empfehle ich immer Stückchen für Stückchen vorzugehen. Sich Dinge raus zu picken, die einfach fallen. Dann bekommt man schnell Erfolgserlebnisse und kommt von ganz alleine weiter, wenn es sich gut anfühlt. So kann man langsam alte gegen neue Routinen austauschen.
Ein Vorurteil lautet: Alles schön und gut, aber einen solchen Lebensstil kann man sich nicht leisten. Was ist bei Tante Olga teurer? Oder ist das eine Mär?
Das ist eine totale Mär. Kommt vermutlich daher, weil viele Leute, die ein ökologisches Bewusstsein haben, viel Geld verdienen und auch viel ausgeben. Letztlich damit aber nicht sonderlich ökologisch leben.
Wie meinst Du das?
Es ist deutlich ökologischer, wenn man aufgrund von weniger Geld auch weniger ausgibt. Den größten ökologischen Schaden verursacht man, wenn man viel konsumiert. Ja, Bioprodukte und auch regionale Produkte sind oft teurer. Aber im Sinne von Zero Waste reduziere ich ja meinen Konsum: Behalte Dinge, die ich schon habe, kaufe mehr gebraucht ein, mache Upcycling – dann kann man so viel einsparen, dann lebt man auf kleinem Fuß. Auch das Nutzen von Mehrwegprodukten statt Einwegprodukten wie Küchenrolle, Alufolie, Tampons, Papiertaschentücher, Wasserflaschen und Klopapier spart jede Menge Geld ein, da man sie eben nur einmal kaufen muss. Das Leben mit Zero Waste ist nicht teurer, wenn man es richtig macht.
Bio ist nicht teurer?
Wenn man genauso viel nur „in grün“ kauft, dann schon. Aber das ist ja ökologisch betrachtet nicht sinnvoll. Wer wirklich ökologisch lebt, reduziert die Menge. Es geht nicht darum, die gleiche Menge von Klamotten in Bio-Baumwoll-Qualität zu kaufen, sondern es geht ums Reduzieren.
Ist Verzicht etwas Positives?
Mit diesem Wort muss man vorsichtig umgehen. Verzicht ist sehr negativ konnotiert.
Müsste es aber nicht sein!
Genau, ich habe gemerkt: Obwohl ich auf so viele Dinge verzichte, weil ich sie nicht konsumieren möchte, bin ich deutlich zufriedener geworden. Weil ich mich nicht den ganzen Tag damit beschäftige, was ich nicht habe oder was andere haben. Ich habe alles, was ich brauche, weil alles da ist. Ganz nach dem alten Sprichwort: Nicht, wer viel hat, ist reich, sondern wer wenig braucht.
Du sprichst den sogenannten Rethink-Gedanken“ an…
Ja, Rethink heißt neu denken und das ist mir sehr wichtig. Dieser Begriff lädt dazu ein, alle Tätigkeiten zu hinterfragen. In was sind wir eigentlich hineingewachsen? Nur weil es alle anderen auch machen, ist es ja nicht automatisch richtig.
Selbständig denken, den Mainstream hinterfragen – das sind wir nicht mehr gewohnt.
Aber wir brauchen heute ein komplett neues Nachdenken stärker als zuvor, denn wir bewegen uns in eine Sackgasse. Wir müssen jetzt dringend ganz vieles ändern!
Gutes Schlusswort, danke für das Interview, liebe Olga!
Olga Witt kommt gebürtig aus einem kleinen Dorf am Rande von Mönchengladbach. Als in ihrer Welt nichts mehr wirklich zu passen schien, nutze sie die Turbulenzen für einen Neustart. In ihren (natürlich unverpackt gelieferten) Büchern beschreibt sie die Problematik, wie sehr wir den Müll aus den Augen verloren haben – ab in die Tonnen, raus aus dem Sinn. Sie gibt zig Tipps und Anregungen, uns zu hinterfragen und umzuschauen. Grandios, was wie allein an Plastik einsparen können! Zero Waste ist für Olga „der Gewinn des wahren Lebens“. Mit ihrem Mann Gregor und vier Kindern lebt sie in Köln.
Tante Olga ist viel mehr als ein Bioladen: Klar, alles bio, weitestgehend regional und natürlich unverpackt. Bei Tante Olga findest Du aber auch viele Infos, gute Beratung, es gibt Workshops und Vorträge und wenn Du nicht vor Ort einkaufen kannst: Es gibt einen Onlineshop mit sehr klaren Leitlinien. Mehrere Hundert Stammkunden in kürzester Zeit sprechen für ein Konzept, das boomt.
Unverpackt einkaufen ist Trend
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